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Walter Bläs: Aus einer Millionenstadt nach Füssen

„Ich bin nicht der typische Mexikaner“

Als „upper middle income country“ steht Mexiko an vierzehnter Stelle der größten Volkswirtschaften der Erde und ist zwölftgrößte Handelsnation. Mexiko ist zudem die Nummer Sieben unter den Öl-exportierenden Staaten der Welt. Die mexikanische Volkswirtschaft erwirtschaftet ihr BIP schwerpunktmäßig in den Bereichen Dienstleistungen, Industrie und Handel. Und dennoch leben etwa 37 Prozent der Mexikaner unter der Armutsgrenze. Die Schere zwischen Arm und Reich ist groß, genauso wie die Kriminalität. Allein in Mexiko-Stadt werden täglich mehrere Hundert kriminelle Delikte gemeldet, die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen. Dies ist vor dem Hintergrund einer Großstadt von etwa 25 Mio. Einwohnern zu sehen, heißt es beim Auswärtigen Amt.

„Ich kenne mein Land sehr gut und deswegen ist mir vielleicht noch nie etwas passiert. In jeder Großstadt kann einem was passieren. Hamburg, München, Stuttgart. Natürlich ist es problematischer wegen den Drogen. Eine Frau sollte nicht mitten in der Nacht durch Mexiko-City laufen. Da kann es gefährlich werden. In Füssen ist das schön, da passiert im Regelfall nichts.“

Mit der Bimmelbahn die Kühe streicheln

Walter Bläs ist seit 1998 in Deutschland. Der 40-jährige Ingenieur für Maschinenbau arbeitet als Produktentwickler bei PMG. Nach Deutschland kam er, weil er den damaligen Geschäftsführer in der Tochterfirma in  Mexiko kennenlernte. Sein erster Eindruck von Füssen war ein ganz Besonderer. Nach einer Millionenstadt, die früher einmal die größte Stadt der Welt war, in einer kleinen Stadt wie Füssen zu leben, ist ein gewaltiger Unterschied – aber keinesfalls etwas Unmögliches. „Füssen ist einfach schön, nett“, sagt Walter Bläs mit so einer Selbstverständlichkeit, fast so, als ob er selbst ein Füssener ist. Ganz fasziniert erzählt der Mexikaner von der „Bimmelbahn“, mit der er nach Füssen kam. „Ich hatte das Gefühl, ich könnte die Kühe aus dem Fenster streicheln“, meint er lachend. Diesen ersten Eindruck von Füssen wird er nicht vergessen und erst recht nicht seine erste „Sightseeing Tour“ mit dem Auto durch die Lechstadt. „Mein Chef zeigte mir Füssen mit dem Auto. Also fuhren wir von der Hiebelerstraße über die Kemptener Straße zum Kreisel, dann  dachte ich mir jetzt kommt die Stadt, aber mein Chef fuhr Richtung Schwangau um umzukehren und sagte dann zu mir: Das war Füssen. Und ich meinte: Oh, das ist aber sehr klein“.

Wenn mich jemand fragt, was ich bin? Dann bin ich Mexikaner.

Bereut hat es der Mexikaner mit deutschem Namen nicht, nach Füssen oder generell nach Deutschland gekommen zu sein. Walter Bläs ist kein typischer Mexikaner, aber auch kein Deutscher. Er ist eine Mischung aus beiden Kulturen, was ja auch ganz normal ist hinsichtlich dessen, dass der Vater ein deutscher Ingenieur und die Mutter eine mexikanische Schauspielerin ist. „Wenn mich aber jemand fragt, was ich bin? Dann bin ich Mexikaner. Für mich ist das klar, ich bin dort aufgewachsen, habe dort Schulfreunde – aber ich bin hier glücklich und fühle mich sehr wohl“. Deutsch war für Walter Bläs und seine beiden Brüder Oliver und Christian nie ein Problem. Sie besuchten die deutsche Schule in Mexiko-City und sprachen generell am Wochenende mit ihrem Vater nur Deutsch. Als Ingenieur mit eigener Firma, die chemische Produkte für die Druckindustrie herstellte, hatte er nur am Wochenende richtig Zeit für seine Kinder. „Das war bei uns ganz normal. Er bestand darauf, genauso wie auf die jährlichen Besuche in Rüdesheim bei seiner Familie. Dort verbrachten wir immer die Sommerferien“, erinnert sich Walter Bläs mit Freude zurück. Wie für viele Mexikaner stehen auch für ihn die Familie und Freunde im Mittelpunkt. Auf seine Mutter ist er ganz besonders stolz. Sie ist in Mexiko eine kleine Berühmtheit. Als Schauspielerin gehört sie zu den Stars der Telenovelas, die in Mexiko und Spanien einen Kultstatus haben.

Äußerlich ist Walter Bläs ein Südamerikaner und innerlich eher der Deutsche. Bläs nennt es anders: „Ich bin eher ein introvertierter Mexikaner, dessen Lieblingsessen Cochinita pibil ist, aber auch gerne Kässpatzen isst“. Mexiko vermisst der Wahlfüssener nicht wirklich. „Wenn ich meine Freunde oder meine Familie sehen möchte, dann mache ich es auch. Es ist mir sehr wichtig einen guten Kontakt zu haben“. Wie ernst es der Maschinenbauingenieur mit Freundschaften nimmt, zeigte sich neulich, als ein guter Freund aus Dalls anrief und Karten für American Football hatte. „Ich bin dann einfach los“, sagt er in seiner charmanten Art. „Ich bin super spontan, da bin ich ein Meister drin, was nicht heißt, dass ich planlos bin“, gibt er zu verstehen.
Ob er in einer großen Stadt leben könnte, steht für ihn außer Frage. „Das könnte ich sicher schon. Aber ich schätze diese Kleinstadt, die wunderbare Landschaft, dass man alles bequem zu Fuß erreichen kann und nicht zu vergessen die vier Jahreszeiten. In Mexiko gibt es eine Regen- und Trockenzeit und wenn man mit dem Mountainbike fahren möchte, muss man weit raus aus Mexiko-City“.

Füssen hat es ihm angetan und mit ihr die wärmegedämmten Häuser mit den doppelverglasten Fenstern. „Wenn man wie ich in Monterrey studiert hat, dann vergisst man die Kälte nicht so schnell. Überall kam sie durch. Dann achtet man automatisch darauf, wie die Wärmeisolierung in anderen Ländern ist. Für manche hört sich das vielleicht komisch an – aber für mich war es mitunter ein wichtiger Grund, dass ich in Füssen geblieben bin“.

Wenn das nicht typisch deutsch ist!

Text · Bild: Sabina Riegger

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