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Lisa Köpf: „ Es ist eine tolle Erfahrung“

Sucua/Füssen.    Lisa Köpf kommt aus Füssen und macht zur Zeit  ihren Master in „Soziale Arbeit“ an der evangelischen Hochschule in Dresden. Zur Zeit absolviert sie ein Praktikum in Ecuador. Mit ihrer Familie und ihren Freunden hält sie regelmäßig Kontakt ,unter anderem auch mit ihrer Cousine, die an der Mittelschule in Füssen unterrichtet. Gemeinsam haben sie eine Brieffreundschaft zwischen den Jugendlichen und den Schülern der Mittelschule in die Wege geleitet. „Die Brieffreundschaften zwischen den Kindern stehen ganz am Anfang, vielleicht wird mehr daraus, das wäre sehr schön“, so Lisa Köpf. Wir wollten mehr über das Praktikum und das Leben von Lisa Köpf in Ecuador erfahren und auch wissen, ob die angestrebte Brieffreundschaft unter den Jugendlichen bereits Erfolg hatte. Dies bejahte Lisa Köpf und schickte uns gleich zwei Briefe, die wir mit freundlicher Genehmigung der beiden Schülerinnen abdrucken dürfen.

Was hat Dich veranlasst Dein Praktikum in Ecuador zu machen?
Ich studiere den Master in Sozialer Arbeit an der evangelischen Hochschule in Dresden. Zuvor habe ich in Würzburg den Bachelor absolviert. Im Rahmen meines studienbegleitenden Praktikums, das ich bei der Treberhilfe Dresden e.V. gemacht habe, bin ich auf das Projekt beziehungsweise diese Projekte hier in Ecuador aufmerksam geworden, die auch durch die Treberhilfe Dresden e.V. unterstützt werden. Der Geschäftsführer der Treberhilfe, Dieter Wolfer, war selbst schon einige Male in Ecuador und ist sozusagen Gründungsmitglied der Projekte in Ecuador. Er gehört zum Unterstützerkreis der Michael Günther Stiftung (www.michael-guenter-stiftung.de). Zudem wollte ich schon immer für längere Zeit im Ausland in der Sozialen Arbeit tätig sein. Die Arbeit mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, der damit verbundene Versuch des „Denkens vom Anderen her”, die Auseinandersetzung mit Vielfalt und Differenz und damit auftretenden Ambivalenzen finde ich sehr spannend. Natürlich ist es mir auch ein Bedürfnis mit der Arbeit hier im Projekt etwas zur Veränderung der Lebensverhältnisse der hier lebenden Menschen beizutragen.

Du schreibst, dass die Kinder im Alter zwischen 13 und 19 Jahre alt sind. Was sind das für Kinder, die bei Euch auf die Schule gehen?  Das Projekt, in dem ich arbeite, heißt „Programa Chaka” und ist eines von insgesamt vier Projekten des „Jardin del Eden”, dem Kinderheim in Ecuador, das auch von der Michael Günther Stiftung von Deutschland aus unterstützt wird und als erstes gegründet wurde. „Chaka” heißt in der Sprache der Quechua „Brücke”. Ziel des Projektes ist die Erweiterung produktiver Fähigkeiten und Fertigkeiten Jugendlicher aus ländlichen Gemeinden, den Comunidades, sowie deren Befähigung im wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Sinne durch Bildung und Ausbildung. Diese vielleicht etwas „sperrige” Umschreibung bezieht sich auf die Bildungssituation, insbesondere die der indigenen Bevölkerungsgruppen in Ecuador. Während der Kolonialzeit wurden den indigenen und schwarzen Bevölkerungsgruppen sowie den Mestizen der Zugang zu Bildungssystemen verweigert.

Wie sieht das heute aus? Das hat sich natürlich mittlerweile geändert, jedoch sind insbesondere die Indigenas in den ländlichen Gebieten mit überdurchschnittlich großer Armut und schlechten Bildungsmöglichkeiten konfrontiert. Weiterführende Schulen sind häufig weit entfernt und können aufgrund der schlechten Zustände der Wege oder fehlender Transportmittel nicht erreicht werden. Auch mangelt es den Schulen in ländlichen Gebieten an adäquater Ausstattung und Lehrkräften.

Aus welchen sozialen Verhältnissen kommen die Jugendlichen?
Die Jugendlichen hier im Projekt sind „Shuar”, so nennt man die indigene Volksgruppe des Amazonasgebietes hier im Süden von Ecuador. In den Anden sind es die Quechua. Die Eltern und Verwandten der Jugendlichen leben in den umliegenden Comunidades von Sucua. Einige der Jugendlichen kommen aus sehr abgelegenen Gebieten, die weder über fließendes Wasser noch Elektrizität verfügen. Während der Schulzeit wohnen sie hier im Projekt, nur in den Ferien besuchen sie ihre Familien zu Hause.

Wie sieht der Alltag der Jugendlichen und Dir aus? Morgens besuchen die Jugendlichen das Collegio in Sucua, nach dem Mittagessen werden dann die Hausaufgaben gemacht, bei dem wir Freiwillige sie unterstützen. Zusätzlich arbeiten die Jugendlichen drei Mal die Woche auf dem Gelände und verrichten landwirtschaftliche Tätigkeiten. Die Woche ist recht straff organisiert und die Jugendlichen versorgen sich größtenteils sehr selbständig. Am Wochenende planen wir dann meist Aktionen, wie kürzlich beispielsweise ein Tischtennis-Turnier. Wir machen auch Ausflüge oder erlebnispädagogische Übungen, je nachdem, welcher Bedarf in der Gruppe besteht.
Im Vordergrund stehen vor allem die Bildung und Ausbildung der Jugendlichen, jedoch auch das Zusammenleben, das Aneignen und die Auseinandersetzung mit anderen Denk- und Verhaltensweisen, Wert- und Normvorstellungen spielen eine wichtige Rolle.

Welche kulturellen Unterschiede gibt es zwischen den Jungendlichen hier und dort? Die Kultur der Shuar unterscheidet sich in Bezug auf die Familie und das soziale Zusammenleben deutlich von uns. Üblicherweise hat der Mann meist zwei Frauen mit mehreren Kindern. Auch werden die Töchter meist früh verheiratet, so zwischen 14 und 16 Jahren. Dementsprechend haben sie auch schon früh Kinder.

Wahrscheinlich ist es dort sehr schwül?
Sucua liegt südöstlich in Ecuador, im Oriente im Amazonasgebiet. Im Gegensatz zu den nördlicheren Gebieten und den hochgelegenen Andenregionen liegen wir hier unter 1.000 Höhenmetern und haben feuchtwarmes, tropisches Klima.

Kocht ihr Praktikanten auch selbst?
Hier wachsen allerlei Früchte wie Papayas, Guaven, … die es natürlich frisch gepresst als Saft zum Mittagessen gibt. Zum Essen serviert man meistens Gemüse mit Hühnchen und dazu vor allem Reis, …Reis, …Reis.  Kartoffeln mit Fleich und Reis und Kochbananen mit Reis gibt es ebenfalls häufig. Davor bekommt man immer eine Suppe – meistens sogar ohne Reis.
Am Vormittag, während die Jugendlichen in der Schule sind, kommt eine Köchin, die das Frühstück, ab und an auch mal mit Reis, und das Mittagessen macht. Abends gibt es dann das gleiche wie am Mittag, das von den Jugendlichen aufgewärmt wird. Am Wochenende kochen die Jugendlichen selbst, auch der Abwasch und Saubermachen wird von den Jugendlichen erledigt. Wir helfen natürlich beim Abwaschen, Kochen oder Saubermachen so gut es geht. Mir schmeckt das Essen sehr gut, es gibt viel Gemüse und es wird alles verwertet, was hier wächst. Auf den Reis werde ich in Deutschland jedoch auf jeden Fall erst mal verzichten können.

Wie hast Du Dich bislang zurecht gefunden? Obwohl ich zu Beginn einen zweiwöchigen Spanisch-Kurs gemacht habe, würde ich meine Spanisch-Kenntnisse noch als etwas rudimentär bezeichnen. Das macht die Kommunikation natürlich schwierig und gerade, wenn die Leute sehr schnell sprechen, fällt es mir schwer etwas zu verstehen. Vormittags arbeite ich in einem Altenheim, da die Jugendlichen in der Schule sind. Dort sprechen die Leute  meistens etwas langsamer – wenn auch nicht immer verständlich. Häufig verständige ich mich jedoch noch eher mit  „Händen und Füßen”. In der Hausaufgabenbetreuung mit den Jugendlichen lerne ich aber noch Einiges dazu und auch wenn ich zweimal nachfragen muss, die Jugendlichen sind meist sehr geduldig und verbessern mich dann schön.

Wie weit ist die nächste Stadt von Deinem Praktikumsplatz entfernt?
Das Campamento, das Gelände, auf dem sich das Projekt befindet, liegt am Rand von Sucua, einer recht kleinen und ländlich gelegenen Stadt. Dort gibt es alles, was man benötigt, ein paar Geschäfte, Restaurants und sogar zwei Diskotheken. Die nächst größere Stadt ist das nördlich gelegene Macas. Mit dem Bus ist man in circa 45 Minuten dort.

Bist Du in der Nähe des Regenwaldes, gibt es dort Schlangen? Ja wir sind hier eigentlich direkt im Regenwald. Neben den vielen leckeren Früchten gibt es allerdings auch jede Menge Tiere. Vor zwei Wochen hatte der Hausmeister hier auf dem Gelände eine Art Würgeschlange gefunden, die zwar sehr schön anzuschauen war, ich jedoch nicht in meiner unmittelbaren Nähe haben musste. Auch giftige Schlangen und Tarantulas gibt es hier, wobei man die hier nicht jeden Tag sieht. Was man allerdings jeden Tag sieht und „miterlebt” sind die Vielzahl an Insekten, vor allem Mosquitos, die besondere in den Abendstunden erscheinen und für meine Verhältnisse oft überdimensionale Größen erreichen. Mit all den mehr oder weniger großen Widrigkeiten, die sich insbesondere in Bezug auf die Insekten einstellen, ist die Geräuschkulisse mit der ich einschlafe und aufwache allerdings einfach traumhaft!

Wie ist Deine Unterkunft, eher gemütlich, schlicht oder modern? Wir Volontäre schlafen in Cabanas, kleinen Häuschen aus Stein, die sicht etwas abgelegen auf dem Gelände befinden. Die Unterkunft würde ich als schlicht beschreiben. Ich habe aber ein eigenes Zimmer mit einem Bett, Tisch und Stühlen, sowie einer eigenen Toilette und Dusche, aus der  allerdings nur kaltes Wasser kommt. Das ist schon als Luxus zu bezeichnen. Probleme gibt es immer mal wieder mit der Wasserversorgung, entweder ist gerade eines da oder nicht. Am Anfang stand ich des Öfteren „startklar” in der Dusche und es kam kein Wasser – das teste ich jetzt meistens davor.

Wie hältst  Du Kontakt zu Deinen Freunden und Deiner Familie?
Auf dem Gelände wohnt ebenfalls der Leiter des Projektes mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Dort im Haus gibt es einen Fernseher, sowie Internet und Telefon. Die Tür ist immer offen und wir können jederzeit das Internet benutzen, soweit der Computer frei ist. So bleibe ich gut in Kontakt mit meinen Freunden und meiner Familie. Ich habe mittlerweile auch ein Handy, mit dem ich SMS nach Deutschland schreiben kann.
Fernsehen schauen können wir im Haus der Familie, das kommt aber eher selten vor, weil ich meistens am Abend zu müde bin.

Was gefällt Dir gut und was magst Du eher nicht dort? Gut gefällt mir das praktische Arbeiten mit den Jugendlichen und das Zusammenleben hier im Projekt. Es ist eben ein Unterschied, ob man abends nach der Arbeit nach Hause geht oder gemeinsam an einem Ort lebt, zusammen isst und kocht. Dadurch ergibt sich eine andere Art der Qualität und Intensität der Beziehungen, wobei natürlich hier wieder die Herausforderung der Nähe und Distanz besteht. In Bezug auf die pädagogische Arbeit sind mir viele Freiheiten gegeben und vieles, was ich bis jetzt theoretisch gelernt habe, kann ich hier anwenden und ausprobieren.

Was mir nicht so gut gefällt ist, dass ich die Wäsche mit der Hand waschen muss. Es ist wirklich anstrengend, kostet viel Zeit und wenn die Wäsche nicht schnell trocknet, riecht sie schlechter als davor. So eine Waschmaschine ist schon wirklich eine tolle Sache.

Natürlich ist hier auch die für südlich gelegenere Länder bekannte – ich nenne es mal – Gelassenheit anzutreffen. Es kann alles anders kommen als man denkt und man muss auch fähig sein, recht kurzfristig etwas zu planen oder zu organisieren.

Könntest Du Dir vorstellen dort länger zu bleiben? Auch wenn es einige vielleicht nicht gerne hören, ich könnte mir schon vorstellen, länger hier zu bleiben. Die Zeit vergeht wie im Flug und in Bezug auf die Arbeit hier im Projekt ist ein halbes Jahr nicht sehr lange. Allerdings muss und möchte ich mein Studium in Deutschland zu Ende bringen – aber wer weiß, was danach ist!

Vielen Dank Lisa für das Gespräch. Ich danke Dir für das Interesse und die Möglichkeit, das Projekt vorzustellen, das natürlich auch auf Spenden angewiesen ist – insbesondere Kleidung und Schulmaterial werden dringend benötigt, da hierfür kein eigenes finanzielles Budget besteht. Es wäre schön, wenn du unter den Artikel noch einen kleinen Spendenaufruf setzen könntest!

Spendenkonto
Michael-Günther-Stiftung
Nr. 66 105 444 bei der Sparkasse Zollernalb (BLZ 653 512 60)
Verwendungszweck:
„Programa Chaka”


Das Interview führte Sabina Riegger

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