GesundheitLeben

Mobile EKG-Geräte mit Modem im Wettkampf gegen die Zeit bei Herzinfarkten

Zeit ist Leben

Die Telemedizin, eine Kombination von Telekommunikation und Medizin, ist ein sich rasch entwickelndes Gebiet der Medizin mit fast unbegrenzten Möglichkeiten. Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) und der Klinikverbund Ostallgäu-Kaufbeuren setzen seit zwei Jahren auf innovative Telemedizin bei der Versorgung von Herz-Notfallpatienten. Durch den Ausbau des Krankenhauses Füssen, in dessen Rahmen auch ein Herzkatheter angeschafft wurde, wird nun auch die Füssener Klinik von der Kooperation zwischen BRK und dem Klinikverbund profitieren.

Beim Verdacht auf Herzinfarkt zählt jede Sekunde. „Bei unserer Arbeit spielt der Faktor Zeit eine große Rolle“, erklärt Dr. med. Martin Hinterseer, Ärztlicher Direktor der Klinik Füssen und Chefarzt der Inneren Abteilung. „Zeit ist Muskel, Zeit ist Leben – so lautet bei den Kardiologen ein Sprichwort. Jede Sekunde, die das Herzgewebe wegen eines Blutgerinnsels nicht mit Blut und damit einhergehend nicht mit Sauerstoff versorgt wird, stirbt etwas Gewebe ab. Wenn man nach einem Herzvorfall zu lange wartet, kann das dramatische Folgen haben. Gelingt es nicht, das verschlossene Gefäß innerhalb sehr kurzer Zeit wieder zu öffnen, droht der von diesem Gefäß versorgte Herzmuskelteil abzusterben. Wer überlebt, aber zu spät gehandelt hat, hat oftmals dauerhaft mit den Folgen zu kämpfen.“

Laut Statistik dauert es durchschnittlich etwa drei Stunden, bis sich Patienten mit einem Herzvorfall beim Notruf melden. „Diese Zeitspanne muss unbedingt vermieden werden“, erklärt er. „Viele verharmlosen erst die plötzlich auftretenden, starken Schmerzen im vorderen linken Brustbereich. Bei Frauen kommt erschwerend hinzu, dass sie oft nicht an den klassischen Symptomen leiden. Stattdessen klagen sie zum Beispiel eher über Müdigkeit oder Kurzatmigkeit. Sie legen sich lieber zuerst hin und warten ab. Dabei zählt aber gerade bei einem Herzinfarkt jede Sekunde – das kann man gar nicht oft genug betonen.“
Das Elektrokardiogramm (EKG) ist das wichtigste Untersuchungsverfahren beim Verdacht auf einen Herzinfarkt. Hier zeigen sich die typischen Veränderungen, die auch auf die Größe und den Ort des Infarkts hinweisen. Aus dem EKG kann der behandelnde Arzt ablesen, wie sich die elektrische Erregung im Herzmuskel ausbreitet und zum Beispiel auch, ob der Herzschlag regelmäßig ist oder Unregelmäßigkeiten aufweist. So lassen sich im EKG Herzrhythmusstörungen erkennen. Diese sind mit 95 Prozent der Fälle die häufigsten Komplikationen eines frischen Infarkts. Da nicht jeder Infarkt Symptome verursacht, ist das EKG für die Diagnose besonders wichtig.

Auch die Rettungswagen des Füssener BRK sind seit August diesen Jahres mit mobilen EKG-Geräten der US-Firma „Physio-Control“ ausgestattet. Mit Hilfe dieser Geräte kann der behandelnde Notarzt bei einem unklaren EKG die Daten per Telemetrie an einen Kardiologen im Krankenhaus Füssen übermitteln. Die Daten werden an die Intensivstation übermittelt, die dann wiederum diese Daten an den diensthabenden Kardiologen weiterleitet. Sollte der Arzt Bereitschaft haben, kann er jederzeit mittels Infarkthandy über einen Notfall informiert werden. Der Kardiologe kann anhand der Daten entscheiden, ob der Patient an Rhythmusstörungen oder einem Herzinfarkt leidet. „Seit zwei Jahren setzen wir das System bereits erfolgreich in Kaufbeuren ein“, berichtet Gunther Herold, der Leiter des BRK-Rettungsdienstes. „Dabei übertragen wir im Schnitt ein Mal pro Woche ein EKG an das Klinikum Kaufbeuren.“ Bei Rhythmusstörungen reicht es oft, wenn der Patient in ein anliegendes Krankenhaus ohne Kardiologie gebracht wird. Ist dagegen tatsächlich ein Herzinfarkt aufgetreten, kann der betroffene Patient direkt zu einem besser ausgestatteten Herzversorgungszentrum mit Herzkatheter transportiert werden, anstatt erst über Umwege zu den Spezialisten zu gelangen. „Dieses System bietet dem Notarzt vor Ort die Sicherheit, nicht falsch zu handeln, da die Daten direkt von einem Spezialisten überprüft werden können. Das ist gut für den Patienten, da er schneller zum geeigneten Krankenhaus transportiert wird“, so Dr. Martin Hinterseer. „Das ist bei uns besonders wichtig, da wir durch die grenzüberschreitende Kooperation mit dem Außerfern auch Patienten aus Reutte aufnehmen. Hier hilft das System bei der Entscheidung des Notarztes, ob der Patient nun nach Füssen transportiert oder erst in Reutte untersucht werden soll, wirklich Leben zu retten.“

 

Text : Sven Ademi

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024