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Stellen zu vergeben – Ablöse für den Zivildienst


St. Michael öffnet sich für Bundesfreiwilligendienst

Füssen.    Laut Beschluss des Bundeskabinetts beginnt mit dem 1. Juli 2011 die Aussetzung der Wehrpflicht. Dies hat zur Folge, dass nicht nur der Wehrdienst entfällt, sondern dass gleichzeitig auch der Zivildienst als Alternative zum Wehrdienst wegfällt. In Krankenhäusern, Altenheimen oder ähnlichen sozialen Einrichtungen könnten fortan die eingeplanten Stellen für Zivildienstleistende unbesetzt bleiben. Als Reaktion auf die Aussetzung des Zivildienstes ist in diesem Jahr vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der neue Bundesfreiwilligendienst (BFD) eingeführt worden. Er soll die bestehenden Freiwilligendienste Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) ergänzen und somit das bürgerschaftliche Engagement in sozialen Belangen fördern. Weiterhin ist es das erklärte Ziel, das Konzept des Freiwilligendienstes auf eine breitere gesellschaftliche Basis zu stellen, indem die Altershöchstgrenze von 27 Jahren für den Bundesfreiwilligendienst abgeschafft wurde.

Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist das Bayerische Rote Kreuz (BRK) die führende Hilfsorganisation in Bayern. Das BRK Ostallgäu betreibt in Füssen mit dem St. Martin, St. Michael und dem Heilig-Geist-Bürgerspital insgesamt drei von fünf BRK-Seniorenheimen im Ostallgäu. Dazu ist das BRK mit dem Unterhalt von  Rettungsdiensten vor Ort beauftragt. Das Bayerische Rote Kreuz deckt rund 80 Prozent des Rettungsdienstes in Bayern ab. Im Ostallgäu ist das BRK mit Rettungswachen in Füssen, Pfronten, Kaufbeuren und Marktoberdorf vertreten. Jede dieser Einrichtungen konnte bisher etliche Stellen mit Zivis besetzen, die die gemeinnützige Arbeit des BRK kostengünstig unterstützten.

Freie Stellen im Altenheim

Am 31. Mai beendete der letzte Zivi seine Arbeit im St. Michael. Er war als haustechnischer Helfer im Altenheim beschäftigt. Momentan ist der gelernte Schreiner hier noch ehrenamtlich beschäftigt, bis die Stelle neu besetzt werden kann. Im St. Michael ist gegenwärtig neben der Stelle des Hausmeistergehilfen noch ein Posten als Pflegekraft zu vergeben. Beide Stellen sind bisher durch Zivildienstleistende besetzt gewesen. Um dem drohenden Arbeitskräfteschwund entgegenzuwirken, möchte das Altenheim daher in Zukunft diese Posten mit freiwilligen Helfern im Rahmen eines FSJ oder des BFD ersetzen. Im Rettungsdienst Füssen sind ständig drei Stellen für Zivildienstleistende vorgesehen.

In diesem Jahr konnten im letzten Moment noch alle drei Stellen mit FSJ’lern besetzt werden, die zum 1. Juli ihren Dienst am Menschen antreten. Nach Aussage von Gunther Herold, Leiter des Rettungsdienstes Ostallgäu, hat man in den letzten Jahren bereits damit begonnen, die Zivildienstleistenden gänzlich durch FSJ’ler abzulösen. Grund dafür ist die konträre Entwicklung zwischen der einerseits immer weiter verkürzten Zivildienstzeit und den andererseits immer zeitintensiveren Ausbildungsvoraussetzungen für Fahrer im Rettungsdienst und Krankentransport. Man setzt darauf, diese Stellen zukünftig auch mit freiwilligen Helfern im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes besetzen zu können, da nun möglicherweise auch ältere Mitbürger mit mehr Fahr-Erfahrung eingesetzt werden könnten.
„Der Freiwilligendienst ist ab Juli die einzige Möglichkeit, die Zivis zu ersetzen, denn die Finanzierung für hauptamtliches Personal als Ausweg ist nicht gewährleistet, womit am Ende der Kunde, also alte und kranke Menschen, die Leidtragenden sind“, so Matthias Stroeher, Leiter des Altenheim St. Michael.

Neue Chance: Bundesfreiwilligendienst

Der BFD ist ähnlich aufgebaut wie das bewährte Freiwillige Soziale Jahr. Er steht aber im Gegensatz dazu nicht nur Interessierten bis zum 26. Lebensjahr, sondern allen Altersgruppen und beiden Geschlechtern offen. Er kann von Freiwilligen ab 27 Jahren wahrgenommen werden. Im Rahmen des BFD werden umfangreiche Fachkenntnisse im Zusammenhang mit zertifizierten Seminaren, die man entsprechend dokumentiert und bestätigt bekommt, erworben. Diese Kenntnisse kann man später auf vielfältige Weise nutzen. Sei es privat, für ein späteres Studium, beim Einstieg ins Berufsleben oder um einer drohenden Arbeitslosigkeit zu entgehen. Jedem BFD‘ler wird gesetzlich ein Taschengeld zugesichert, um das soziale Engagement  zu belohnen. Die jeweiligen Einsatzstellen entscheiden darüber, wie hoch dieses Taschengeld ausfällt. Die Höchstgrenze liegt bei 330 Euro. Der genaue Betrag richtet sich auch danach, ob in der Einrichtung zusätzlich noch FSJ’ler beschäftigt werden. In diesem Fall muss das Taschengeld des BFD in der selben Höhe des FSJ liegen. Die Arbeit erfolgt in Vollzeit, die Dienstdauer beträgt in der Regel zwölf Monate und kann auf 24 Monate verlängert werden. Berufskleidung, Unterkunft und Verpflegung können gestellt oder die Kosten ersetzt werden. Die Beiträge für die Sozialversicherung zahlt die Einsatzstelle, womit die BFD’ler aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden und nach Abschluss der zwölf Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld I erwerben. Auf Nachfrage bei Thomas Ossenbrunner von der BRK-Verwaltungsstelle Zivildienst in München wird über die Frage, ob die BFD’ler unter 27 Jahren auch ihren Anspruch auf Kindergeld behalten, noch zwischen den zuständigen Ministerien verhandelt. Wenn also in den kommenden Wochen alle Unklarheiten beseitigt sind, kann sich der Bundesfreiwilligendienst zu einem geeigneten Ersatz für den Zivildienst entwickeln – vorausgesetzt, der Dienst wird von den Bürgern in Anspruch genommen. Für die sozialen Einrichtungen ist er schon jetzt unverzichtbar. Nicht nur jüngere, auch ältere Menschen erhalten mit dem BFD die Chance, sich beispielsweise am Altenheim St. Michael in Füssen sozial zu engagieren, neue Perspektiven und Möglichkeiten zu erleben, die Wartezeit auf den Ausbildungs- oder Studienplatz zu überbrücken oder auch aus dem Netz der Bedürftigkeit zu entfliehen.

 

Text · Bilder: Sven Köhler

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