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„Fünf Minuten vor der Zeit ist des Kaisers Pünktlichket“

Im Portrait Reinhold Sontheimer

Geboren und aufgewachsen in Hohenschwangau, war Reinhold Sontheimer damals mit 27 Jahren das jüngste Mitglied des Gemeinderats. Nach sechs Jahren wurde er zum zweiten Bürgermeister und nach einer weiteren Amtszeit zum ersten Bürgermeister gewählt. Um sein Amt überhaupt ausüben zu können, beschloss er, seine unkündbare Stelle als Bankkaufmann in der Raiffeisenbank Schwangau aufzugeben. Ein riskanter Schritt, denn wäre er nach der ersten Amtsperiode nicht wiedergewählt worden, hätte er auf seinen alten Posten keinerlei Anspruch mehr gehabt. Dass er heute – nach 24 Jahren – der am längsten amtierende demokratisch gewählte Bürgermeister Schwangaus ist, hat er damals natürlich noch nicht ahnen können.

Nach seinem Amtsantritt 1990 sprachen viele Geschäftsleute und Firmen bei ihm vor, deren Absichten ihm als Neuling oft erst später klar wurden. Beratend an seiner Seite standen ihm von Beginn an – wie er stolz sagt – viele loyale und treue Mitarbeiter, die ihn über Jahrzehnte begleitet und unterstützt haben.

Was er jetzt vorhat? Auch wenn der Wahlkampf für ihn diesmal entspannter war, möchte er nach seinem Eintritt in den Ruhestand zuerst abschalten und Abstand gewinnen. Kurzfristig plant er kleinere Reisen zu einem André-Rieu-Konzert in Innsbruck und im Sommer einen Abstecher nach Amsterdam. Auch die Fußball-weltmeisterschaft in Brasilien würde ihn reizen, aber nur mit anständigem Quartier und ohne unfaire Wucherpreise für Eintrittskarten. Ansonsten möchte er wieder mehr wandern, schwimmen und Rad fahren. Auch im Schützenverein und der CSU wird er weiterhin aktiv sein. In etwas fernerer Zukunft kann er sich weitere Reisen vorstellen, Zielland flexibel.

Natürlich gibt es auch Dinge, die er während seiner Amtszeit nicht lösen oder realisieren konnte wie z.B. die Verkehrssituation in Hohenschwangau oder den Bau eines neuen Feuerwehrhauses. Dennoch seien die Weichen für Ersteres und das Baugrundstück für Letzteres bereits gestellt. Die Liste der in seiner Amtszeit umgesetzten Verbesserungen und erzielten Resultate für sein Dorf ist jedoch sehr viel länger. Als zwei seiner größten Herausforderungen, die nicht nur geschickte Verhandlungen, sondern auch eine Prise Glück erforderten, benennt er die Wiederbelebung des Kurhauses im Jahr 1991 und die Umwandlung des defizitären beheizten Freibades in die heutige Kristalltherme.

Stolz ist er auch auf die Erweiterung und den Umbau des Kindergartens nach der Übernahme 1996 von der katholischen Kirche und die energetische Sanierung der Grundschule. Bei vielen Projekten waren ihm oft seine über viele Jahre aufgebauten Kontakte hilfreich und natürlich seine Routine. Er gibt zu, empfindlich dürfe man nicht sein als Bürgermeister, sonst könne man gleich um 9 Uhr vormittags wieder nach Hause gehen. Ein dickes Fell habe er schon immer gehabt, aber es sei im Laufe der Jahre noch etwas dicker geworden. Er wirkt locker, humorvoll, ein guter Gesprächspartner, geradeheraus. Hinter dem angeblich so dicken Fell steckt ein aufgeschlossener sowie gedankenvoller Mensch. Eine der wichtigsten Tugenden ist für ihn die Pünktlichkeit. Er selbst beginnt seine Arbeitstage um Schlag 8 Uhr im Rathaus, auch wenn es am Vorabend mal eine längere Sitzung oder Veranstaltung gab. Gemeinderatssitzungen mit ihm beginnen stets auf die Minute genau. Sein Motto deshalb: Fünf Minuten vor der Zeit ist des Kaisers Pünktlichkeit! Hektik kann er überhaupt nicht ausstehen, deshalb würde er auch lieber dreimal nach Las Vegas als zweimal nach Tokio reisen.
Besonders gern ausgeübt hat Reinhold Sontheimer die Funktion des Standesbeamten. Nicht nur Einheimische, sondern auch Gäste hat er getraut, auch wenn der Wunschtermin des Paares ein Samstag oder gar Silvester war. Jedoch erinnert er sich auch an schwierige Tage, an denen er vormittags eine Grabrede hielt und nachmittags zu einer Hochzeitsfeier geladen war. Man muss seine persönlichen Emotionen den öffentlichen Verpflichtungen hintenan stellen können.

Ein guter Umgang mit den Gästen ist ihm sehr wichtig. Keine leeren Worte, denn er versucht bei Gästeehrungen immer anwesend zu sein, und die Weihnachtskarten ab dem 10. Besuch in Schwangau unterschreibt er persönlich. Für ihn selbst haben sich mit Urlaubern sogar einige langjährige Freundschaften entwickelt.

Auf die Frage, ob es ihm schwerfällt loszulassen und sein Amt am 30. April zu übergeben, antwortet er ohne zu zögern mit nein. Die Aufgaben seien gut erfüllt und es fühle sich daher auch gut an, abzugeben. Mit einem Zwinkern gesteht er, er stelle sich vor, an einem lauen Sommer-abend im Milchhäusl-Biergarten ein Helles zu genießen, während er entspannt und zufrieden den Gemeinderäten zuwinkt, die auf dem Weg zu ihren Sitzungen an ihm vorbeiradeln. So ganz ohne weiteres möchte er seinen Erfahrungsschatz jedoch nicht in den Ruhestand schicken, weshalb er weiterhin für den Kreistag kandidiert, in den er sich bereits 24 Jahre einbringen konnte.

Text: Eva Riggs · Bild: Sabina Riegger

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