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Im Gespräch mit Tim Kindle

„Ich kann mir nichts Besseres vorstellen!“

San Diego liegt an der Küste des Pazifiks in Südkalifornien. „America’s Finest City“, wie sie gerne von den Bewohnern genannt wird, ist mit seinen langen Stränden ein heißbegehrter Ort für Surfer. Warum also eine Stadt wie San Diego, in der täglich die Sonne scheint, gegen das kalte Allgäu mit seinen fünf Wintermonaten und verregneten Sommern eintauschen? Das fragte ich Tim Kindle, momentaner Verkaufsleiter des Luitpoldpark-Hotels in Füssen, der seine alte Heimat, San Diego, vor zwanzig Jahren hinter sich ließ, um nach Bayern zu kommen. Einem Ort, den er lieb gewonnen hat und bis heute nicht aufgab.

Als Tim 24 Jahre alt war hatte er genug von San Diego. Damals war er Bankettmanager eines Fünf-Sterne-Hotels und arbeitete in der Woche schon mal bis zu 70 Stunden. Als auch noch seine Wohnung ausgeraubt wurde, ließ er alles hinter sich, um seine Eltern für ein paar Wochen in Deutschland, die zu jener Zeit in Bremen und Hamburg für die amerikanische Wehrmacht und die Nato arbeiteten, zu besuchen. Aus dem kurz gedachten Aufenthalt ergab sich jedoch eine mehrere Monate lange Reise quer durch Europa, die ihn unter anderem durch Italien und Polen leitete. Nach einiger Zeit, bei der Tim in den Genuss der Vielfältigkeit Europas kam, begann er durch Zufall in einem der drei AFRC-Hotels (Armed Forces Recreation Center) in Berchtesgaden als Restaurantmanager zu arbeiten. Die Unterkünfte wurden in der Nachkriegszeit errichtet und standen nur für amerikanische Soldaten, die in Bayern stationiert waren, zur Verfügung. Schnell begeisterte er sich für die bayerische Kultur und das Skifahren, worauf Tim dort mehrere Winter verbrachte, bis er schließlich durch einen Freund ins Ostallgäu gelang und nun seit 14 Jahren für das Luitpoldpark-Hotel arbeitet.

Heute lebt Tim mit seiner Frau und einer 12 Jahre alten Tochter glücklich in Trauchgau. Wenn er nicht gerade im Hotel unterwegs ist, betätigt sich der Amerikaner mit irischen und deutschen Wurzeln in verschiedenen Vereinen, wie dem Fischerverein, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim TSV Trauchgau. Aber muss es nicht anfangs schwer gewesen sein, sich in einem kleinen Dorf zu integrieren? „Vieles habe ich heute noch dem TSV Trauchgau zu verdanken, da ich dort einige gute Freunde kennengelernt habe. Ich denke, ich bin ein gutes Beispiel, wie Integration laufen kann, wobei man natürlich auch selbst viel dazu tun muss“, erzählt Tim rückblickend. Obwohl er schon fast sein halbes Leben in Deutschland ist, hat der passionierte Angler seine amerikanische Staatsbürgerschaft nicht aufgegeben. „Das möchte ich nicht. Auch wenn Deutschland meine neue Heimat ist, bin und bleibe ich Amerikaner.“

20 Jahre Deutschland sind eine lange Zeit, sicherlich gibt es Dinge, die man vermisst? „Ja natürlich. Wir lebten an der Grenze zu Mexiko, weswegen ich vor allem die authentische, mexikanische Küche vermisse. Aber natürlich auch das Meer, schließlich bin ich gern Surfen gewesen und hatte sogar mal Sponsoren, durch die ich auf Tour war. Ich bin viel gereist, habe mein Zuhause aber nun gefunden und kann mir nichts Besseres vorstellen“, erzählt Tim.

Der Trauchgauer liebt die kulturelle Vielfalt und die unterschiedlichen Mentalitäten und Traditionen, die dicht aufeinander siedeln in Europa. Er ist kein Patriot und kennt sicherlich die typischen Unterschiede zwischen Deutschland und Amerika, ohne in Klischees abzudriften. „Viele finden Amerikaner sind mit ihrer Freundlichkeit zu oberflächlich, aber ich finde, das ist besser als diese Distanziertheit, die man bei vielen Deutschen am Anfang einer Bekanntschaft auffindet. Amerika hat weniger Bürokratie, man kommt auch ohne viel in der Hand vorwärts, wenn man genug Ehrgeiz beweist. Den haben dafür die Deutschen genug, wie ich finde“, erklärt der Verkaufsleiter.

Tim schätzt seine Wurzeln. Aber seine Heimat, seine Familie, sein soziales Umfeld sind jedoch woanders. „Ich habe mein Dorf gefunden und hier bleib ich“, sagt Tim abschließend – fast wie ein alteingesessener Allgäuer.

Text: Felix Schmid · Bild: Tim Kindle

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