Menschen

50 Jahre Lebenshilfe Ostallgäu

Einrichtungen in Marktoberdorf und Kaufbeuren

Um ihren Kindern mit Behinderung ein selbstständiges, selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu ermöglichen, gründeten betroffene Eltern 1964 die Lebenshilfe in Kaufbeuren und 1967 in Marktoberdorf. Im Laufe der Jahre entstanden bei der Lebenshilfe Ostallgäu, welche 1992 durch die Fusion von der Lebenshilfe Kaufbeuren und Marktoberdorf hervorging,  zahlreiche Einrichtungen und vielfältige Angebote für Menschen mit und ohne Behinderung. Durch die sich im Laufe der Zeit wandelnden Bedürfnisse und Entwicklungen, wurden die Zielsetzungen und Inhalte der Lebenshilfe Ostallgäu immer weiter vorangetrieben und angepasst. Heute umfasst die Lebenshilfe Ostallgäu ein alle Lebensbereiche und Lebensabschnitte umfassendes Spektrum, welches für Menschen mit Behinderung zur Verfügung steht. Hans Raabe, der zweite Vorsitzende der Lebenshilfe Ostallgäu, engagiert sich als Vater eines Kindes mit Behinderung seit vielen Jahren. Doch nicht nur die Belange seines Sohnes Oliver motivieren den heute bereits pensionierten ehemaligen Geschäftsführer der IHK Ulm, sich den Großteil seiner Zeit für die Lebenshilfe Ostallgäu einzusetzen.

Gründung und Programm der Lebenshilfe

Bereits 1958 wurde die Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind in der Bundesrepublik Deutschland  von Tom Mutters in Marburg gegründet. Bereits damals setzte sich die Lebenshilfe als Programm fest, den Menschen mit Behinderung von Geburt an zu begleiten und sowohl bei der Diagnostik von Behinderungen und  Erziehungsberatung betroffenen Eltern zur Seite zu stehen. Weiterhin ist bereits die Schaffung von geeigneten Einrichtungen, wie z.B. Sonderkindergärten, Sonderschulen, Anlernwerkstätten, Werkstätten und Wohnheimen geplant. „Für die damalige Zeit, in welcher Kinder mit Behinderungen in der breiten Öffentlichkeit noch als unbeschulbar galten, war der Ansatz von Tom Mutters schon sehr gewagt, wenn nicht gar unmöglich. Für betroffene Familien war dieses Programm Mutmacher, Hoffnungsträger und Vision zugleich.“ erzählt Hans Raabe. Besonders traurig stimmt ihn, dass Menschen mit Behinderung im Dritten Reich als lebensunwürdig galten und umgebracht wurden. Die Bedeutung der Gründung der Lebenshilfe wird in einem Satz deutlich, welchen eine Mutter aus Bremen an die Lebenshilfe schrieb: „Hier tut sich eine Tür auf aus sehr dunkler Vergangenheit in eine hellere Zukunft…ein Weg zeichnet sich ab, den wir Eltern mit unserem Kind gehen müssen, damit sein Leben menschenwürdig wird.“

Erste Schritte und Meilensteine der Lebenshilfe Ostallgäu

1965 wurde die erste Tagesstätte für Kinder in einem Klassenzimmer der alten Oberbeurer Volksschule gegründet. Da der Bedarf an weiteren Plätzen rasch anstieg, wurde 1970 mit einem Anbau begonnen. In der Zwischenzeit konnte auch die erste Tagesbildungsstätte Am Sonneneck errichtet werden. In den 80er Jahren wurden die ersten Wohnheime in Kaufbeuren eröffnet und weitere Werkstätten sowie ein Montessorikindergarten wurden realisiert. Die 90erJahre waren geprägt durch die Gründung der Stiftung Lebenshilfe zur Unterstützung von Menschen mit Behinderung und der Arbeit der Lebenshilfe Ostallgäu, sowie der Gründung von weiteren Wohnheimen und Beratungseinrichtungen. Seit 2002 wird intensiv an neuen außerwerkstattlichen Angeboten wie einer Theatergruppe, einer Sportgruppe und einem Freizeitclub gearbeitet. Bis heute wird der immer weiter steigende Bedarf an Wohnplätzen mit neuen Wohnheimen gedeckt. Auch die 2005 eröffnete Großküche bietet Menschen mit Behinderung ein neues Betätigungsfeld. Mit der Eröffnung der Wertachtalwerkstätten 2013 in Füssen geht für die Lebenshilfe Ostallgäu ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. „Wir versuchen im Ostallgäu so gut wie möglich flächendeckend aktiv zu sein. Mit den Räumlichkeiten in Füssen-West war es möglich, unseren Wunsch nach einer Werkstatt in Füssen zu realisieren. Der Standort und die Rahmenbedingungen spielen neben dem Bedarf eine entscheidende Rolle. Nicht alles, was wir uns wünschen, ist auch machbar.“ meint Hans Raabe kritisch.

Die Finanzierung und die Struktur der Lebenshilfe Ostallgäu

„Natürlich müssen wir, obwohl wir ein non-profit Unternehmen sind, wirtschaftlich arbeiten. Wir finanzieren uns vor allem durch die Abrechnung mit Kostenträgern, wie dem Bezirk, den Krankenkassen, dem Arbeitsamt oder dem Sozialamt. Auch Spenden und das Erwirtschaftete aus den Werkstätten und der Küche lassen wir in die Angebote der Lebenshilfe einfließen. Insgesamt haben betreuen wir 713 Erwachsene und 563 Jugendliche und Kinder im Ostallgäu. Wir haben heute 501 Mitarbeiter und  147 ehrenamtlich Tätige, welche uns in vielen Bereichen unter die Arme greifen,“ sagt Hans Raabe stolz.

Außerwerkstattliche Angebote

Hans Raabe sagt: „Als mein Sohn als Neuling bei den Winterspielen der Special Olympics in Garmisch drei Goldmedaillen und eine Silbermedaille gewonnen hat, war ich als Vater unglaublich stolz auf ihn. Für mich gibt es nicht den schönsten Moment, für mich sind alle Momente schön, die mit einem Lachen und Freude verbunden sind.“
Hans Raabe sagt: „Als mein Sohn als Neuling bei den Winterspielen der Special Olympics in Garmisch drei Goldmedaillen und eine Silbermedaille gewonnen hat, war ich als Vater unglaublich stolz auf ihn. Für mich gibt es nicht den schönsten Moment, für mich sind alle Momente schön, die mit einem Lachen und Freude verbunden sind.“

Um Menschen mit Behinderung auch in ihrer Freizeit ein attraktives und abwechslungsreiches Programm bieten zu können, wurden im Laufe der letzten 14 Jahre verschiedene Gruppen gegründet. „Die blaue Paprika“, ein Gemeinschaftsprojekt der Lebenshilfe-Tagesstätte und der Kulturwerkstatt Kaufbeuren lädt zum Theaterspielen und spielerischem Lernen ein. Der riesige Publikumserfolg gibt Stücken wie „Camino“ Recht. Auch sportliche Aktivitäten haben im Freizeitprogramm der Lebenshilfe Ostallgäu eine hohe Beteiligung und zahlreiche Medaillen geben den Athleten immer wieder neuen Ansporn. Regelmäßiges Training, professionelle Ausstattung und Betreuung fördern den Ehrgeiz. Ein riesiger Erfolg war bei den Special Olympics in Athen 2011 gewinnen einer Goldmedaille durch ein Mitglied der Laufgruppe. Inzwischen sieht die gesamte Lauf- und Radgruppe fieberhaft der erneuten Teilnahme an den Special Olympics im Mai 2014 in Düsseldorf entgegen. Auch Oliver ist bei diesem Event dabei. „Für meinen Sohn bedeuten diese Wettkämpfe sehr viel. Das Training und die damit verbundene Disziplin wirken sich auf seine gesamte Persönlichkeit positiv aus. Er ist ruhiger, konzentrierter und ausgeglichener geworden. In seinem Sport sieht er eine große Herausforderung, welche er meistern will. Auch die häufige Teilnahme an Wettbewerben, die nicht ausschließlich für Menschen mit Behinderung sind, zeigen ihm, dass er ein Mitglied der Gesellschaft ist und er wird dort akzeptiert, wie er ist. Sport verbindet Menschen auf eine wunderbare Art und Weise.“ berichtet Hans Raabe, für den die Inklusion von Menschen mit Behinderung als eine der größten Aufgaben gilt.

Inklusion von Menschen mit Behinderung

Inklusion, der Begriff leitet sich aus dem lateinischen Begriff  inclusio ab, der Einschluss, Einbeziehung oder auch Eingeschlossenheit bedeutet. Neben der Unterstützung und der Förderung von Menschen mit Behinderung sieht die Lebenshilfe Ostallgäu es als wesentliche Aufgabe an, ihre Klienten so weit wie möglich am normalen gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. „ Wir möchten Menschen mit Behinderung in Arbeitsstellen in der freien Wirtschaft oder in Wohnungen auf dem freien Mietmarkt unterbringen. In einigen Fällen ist uns das mit Erfolg gelungen. Wir kämpfen darum, dass unsere Klienten mit den bei uns erlernten Fähigkeiten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Wir kämpfen auch dafür, dass in den Unternehmen ein Umdenken erfolgt und unsere Mitarbeiter als wertvolle Arbeitnehmer mit Potential erkannt werden. Mit Stärken und Schwächen akzeptiert werden.“ Wenn Hans Raabe über diesen Teil seiner Aufgabe spricht, ist seine Willensstärke deutlich spürbar. „An Oliver kann ich sehen, wie wunderbar wertvoll die Inklusion in das normale Leben ist. Er arbeitet in den Wertachtalwerkstätten als Gärtner, hat durch seinen Sport viele Kontakte zu Menschen mit und ohne Behinderung, ist privat glücklich und hat einen Führerschein. Als Vater denke ich, er führt ein glückliches, ausgefülltes Leben. Er geht einen guten Weg.“ Und das wünscht sich wohl jeder für sein Kind.

Text: Stephanie Derday
Bild: Hans Raabe/Lebenshilfe Ostallgäu

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