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Ein kleines Stück Thailand im Allgäu

Erst Buddha, dann der König

Füssen.   König Bhumibol Adulyadej ist ihr Vorbild. Über ihm steht nur noch Buddha. „Das Bild eines „Normalsterblichen“ darf weder auf gleicher Höhe mit dem König, noch mit Buddha aufgehängt werden“, erklärt Rantom Chenparasit.  So wie sie erweisen alle Thailänder ihrem König diesen Respekt. „Wir lieben ihn, weil er gut zu uns ist“, so die 56-jährige Thailänderin. Auch in ihrer Wohnung in Füssen sieht man den Monarchen von der Wand hinunter lächeln. Nicht ohne Stolz erzählt sie, dass sie auch ein Bild von sich und Prinz Luitpold hat. Immerhin ist sie die Frau, die täglich mit den Kostbarkeiten des Schlosses Hohenschwangau in Berührung kommt. Kein Staubkorn ist vor ihrem Wischtuch und ihrem wachsamen Auge sicher.

Die weiße Schneepracht

Als Rantom Chenparasit 1978 nach Deutschland kam, galt sie als eine Exotin. „Ich wurde immer wieder gefragt, woher ich komme und warum ich da bin“, sagt sie lächelnd. Es war die Liebe, die sie nach Deutschland brachte. „Als ich meinen Mann kennenlernte war ich 18 Jahre alt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich wollte nicht nach Deutschland kommen. Ich wusste gar nicht wo Deutschland war. Mein Mann schenkte mir dann ein Buch über Füssen. Ich fand die Stadt so schön, dass ich mich entschloss, doch nach Deutschland zu kommen“, sagt sie lachend. Mit 22 sah sie dann zum ersten Mal Deutschland, einem Land von dem sie wusste, dass es Schnee gab. „Als wir mit dem Flugzeug über Deutschland waren, sah ich etwas Weißes und dachte es ist Schnee. Das war eine lustige Situation, denn das „Weiße“ war Nebel. Bei der Landung in München gab es dann wirklich Schnee. Es mag vielleicht verrückt klingen, aber ich habe den Schnee umarmt und war fasziniert. Ich musste lachen, weil ich bis dahin keinen Schnee gesehen habe – und der Schnee war so kalt.“ So ähnlich erging es auch Lamphung Ziesel. Auch sie war fasziniert von der weißen Schneepracht.

Wenn sich die Frauen in Füssen treffen, dann geht es laut und lustig zu. „Thailändische Frauen sind sehr fröhlich, sie lachen viel“, erzählt Lamphung Ziesel, die von allen nur Meo, die Katze, genannt wird. Für beide Frauen war Deutschland ein Neubeginn. Sie verließen Familie, ihre Kinder und Freunde, um ganz weit weg ein neues Leben aufzubauen. „Ich komme aus Khok Samrong bei Lopburi, das ist in Zentralthailand. Ich war dort Marktverkäuferin und verdiente nicht mal so viel, dass es zum Leben reichte. Als ich nach Deutschland kam, habe ich viel geweint. Ich hatte furchtbare Sehnsucht nach meinen beiden Kindern und meiner Familie“, erinnert sich die 46-Jährige zurück. Jeden Tag nach Thailand zu telefonieren war ein Ding der Unmöglichkeit. „1995 war das telefonieren so teuer und vor allem hatten wir zu Hause in Thailand kein Telefon.“ Mittlerweile skypt die fünfache Oma so oft wie möglich mit ihren Kindern und den Enkeln. Sie kann das Leben ihrer Kinder mitleben, auch wenn Tausende von Kilometern Entfernung zwischen ihnen liegt. Mit dem Geld, das sie in Deutschland verdiente, hatte sie die Möglichkeit ihre Familie in Thailand zu unterstützen. „Wir sind acht Kinder und haben eine kleine Landwirtschaft gehabt. Es war immer eine harte Arbeit, wir haben keine Maschinen gehabt, die uns die Arbeit etwas erleichtert hätten“, erzählt Meo Ziesel aus ihrem Leben. Die harte und viele Arbeit hat die fünffache Großmutter geprägt. „In Thailand läuft alles etwas ruhiger und gemächlicher ab. Es ist zu Deutschland kein Vergleich, weil es hier sehr stressig zugeht“, erläutert Martin Ziesel.

Eine gute Gemeinschaft

Alle zwei Jahre fliegt sie mit ihrem Mann Martin und Tochter Alisa nach Thailand. „Dort ist das wirkliche thailändische Leben. Da kommt man mit Englisch nicht weiter“, erklärt Martin Ziesel. Er ist stolz auf seine Frau, auf das gemeinsame Leben, auf den neuen Blickwinkel, der sich ihm durch das Zusammenleben erschlossen hat. Ihre gemeinsame Tochter wird zweisprachig erzogen und bekommt beide Kulturen vermittelt.

Etwa zehn Thailänderinnen leben im Umkreis von Füssen. Sie sind eine kleine Gemeinschaft, die sich regelmäßig an Geburtstagen trifft. Dann wird groß aufgekocht, Neuigkeiten ausgetauscht, gesungen und gelacht. „Am Anfang fühlt man sich in Deutschland verloren. Die Schriftzeichen sind anders, die Sprache, … auch das Essen“, erzählt Rantom Chenparasit. Früher war für sie selbst ein Frühstück ohne Reis nicht denkbar. Heute ist das Frühstück europäisch. Doch auf ein Essen ohne Chilli wollen weder Rantom noch Meo verzichten. Die beiden Frauen fühlen sich in Deutschland sehr wohl. Doch nicht alle thailändischen Frauen haben das Glück, sich in Deutschland willkommen zu fühlen. „Rantom und ich haben hier unsere Familie und unsere Freunde. Das ist sehr viel. Ich habe Glück, weil ich ein gutes Leben habe. Mein Mann ist liebevoll und sehr verständlich, ich habe eine gute Arbeit – das alles ist mehr, als ich mir erhofft habe. Nicht alle thailändischen Frauen können das von sich behaupten“, erklärt Meo. Martin Ziesel bringt es letztendlich auf den Punkt: „In vielen Köpfen ist noch das Klischee, dass eine Thai-Frau aus dem Katalog bestellt wird und ein Sexobjekt ist. Leider. Manche Männer behandeln zumindest so ihre Frauen.“ Dieses klischeebehaftete Denken führt dann oft zu Problemen in der Ehe. „Wir versuchen diesen Frauen zu helfen, die oft schlecht behandelt werden – ob nun von den Männern oder den Schwiegereltern“, so Rantom, die von den Frauen Kao, was soviel wie „die Weise“ bedeutet, genannt wird.

Für Lamphung Ziesel und Rantom Chenparasit war die deutsche Kultur anfangs ungewohnt und fremd. Heute können sie es sich nicht vorstellen für immer in Thailand zu leben. Zu sehr sind sie „eingedeutscht“, haben hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden. Sie haben es verstanden die beiden Kulturen miteinander zu verbinden. Heraus gekommen ist ein feiner Mix von bayerischer Exotik, die sich sowohl im Essen als auch in der Lebensart wiederfindet. Ein Schweinebraten mit Knödel schmeckt Ihnen genauso gut wie ein thailändisches Essen, scharf gewürzt mit Chili.

 

Text · Bild: Sabina Riegger

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