FrauenMenschen

Im Gespräch mit Barbara Dietz und Brigitte Dischereit

Aus Verbundenheit und Mitgefühl – Zwei Frauen setzen sich ein

Bono, Sänger der irischen Rockband U2 ist seit über zwanzig Jahren für sein soziales und politisches Engagement weltbekannt. Durch ihn fließen Millionen an Geldern gegen Armut, Krankheit und Krieg. Auf Grund des banalen Stils seiner öffentlichen Auftritte an der Seite namhafter Politiker erlitt Bono jedoch immer wieder viel an Kritik von Seiten der Medien, sich von politischen und wirtschaftlichen Machthabern zur Imageaufbesserung missbrauchen zu lassen. Aber müssen Spendenaktionen wohlhabender Menschen in der Öffentlichkeit immer etwas mit Imageaufbesserung und Selbstinszenierung zu tun haben? Vielleicht sind die Hintergründe hierfür auch ein emotionales Lebensereignis, die Verbundenheit zu einem Dritte Weltland, eine tragische Geschichte, oder noch einfacher – reine Gutmütigkeit und Selbstverständlichkeit? Wir versuchten uns davon ein Bild zu machen und sprachen mit Barbara Dietz und Brigitte Dischereit von der „AktivA Beteiligungs AG“ über die Beweggründe ihres jahrelangen Engagements und des Engagements an „Hoffnung für Menschen“. Ein Verein, der sich hauptsächlich um die Hilfe zur Selbsthilfe Notleidender im Bundesstaat Tamil Nadu in Südindien kümmert.

Barbara Dietz ist ein Kind der Globalisierung. Der Vater, geboren in Kalkutta, war ein angloindischer Banker, leidenschaftlicher Leihprediger und Gitarrenspieler. Die Mutter kam ursprünglich aus Mönchengladbach. Zusammen mit vier Kindern, darunter drei Mädchen und ein Junge, lebten sie zunächst in London, um dann später nach Schottland zu ziehen, wo auch heute noch jeder bis auf Barbara einen festen Wohnsitz hat. Auf Grund der etwas schwierigen Verhältnisse zwischen den Briten und den Deutschen (Ein fruchtloses Relikt des Zweiten Weltkriegs), sprach man Zuhause kein Deutsch. Trotzdem war, dank regelmäßiger Besuche der Verwandtschaft im Rheingebiet, Deutschland schon immer ein wichtiger Teil, den sie trotz Sprachbarriere immer wieder gern besuchte. Indien blieb jedoch vorerst ein ferner Ort, „ein Abenteuer“, wie Barbara sagt, von dem der Vater immer mal wieder Geschichten erzählte. Aufgewachsen in glücklichen Verhältnissen wurde zusammen viel musiziert. Der Glaube spielte aber auch schon immer eine wichtige Rolle, der die jetzige Mutter bis heute nicht verlassen hat. „Der Glaube gibt Halt und Lebenssinn, er bestimmt Geburt, Leben und den Tod. Manche behaupten, Glaube wäre nur etwas für schwache Menschen, aber das stimmt nicht. Nur mit Gottvertrauen entkommt man dem heutigen Chaos, das auf der Erde herrscht“, erzählt die gebürtige Londonerin.

Es war 1984, als die seinerzeit gelernte Erzieherin und Krankenschwester mit ihrem damaligen Ehemann, ein schottischer Zahnarzt, und ihrem zehn Monate alten Kind nach Deutschland zog. Der Umzug kam etwas übereilt, da die erste Wahl des Mannes zunächst Südafrika war, doch nach einigen mühsamen Umstellungen und Sprachkursen gelang der Übertritt in ein Land, das für Barbara, neben Schottland, bis heute ein wichtiges Zuhause ist. Vielleicht sind es die verstreuten Wurzeln ihrer Herkunft, weswegen die 54-Jährige mit ihrem jetzigen Ehemann, Jürgen Dietz, auch heute noch viel unterwegs ist. Ob Weiden in der Oberpfalz, Füssen oder gar Schottland – man ist immer anderswo. Aber auf die Frage, wo sie sich wirklich zu Hause fühle, muss Barbara zunächst überlegen. „Das ist für mich eigentlich nicht wichtig. Ich fühle mich zu Hause, wo ich gerade bin. Aber trotzdem werden wir versuchen, uns besser zu koordinieren, um vielleicht mal etwas länger in Füssen zu bleiben.“

Die erste Reise nach Indien

Aber was hat das alles mit „Hoffnung für Menschen“ zu tun? Ist es der Glaube oder die Verbundenheit, die den Menschen etwas zurückgeben lässt? „Jedenfalls mache ich es nicht aus Selbstverherrlichung. Es ist sicherlich mein Glaube und die Verbundenheit zu Indien, weswegen ich für „Hoffnung für Menschen“ viel Arbeit auf mich nehme. Ebenso ist es mir sehr wichtig den Menschen die Augen zu öffnen, weshalb ich dieses Jahr mit meinen Kindern und deren Freunden Indien besuchen werde. Zwar spendet Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr viel und hat wie jedes Land auch einen Armutsanteil, trotzdem ist es nicht mit Indien zu vergleichen“, erklärt die Mitarbeiterin der Organisation.

Kurz nach Gründung von „Hoffnung für Menschen“ lernte Barbara die Organisation bei einer Spendenaktion kennen, schloss sich an und die erste Reise nach Indien, ein Land, das sie bis dato noch nie besucht hatte, war auch schon gebucht. „Indien war ein Kulturschock. Wie in den Medien beschrieben, sitzen Armut und Reichtum dicht gedrängt aufeinander. Der Mensch ist dort, wenn er krank und arm bleibt, nichts wert. Ich wollte mir alles selbst ansehen, denn nur Geld verschicken möchte ich nicht, man weiß ja nie genau, was damit geschieht,“ erzählt die gelernte Krankenschwester.

Brigitte Dischereit

Brigitte Dischereit ist Barbaras Schwägerin und war damals auch in Indien mit dabei. Sie ist ebenfalls seit den ersten Anläufen der Organisation ein festes Mitglied und kümmert sich um die Koordination und das Qualitätsmanagement. Brigitte kommt aus Augsburg und erlernte wie Barbara Krankenschwester. Ein Beruf, der viel Kontaktfreudigkeit und Umgänglichkeit fordert. „Ich war 30 Jahre lang mit Leib und Seele Krankenschwester. Vor allem, wenn man Schwerstkranke auf der interdisziplinären Intensivstation behandelt, kann dieser Beruf einem sehr nahe gehen. Schnell nimmt man das Gesehene schon mal mit nach Hause und lässt einen nicht mehr in Ruhe. Mit der Zeit habe ich aber gelernt eine Mauer um mich zu bauen, was bei solch einem Beruf von Nöten ist,“ resümiert Brigitte Dischereit über ihren Beruf. Doch das Dasein als Krankenschwester endete nicht zu Hause. Zwei Jahre nach ihrer Heirat erkrankte Brigittes Mann an Multipler Sklerose, einer Krankheit, die sich schleichend, über die Jahre hinweg verschlimmert. „Als Krankenschwester wusste ich, was das bedeutet, da ich schon mal einen Patienten mit dieser Krankheit pflegte. Meine Kinder waren damals ein und zwei Jahre alt, weswegen ich eine Zeit lang nachts arbeitete und tagsüber meinen Mann und die Kinder versorgte. Das war eine sehr schwierige Zeit und als die Krankheit am Schlimmsten wurde, war die Situation psychisch wie auch physisch nicht mehr für mich tragbar. Natürlich hadert man und fragt sich, warum gerade mir das passieren konnte? Doch die enge Verbundenheit und Mithilfe meiner Familie und Freunde, mein gnadenloser Optimismus und meine Grundgläubigkeit halfen mir, diese Zeit unbeschadet zu überstehen“, erinnert sich die jetzige Füssenerin. Nach etwa 20 Jahren Pflege verstarb schließlich ihr Ehemann an den Folgen der Krankheit. Die Mutter ließ ihr Zuhause hinter sich und kam nach Füssen, um dort ihren Brüdern, mit denen sie schon immer engen Kontakt pflegte, in ihrer Firma zu helfen.

Neben ihrer jahrelangen Arbeit mit hilfsbedürftigen Menschen ist es vielleicht auch der Einfluss ihres Vaters, der Brigittes Teilnahme bei „Hoffnung für Menschen“ als eine Selbstverständlichkeit wirken lässt. Er engagierte sich schon immer für sozial Benachteiligte, ging nach Tibet und erklomm unter anderem das Basislager des Mount Everest. „Das Schlimmste was ich erleben durfte war ein Pflegeheim für Exiltibeter. Es war keine offizielle staatliche Einrichtung, weswegen die Zustände dort schlimmer waren als in jedem Schweinestall. Doch die Menschen waren über jede Hilfe von uns überglücklich,“ erzählt die sozial Engagierte über einen vergangenen Besuch in Tibet.

Ihr Leben verläuft etwas ruhiger. Hier in Füssen geht es ihr gut. Brigitte wie auch Barbara sind starke Persönlichkeiten mit einer besonderen Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die manchem Misstrauischen aufklärt, warum sie Hilfsbedürftigen etwas zurückgeben wollen. Was die Beiden am meisten unterscheidet ist ihr Motiv. Was bei der Einen eine spät entwickelte Verbundenheit und treuer Glaube ist, ist bei der Anderen eine Aufopferung für schwache, hilfsbedürftige Menschen, die sich ein Leben lang halten wird. Was sie gleichsetzt, ist das früh erlernte soziale Engagement und die Hilfsbereitschaft, bei der immer eine gewisse Sensibilität als auch Stärke gefordert wird.

 

Text: Felix Schmid · Bild: Sabina Riegger

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