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Trachtenschneiderin Margit Hauser

Der Traum vom alten G`wand

Trachtenmode liegt wieder voll im Trend, vor allem wenn das Oktoberfest kurz vor der Haustür steht. Über die waghalsig offenherzigen und sündteuren Designerdirndl kann Margret Hauser herzhaft lachen und den Kopf schütteln. „Mit Tracht im eigentlichen Sinne hat das wirklich nichts zu tun. Eine Tracht wächst aus einem Land, einer Region heraus und jedes ihrer Details, z.B. die Farbe, die Stoffe oder die Stickerei hat eine Bedeutung, einen Sinn. Die Tracht repräsentiert über Generationen die Herkunft, die Kultur und die Traditionen eines Menschen,“ so die gelernte Damen- und Herrenkleidermacherin aus Steeg im Lechtal.

Die Trachtenschneiderin

Die Faszination für Tracht brachte Margret Hauser nach Ihrer Kleidermacherausbildung nach Riefensberg, wo sich ein Trachtenmuseum und eine Trachtenwerkstatt befindet. Hier absolvierte sie bei der damaligen Bundesreferentin für Trachten in Österreich, ihre Ausbildung zur Trachtenschneiderin. „Mit Disziplin und Strenge wurde mir das Handwerk von Grund auf beigebracht. Was mich jedoch noch mehr begeisterte war das Wissen über die Geschichte der Tracht in Österreich. Die Lechtaler Tracht ist ca. 300 Jahre alt und bestand hauptsächlich aus Wolle und Leinen. Diese Materialien wurden im Lechtal angebaut und Stoffe daraus hergestellt. Seide für Schürzen war kostbar und teuer und wurde von Handwerkern, die auf die Walz gingen, zum Beispiel aus Italien mitgebracht. Heute unvorstellbar, alles lässt sich bequem per Internet recherchieren und bestellen,“  berichet die heute 49-jährige Margret Hauser.

Einen Grundsatz hat sich die passionierte Heimatliebhaberin über all die Jahre bewahrt. „Meine Tracht bekommt nicht jeder, aber jeder bekommt von mir eine Tracht, die zu ihm passt. Wenn heute eine bayrische Touristin eine Lechtaler Tracht von mir geschneidert bekommen wollte ,egal zu welchem Preis, ich würde es ablehnen. Wenn sie von mir eine Tracht Ihres Heimatortes wollte, so würde ich diese jederzeit fertigen. Mir ist es wichtig, die Bedeutung der Tracht wieder in die Köpfe der Leute zu bringen. Sie sollten besser nachdenken, als sich nur an Trends zu orientieren: Auch wenn ich manchen Leuten damit vor den Kopf stoße!“ so Margret Hauser überzeugt.

Die Wende

Durch einen zufälligen Dachbodenfund im Bauernhof ihres Schwiegervaters von einem Mieder, einem Rock, einem Mantel und fünf Schürzen, welche alle um die 200 Jahre alt waren, entdeckte Margret Hauser ihre wahre Leidenschaft. Beeindruckt von den Stoffen, der Verarbeitung und der Nähtechnik begann sie, das „alte G`wand“ zu restaurieren.
„Alleine die alte brüchige Seide und den damals von Hand geätzten Samt zu berühren gab mir die Motivation für dieses Projekt. Ich wollte die Erbstücke meiner Verwandtschaft aufarbeiten und tragen, so dass dieses Kulturgut für die Nachwelt erlebbar ist. Zumal mir bewusst war, dass es sich hierbei um unwiederbringliche Unikate handelte. Jedes Haus im Lechtal hatte ein eigenes Muster aus der damaligen Paramentenstickerei von  Missionschwester Anna Dengel erhalten,“ erzählt Margret Hauser bewundernd. In vielen Stunden mühevoller Handarbeit und langen Recherchen nach geeigneten Stoffen ist es ihr gelungen die alte Tracht wieder tragbar und somit auch erlebbar zu machen. „Gerne besuche ich in meiner Festtagstracht Umzüge und Veranstaltungen. Dort bin ich auch immer auf der Suche nach neuen Ideen und Eindrücken für moderne Trachtenmode, welche ich auch für Kundinnen schneidere.

Ausflug in die Industrie

Um ihr erlerntes Handwerk noch einmal von einer anderen Seite kennen zu lernen, entschloss sich Margret Hauser als Musterschneiderin bei Hugo Boss in Stuttgart zu arbeiten.
„Die Arbeit dort war für mich sehr interessant. Mein Team hat die ersten Muster, welche nach Zeichnungen entstehen, für die jeweilige Kollektion genäht. Ich bin der Industrie dankbar, dass sie immer wieder neue Stoffe und Designs hervorbringt und ich habe gemerkt, dass die Industrie mir dankbar ist, da ich als gelernte Handwerkerin alle Schritte zur Herstelllung eines Kleidungsstückes beherrsche. Dies ist für mich das perfekte Beispiel, dass Industrie und Handwerk sich gegenseitig gut ergänzen und voneinander lernen können,“ erzählt Margret Hauser.

Raffinierte Frauen

Durch die intensive Beschäftigung mit dem Restaurieren alter Trachten hat Margret Hauser viel über die Frauen, welche vor 200 Jahren im Lechtal gelebt haben, gelernt. „Einige Trachten waren mit einem roten Futter ausgestattet. Nach außen war die Tracht in gediegenen Farben gehalten. Ich habe herausgefunden, dass rot bei einfachen Leuten damals als unanständige Farbe galt. Zudem war sie mehr reichen Leuten vorbehalten. Mit diesem Trick haben die Frauen ein verstecktes kleines Geheimnis getragen,“ berichtet sie schmunzelnd. Ihr Beruf ist ihr Leben, ihr Willen, das Alte für die nächsten Generationen zu erhalten, gibt ihr Kraft. „Manchmal belächelt mein Mann es, wenn ich für die Wiederherstellung einer alten Tracht über 100 Arbeitsstunden brauche. Reich werde ich damit auch nicht. Aber wenn er das Ergebnis sieht, sind wir beide immer wieder aufs Neue beeindruckt.“

Text: Stephanie Derday
Bilder: Hubert Riegger (1), Stephanie Derday

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