Menschen

Beim Fußball spricht man eine Sprache

Im Gespräch mit Matthias Günes

Hohenschwangau.    Fußball ist zweifellos einer der beliebtesten Sportarten der Welt. Vor allem während der WM-Zeit, bei der manche teilnehmende Länder sich schon fast im Ausnahmezustand befinden, wird dies einem immer wieder bewusst. Auch in Deutschland, einem Land, dass an großer kultureller und religiöser Vielfalt verfügt, ist der kleine runde Ball, kaum wegzudenken. Dass diese Vielfalt, egal ob in weltweit beliebten Fußballclubs oder auch nur im lokal bekannten Dorfverein, aufeinander trifft, sollte für uns alltäglich sein. Wir fragen uns ob Fußball eine Stütze für Emigration in Deutschland bildet und ob so verschiedene Kulturen durch Erfahrung in Vereinen näher zusammengebracht werden können. Deshalb haben wir mit Matthias Günes, 29 Jahre alt und Mittelfeldspieler beim Lokalverein FC Füssen, über Fußball und Migration gesprochen. Matthias Günes ist Aramäer und lebt seit seiner Geburt in Füssen. Nach dem Statistischen Bundesamt ist er also „Deutscher mit Migrationshintergrund“, was für ihn aber keine Relevanz hat, da er sich zu 100 Prozent aramäisch und deutsch sieht. „Ich habe beide Kulturen verinnerlicht“, sagt er von sich selbst. Wenn er nicht gerade auf dem Rasen ist und Bälle kickt, arbeitet er als Marketing- und Verkaufsleiter im Hotel Müller in Schwangau. Seit über 20 Jahren nun engagiert er sich mit Leidenschaft für seinen Verein und weiß, dass Fußball auch eine wichtige Rolle beim Thema Migration spielt.

Herr Günes, ist Fußball ein interkultureller Sport? Definitiv, Fußball ist der einzige Sport, den man auf der ganzen Welt kennt und bei dem alle Kulturen mitspielen. Das Schöne ist, dass in der Mannschaft die Herkunft nicht relevant ist. Es ist kulturverbindend, das hört sich ganz groß an, aber es ist wirklich so und das ist das Tolle daran.

Wie viele haben denn ungefähr einen Migrationshintergrund beim FC Füssen? Schwer zu sagen. Wir haben Aramäer, Serben, Kroaten, Türken.. – der Verein ist quasi ein Spiegelbild Deutschlands.
Stehen denn die Leistung oder der Hintergrund des Spielers an erster Stelle? Die Leistung ist das Einzige was zählt. Beispielsweise haben wir momentan einen türkischen Trainer und  davor war es mein Bruder. Wir hatten aber auch einen deutschen Trainer und auch einen bulgarischen. Die Nationalität hat hier keine Relevanz.

Und trotzdem bilden sich Gruppen in Mannschaften, oder etwa nicht? Gruppenbildungen gibt es in der Schule, im Kindergarten, eigentlich überall. Warum also auch nicht beim Fußball. Sowas ist normal, weil man vielleicht das gleiche Alter oder die selben Hobbys hat. Der Migrationshintergrund spielt dabei in der Regel aber keine Rolle. Es wäre falsch zu sagen, dass Ausländer alleine unter sich wären.

Wenn man an Spieler wie Gennaro Gattuso oder Mario Balotelli denkt, dann bekommt der Fußball noch einmal ein anderes Gesicht. Ich würde es temperamentvoll nennen. Ist das Verhalten von deutschen Spielern auf dem Fußballfeld ein anderes? Würde ich schon sagen. Spieler die ursprünglich aus dem Süden kommen sind auch von der Spielweise her etwas hitziger, aber so etwas ist kein Aspekt der eine Mannschaft spalten würde. Es kommt immer auf den Einzelnen an, wie er sich einbringt und was er macht.

Kann man sagen, dass der FC Füssen auch Erziehungsarbeit leistet? Natürlich. Die Trainer erziehen neben Eltern und Lehrern auch mit, denn man trainiert Kinder und Jugendliche in fast jedem Alter. Als ich eine Zeit lang Trainer war habe ich zum Beispiel angeboten, ihnen bei Problemen in der Schule zu helfen. Mitglied im Jugendteam zu sein, bedeutet zwei Mal in der Woche Training und am Wochenende ein Spiel. Man ist also drei Mal in der Woche an seine Mitspieler und Trainer gebunden und das prägt. Keine Frage, Sport verbindet. Der Unterschied zwischen Sport und Schule und die vielleicht damit verbundenen Probleme wie Schulaufgaben schreiben, wenig Zeit zum Lernen haben ecetera, sind, dass Sport in einem Verein freiwillig ist, Schule dagegen nicht. Sie ist Pflicht.

Spielt die Herkunft bei Fußball-Freundschaften eine Rolle? Da kann ich nur von mir sprechen. Etwa 90 Prozent meines Freundeskreises habe ich über Fußball kennen gelernt. Diese Freundschaften haben bei mir nichts mit Religion oder Nationalität zu tun. Der ethnische Hintergrund darf niemals eine Rolle spielen. Ich merke nur manchmal, dass es sich  „Ausländer“ hin und wieder leicht machen.

Wie meinen Sie das? Manche stecken sich gern mal in eine Opferrolle und machen es sich in kritischen Situationen zu leicht. Wenn der Schiedsrichter zum Beispiel in eine bestimmte Gelegenheit eingreift bei der man sich benachteiligt fühlt, man anfängt zu diskutieren, ihn vor Wut beschimpft und am Ende sogar eine rote Karte erhält, gibt es Einzelfälle die den Grund darauf schieben „Ausländer“ zu sein und nicht etwa wegen der vorausgegangenen Situation. Ich bin selber aufgrund von meinem Natural ein sehr emotionaler Spieler, der auch viel diskutiert. Aber wenn das saktioniert wird, dann weil ich mich falsch verhalte und nicht weil ich „Günes“ statt „Meier“ heiße.

Gibt es stereotype Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Spielern? Generell kann man das nicht verallgemeinern. Trotzdem kann man erkennen, dass viele südländische Spieler ihre Stärken im technischen und kreativen Bereich haben deutsche Spieler dagegen sind eher Zweikampf- und Laufstark. Aber das ist natürlich nicht die Regel und darf auch nicht verallgemeinert werden.

Sie haben im Gespräch immer wieder erwähnt, dass Religion auf dem Spielfeld nichts verloren hat. Wie es bei Feiertagen? Konnte ein Spieler aufgrund eines muslimischen Festes mal nicht auf dem Platz erscheinen? So etwas ist meiner Meinung nach typbezogen. Der eine ist gläubiger und der andere eben nicht. Wenn jemand mal nicht erscheint, ist dass eher aufgrund von Krankheiten. Wenn die Spieler noch jünger sind, haben sie dann mal auch Ausreden wie „Omas Geburtstag“. Aber mal ganz ehrlich, das gibt es doch überall.

Macht man auch mal Scherze über Nationalitäten in der Kabine? Aber ja, da lachen dann meistens alle drüber. Wenn mein Bruder und ich zum Beispiel arabisch sprechen, dann machen sich Andere darüber lustig und sagen Sätze wie: „Hört sich an, als ob ihr gar keine Luft bekommt!“Ich empfinde es eher als negativ wenn man über Stereotype und Nationalitäten keine Witze unter Freunden machen darf.

Vielen Dank für das Gespräch.
Ich danke für das Interesse. Das war mal ein anderes Interview.

Text · Bild: Felix Schmid

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