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Von wegen blind und unbeholfen

Mit den Ohren sehen

Mona Vollmer ist auf der Suche nach einem Job. Sie möchte gerne als Telefonistin arbeiten oder als Bürohilfe. „Die Hauptsache ist, das ich einen Job bekomme“, sagt sie lächelnd. Ihre Stimme ist sympathisch und das Lächeln ansteckend und doch wird es schwer sein für sie eine Arbeit zu finden.

Im Juli ist sie mit ihrer Ausbildung fertig. „Ich will wieder zurück nach Hause. Jetzt war ich zwölf Jahre von daheim weg“, sagt die 20-Jährige nachdenklich. In Unterschleißheim hat sie „Lebenspraktische Fähigkeiten“ lernen müssen, damit sie ohne fremde Hilfe ihren Alltag bewerkstelligen kann. Heute kann Mona kochen, backen, waschen, einkaufen, selbst bügeln – eigentlich alles, was eine junge Frau können sollte, und das kann sie sehr gut, denn Mona ist blind.

Mona „sieht“ mit ihren Ohren.

„Ihr Hörsinn ist so ausgeprägt, dass sie einen Fußgänger oder Radfahrer kommen hört, noch bevor ich es wahrnehme“, beschreibt Mutter Eve Sailer Monas ausgeprägten Hörsinn. Dass Mona Bogenschießen kann, hört sich im ersten Augenblick etwas seltsam an, genau so wie Reiten oder Fahrrad fahren. „Für das Bogenschiessen habe ich eine spezielle Vorrichtung, außerdem kann ich Umrisse erkennen, sowie manche Farben, wie zum Beispiel königsblau, rot oder gelb“, erzählt sie selbstsicher. Für die Füssenerin scheint ihre Behinderung nicht wirklich eine solche zu sein: „Ich kenne nichts anderes. Für mich ist das ganz normal.“  Als sie zweieinhalb Jahre alt war, entdeckten die Ärzte einen Gehirntumor, der vom Sehnerv ausging. Lange Klinikaufenthalte und Operationen machten die Situation nicht unbedingt leichter. Heute scheint alles geregelter zu sein.

Jahre in der Blindenschule

Die vielen Jahre in Unterschleißheim, der einzigen Blindenschule in der Region,  machten sie unabhängig und stark für die Zukunft. Auf dem Computer schreiben, E-Mails beantworten oder Freunden eine SMS schicken ist für die junge Frau eine Selbstverständlichkeit. Ihr Notebook hat eine Braillezeile und ist zusätzlich mit einer Sprachausgabe ausgerüstet. Der Screenreader, ein sogenannter „Bildschirmleser“, wandelt die Schrift und die Punktzeichen in die Breilleschrift um. Eine Braillezeile besteht bis 80 sogenannten Modulen, von denen jedes ein Zeichen in Brailleschrift in Form von sich erhebenden Punkten darstellen kann. So kann man Zeichen für Zeichen den Bildschirminhalt ertasten. Bewegt man sich nun mit Maus oder Cursortasten über den Bildschirm, folgt die Braillezeile diesem Fokus und stellt die jeweils aktuelle Zeile dar. Wenn Mona schreiben muss, dann geht das sehr schnell mit den Zehnfingersystem. Eine „Maus“ braucht die blinde Frau nicht. Mit den „Shortcuts“, den Kurzbefehlen, ist sie schneller als manch ein Sehender an der Tastatur. Ob Excel oder Word, für die angehende Bürokommunikationsgehilfin ist das kein Problem. „Ich kann auch gut Kaffee kochen“ schmunzelt die junge Frau, in Hinblick auf ein gutes kollegiales Miteinander. Die extra Schulung am Telefon könnte Mona für ihre Zukunft nur Vorteile bringen. „Ich finde, das Telefon ist ein sehr gutes Marketingtool, das immer mehr an Wichtigkeit gewinnt. Eine freundliche Stimme öffnet doch Türen zu weiteren geschäftlichen Gesprächen.“ Eine Arbeit in einer Telefonzentrale oder an der Rezeption könnte sich Mona Vollmer deshalb gut vorstellen. Ihr zukünftiger Arbeitgeber muss ihr lediglich einen Job anbieten, alles andere stellt die Arbeitsagentur zur Verfügung, wie die Einrichtung eines mobilen Arbeitsplatzes mit Laptop, Sprachsoftware, Braille-Display und sonstigen Dingen, mit denen Mona Vollmer unter Beweis stellen kann, dass sie es drauf hat und die Büroarbeiten ohne Probleme erledigen kann.

Noch pendelt die junge Frau zwischen Stuttgart und Füssen. In Stuttgart, einer  speziellen Schule für Sehbehinderte, absolviert die 20-Jährige zur Zeit ihre Ausbildung. Nur am Wochenende ist sie zu Hause bei ihrer Mutter und ihrem Bruder, zu dem sie ein sehr inniges Verhältnis hat. „Obwohl er jünger ist als ich, hat er die Beschützerrolle angenommen. Manchmal holt er mich am Wochenende mit dem Auto vom Bahnhof in Kempten ab. Ich würde mir wünschen, dass sich meine Familie nicht mehr so viele Sorgen um meine Zukunft machen müsste“, so Mona Vollmer. „Ich kann doch alles alleine bewerkstelligen. Das weiß meine Familie, wissen meine Freunde und die Schule. Jetzt brauche ich nur noch Menschen, denen ich das auch zeigen kann.“

Text · Bilder: Sabina Riegger

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