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Viva Mexico!

„Das Leben steckt voll ungeahnter Möglichkeiten“

Wenn die Wecker hier in aller Früh klingeln und unser Tag gerade erst beginnt, dann ist es in  Monterrey, einer Großstadt im Norden Mexikos, noch mitten in der Nacht. Sieben Stunden Zeitverschiebung und über 9.000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Füssen und Monterrey. Manchmal zieht es einen einfach in die Ferne, man ist auf der Suche nach Abenteuern und gespannt darauf, die große weite Welt zu erkunden. Es gibt unzählig viele schöne und aufregende Orte und Länder auf dieser Erde. Die Auswanderin Brigitte Läubin hat ihren Platz gefunden. In einem interessanten, vielfältigen, sehr schönen aber auch teils gefährlichen Land, wie sie sagt.

Wie lebt es sich als Allgäuerin in Mexico?
Monterrey liegt, wie Füssen, am Fuß der Berge. Leider ist jedoch bei all der Hitze im Sommer kein ordentlicher Badesee weit und breit.  Da fragt man sich als Füssner Kindl im Sommer schon oft: „Was mache ich hier eigentlich“? Aber Monterrey Mexiko bietet dafür andere Möglichkeiten, deswegen sind wir ja auch hier. Und mein Job ist dabei auch ausschlaggebend. Fordernd und spannend . Was will man mehr?

Was ist Ihr Job in Mexico?
Ich leite hier in der Stadt seit 2013 das Centro Cultural Alemán, also das Deutsche Kulturzentrum. Wir sind Sprachzentrum und Kulturgesellschaft und haben den Auftrag, die deutsche Sprache und Kultur hier unters Volk zu bringen. Die Menschen hier in Monterrey sind sehr arbeitsam, aufstrebend und zu einem großen Teil auch wohlhabend. In Europa zu studieren ist für Viele ein „Muss“ in ihrem Lebenslauf.

Das Centro Cultural Alemán bietet also Deutschkurse an?
Ja, genau. Wir bieten 40 Kurse an, sogar schon für Kinder ab fünf Jahren. Im Bimester haben wir dann durchschnittlich 400 bis 500 Schüler. Die meisten davon sind Studenten oder Angestellte deutscher Firmen, oder solche, die es werden möchten.

Was hat Sie überhaupt nach Mexico verschlagen?
Damals, 1999, wollte ich eine große Reise machen. Erst wollte ich nach Katmandu, machte aber dann noch einen Rückzieher. Dann erzählte mir jemand von Mexico. Ich fand, es hörte sich so gut an, dass ich also nach Mexico geflogen bin.

Wie ging es für Sie dann weiter?
Ich war also für fünf Wochen in Mexico. Aber ich wollte dort nicht nur Urlaub machen. Ich wollte unbedingt das Land an sich und die Leute kennenlernen. Also war ich in einer Silberschmiedeschule Dort habe ich dann auch meinen Mann, einen Mexikaner, kennengelernt.

Und der Rest ist Geschichte?
Nach längerem Hin und Her und der Frage „Was wäre wenn…?“, haben wir beschlossen zu heiraten. Wir haben dann eine Zeit lang zusammen in Mexico am Meer gelebt und waren da schon zu Dritt. Die Geborgenheit der Heimat zog mich dann doch wieder nach Füssen. 2005 haben wir  beschlossen, nach Mexico zurückzugehen. Diesmal aber, um auch zu bleiben.

Dann war der Umzug sicher ziemlich anstrengend?
Umzug? Wir sind mit vier Koffern in Mexico gelandet. Und haben unsere Sachen am Anfang noch mit der Hand gewaschen. Alles ging step by step. Aber ich will diese Erfahrung nicht missen. Das hat einfach dazugehört.

Ein Mann, eine Frau und vier Koffer, dann sind sie ganz schön mutig.
Ich bin eher ambivalent, also mutig aber auch ängstlich und unsicher zugleich. Wo die Angst sitzt, da geht es auch lang. Das ist manchmal ein gutes Motto. Meine eigene Courage hat mich schon oft erschrocken, aber ich gehe einfach auf Sachen los und gehe dann auch da durch.

Viele assoziieren Mexico sofort mit Korruption und den Drogenkriegen. Wie schlimm ist es wirklich?
Also 2010/2011 haben wir ernsthaft überlegt, wieder zurück nach Deutschland zu kommen. Hier hat sich zu der Zeit die Situation einfach deutlich verschärft. Es gab Gebietskämpfe, Straßensperren und das Militär war sehr präsent. Wir saßen praktisch schon auf gepackten Koffern.

Aber?
Ich habe 2011 erfahren, dass das Kulturzentrum, das ich heute leite, die Direktorenstelle nach 35 Jahren neu besetzten wollte. Das war so verlockend, dass ich mich daraufhin beworben und die Stelle auch bekommen habe. Außerdem hat sich die Situation hier in Monterrey wieder beruhigt. Zwar nicht so, dass nun alles wieder gut ist. Aber es ist besser und wir hoffen, dass es immer besser wird. Deswegen sind wir in Mexico geblieben.

Haben Sie Angst, dass es wieder zu solchen Unruhen kommen könnte?
Also Angst in dem Sinne habe ich eigentlich nicht. Ich bin umsichtig und versuche nicht groß aufzufallen. Ich halte mich einfach an die Vorsichtsmaßnahmen. Und hätten wir das Gefühl, es gäbe ein Risiko, das wir nicht mehr tragen könnten, dann würden wir weiterziehen.

Das hört sich an, als müsste man immer auf der Hut sein?
Diese Vorsichtsmaßnahmen sind hier etwas ganz Normales. Und Korruption leider auch. Die Politik vertuscht mittlerweile gerne Gewaltverbrechen vor der Öffentlichkeit. Das ist jedenfalls mein Eindruck. Wenn dann wirklich etwas passieren sollte, kann man mit der Polizei nicht rechnen. In Grenzstädte wie zum Beispiel Tijuana tobt immer wieder der Drogenkrieg unter den Kartellen, dort gibt es Entführungen und Schutzgelderpressungen. da würden mich keine zehn Pferde hinbekommen. Monterrey ist heute wieder auf einem aufsteigenden Ast und fünf Millionen Menschen atmen auf, trauen sich wieder in den öffentlichen Raum, außerhalb der selbst festgelegten Sperrstunde und erobern ihre Stadt zurück.

Wie muss man sich so eine Wohnsiedlung vorstellen?
Ich nenne es immer meinen Kurort mit Schlagbaum. Oder wenn ich mal einen Rappel bekomme, dann sage ich, ich lebe in einer Enklave. Nein, im Ernst, die Wohnsiedlung ist einfach ummauert und es gibt einen Wachposten. Der Wachmann am Tor „kontrolliert“, wer hier ein- und ausgeht. Und hier stehen um die 200 Häuser. Wir wohnen an einem Hang und es ist wirklich schön. Du kannst also ganz entspannt mit dem Hund Gassi gehen. Fast so wie die Ziegelberg- Runde.

Dann ist es für Sie also ausgeglichen?
Bei all dem schlechten Ruf über die Sicherheit hier darf man natürlich nicht vergessen, dass das aber einfach auch zum mexikanisch bunten Potpourri wie die Vielfalt, die kolonialen Häuser, das Essen, die Trachten, oder Früchte und Piñatas. Mexico ist laut, bietet einem viele Eindrücke und es ist alles irgendwie durcheinander und gleichzeitig. Und gäbe es Mexico nicht, würden wir in Deutschland keine Tomaten essen. Unterm Strich ist und bleibt es ein faszinierendes Land!

Sie sind uns in Mexico mit dem guten Wetter voraus. Vermissen Sie den Schnee hier?
In Füssen aufgewachsen zu sein und zu leben ist ein PR

Aber?
Aber, ich stelle mir Füssen nur im Sommer vor. Die Seen, Wandern, so etwas. Aber nicht den langen Winter dort.

Dann sind Sie eher ein Sommertyp und reisen im Urlaub bestimmt immer der Sonne hinterher?
Wir fahren nicht in den Urlaub – Wir fahren nach Deutschland! Mich ziehen Großstädte irgendwie an. Deswegen haben wir beschlossen dieses Jahr Berlin zu erkunden. Danach geht’s natürlich mit direkter Zugverbindung nach Füssen.

Also Heimaturlaub?
Genau. Kommt man zurück in sein Heimatland, dann ist es einfach immer wieder interessant zu sehen, wie man empfindet. Und ob man dann auch wieder gerne in Mexico ankommt. Eigentlich sehe ich mich nicht als Auswanderin, auch wenn ich schon seit neun Jahren hier bin und sogar in diesen Tagen meine permanente Aufenthaltsgenehmigung bekomme. Das Leben ist eine endlose Reise – Der Mensch denkt und Gott lenkt. Aber wenn doch alles anders kommt, ist das auch okay.

Wissen Sie schon, was Sie hier in Füssen dann als Erstes machen wollen?
Ja, klar! Also, meine Familie umarmen und küssen, um den Drei-Tannenbichl laufen und den Ziegelberg rauf und runter gehen, eine Leberkässemmel essen und natürlich einfach die Aussicht genießen.

Das Interview führte Vivien Ademi
Bild:Brigitte Läubin

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