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Die alte Schmiede in den Hanfwerken

Von Ohrenschützern hält Thomas Ruppel nichts. Er muss die Schläge hören, denn seine Ohren sind sein „Fühlorgan“. „Wenn man Musik hört, fühlt man den Ton auch. Und ich fühle und höre jeden Fehlschlag“, erklärt der 52-Jährige. Sein Filzhut, er war mal braun, ist sein Markenzeichen. Seit 25 Jahren hat er ihn während seiner Arbeit auf, nur im Sommer, dann, wenn es heiß ist, legt er ihn ab. Ruppel ist ein Schmied von der alten Garde, der das Handwerk lebt. Jeden Tag fährt er 86 Kilometer zu seinem Arbeitsplatz in die Hanfwerke nach Füssen. Hier hat er die alte Schmiede gemietet und sie zu einem kleinen Schmuckstück gemacht.

Thomas Ruppel gehört zu den Start-Up Firmen und Einmannbetrieben, die sich in den Hanfwerken in Füssen niedergelassen haben. Das alte Fabrikgelände mit seinen großen Hallen hat ein charismatisches Flair. Hier ist Thomas Ruppel einer unter Vielen, eine große Familie wie er meint. Alle kennt er nicht, aber das sei auch nicht notwendig. Irgendwann werde man sich schon kennenlernen. Als er vor drei Jahren die Schmiede sah, war es für den Schmied klar, dass er dieses Kleinod wieder auf „Vordermann“ bringen wird. Die Restauration ist ihm gelungen, es ist ein Schmuckstück geworden. Es erfüllt das Klischee einer Schmiede, so wie man es aus den Büchern kennt. Der Wassertrog fehlt genausowenig wie der große Industriehammer und der Ambos. Zig Zangen hängen über den Ofen und der Geruch von Eisen und Feuer liegt in der Luft. Eine Cola Flasche steht auf dem Boden und die Zigaretten auf dem Ambos. Fehlt nur noch die eingeklemmte Zigarette hinterm Ohr, dann wäre das Klischee perfekt.

FA_04_14_Ruppel04Der große Industriehammer hinter der Türe ist aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein ohrenbetäubendes Monstrum, der das Eisen butterweich schlägt. Thomas Ruppel führt ihn vor. Eine Unterhaltung ist nicht mehr möglich, selbst ein Schreien  geht unter. Doch unter den Schmieden gibt es Signale, die mit dem Schlagen auf dem Amboss getätigt werden. Schlägt der Schmied mehrmals mit dem Hammer schnell auf dem Amboss, ist es ein Rufzeichen für seinen Gesellen oder Helfer um an einem Werkstück zusammenzuarbeiten.
Thomas Ruppel, der aus der Nähe von Herrsching am Ammersee kommt, hat einen süddeutschen Amboss. Auf den ersten Blick sehen sich Ambosse ähnlich. Sie weisen die ganz typische  Grundform auf. Doch die Anzahl der Amboss-Formen ist sehr vielfältig. Von Region zu Region und von Land zu Land verschieden. Die individuellen Arbeitstechniken und Anforderungen haben eine Fülle von Formen hervorgebracht. Der Norddeutsche Amboss zum Beispiel wirkt gedrungener als der Süddeutsche, Steyrische und der Böhmische Amboss besitzen statt des Rechteckhorns eine Verlängerung der Bahn, „wobei man den ersten an den treppenförmigen Absätzen am Fuß erkennt,“ erklärt Ruppel. Außer diesen vier Typen gibt es noch den Schweizer Amboss, den Griechischen, den Italienischen und wahrscheinlich noch  viele andere mehr. Der Familienvater hat schon einmal eine alte Schmiede hergerichtet. Leider musst er sie aufgeben, weil die Vermieterin Eigenbedarf anmeldete. „Hier in Füssen gefällt es mir sehr gut. Ich kann quasi Tag und Nacht arbeiten, ohne jemanden zu stören“, freut er sich. Jeden Tag pendelt Thomas Ruppel von Herrsching am Ammersee bis nach Füssen – egal bei welchem Wetter. Das sind 86 Kilometer, wohlgemerkt nur einfach. Ruppel hat kein Problem mit der Fahrerei, „Warum auch? Mir macht die Arbeit hier viel Spaß. Ich hab eine Freude daran,“ sagt er im oberbayerischen Dialekt.

Seine Hände sind von Russ geschwärzt und sein Pullover mit Rauch getränkt. Er schaut auf seine Hände runter und meint: „Ich wollte immer Schmied werden und mit meinen Händen etwas arbeiten. Der Schmutz geht schon wieder ab – na ja, nicht ganz. Man sieht es meinen Händen an, dass sie arbeiten. Das Schwarze geht nicht wirklich ganz weg – besonders unter den Fingernägeln nicht.“ Er erzählt von seiner Zunft und wie wichtig Schmiede früher waren. „Schmieden ist einer der ältesten Berufe. Die Techniken haben sich nicht wesentlich verändert, außer, dass es die Berufsbezeichnung Schmied so nicht mehr gibt,“ erläutert er knapp. Ruppel ist überzeugt, dass es manche Berufe und generell das Handwerk so nicht mehr geben wird. „Jeder will studieren. Wer früher Handwerker werden wollte, ist auf die Hauptschule gegangen. Die Realschule war für solche, die im Büro arbeiten oder Beamte werden wollten. Und die, die aufs Gymnasium gegangen sind, da wusste man, die werden einmal studieren. Was ich damit sagen will, ist, die Schulen haben sich grundlegend verändert. Ich bezweifle, dass es der richtige Weg ist,“ gibt er zu verstehen. Er hat auf jeden Fall den richtigen Weg gewählt. Jetzt, nachdem er seine Werkstatt fertig gestellt hat, kann er seine Arbeit bewerben. Er hofft nun in Füssen Fuß zu fassen.

INFO

Thomas Ruppel
Mühlbachgasse 20
87629 Füssen

Tel. 08152-79201 oder 0170-8079401

Öffnungszeiten
Montag bis Freitag 9 bis 19 Uhr

Anfertigung von Geländern, Toren, Gittern, Werkzeugen, Skulpturen für den Garten, Stahlmöbeln

Text · Bilder: Sabina Riegger

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