Menschen

Im Gespräch mit Bülent Saritas

Ein Spagat zwischen den Kulturen

Füssen.    Ausländer ist nicht gleich Ausländer, zumindest nicht dann, wenn man aus der Türkei kommt und Moslem ist. Die Kulturunterschiede werden als zu groß empfunden und das manchmal von beiden Seiten. Leben zwischen zwei Welten oder vielmehr zwischen zwei Kulturen, das kennen viele Gastarbeiterkinder, die hier in zweiter und dritter Generation leben. In der Schule und im Beruf passt man sich an, um zuhause wieder so zu leben, wie es die Väter, Mütter und Großeltern gewohnt sind. Nicht immer einfach für die jungen Menschen, die einen festen Lebensmittelpunkt brauchen.

Als Bülent Saritas nach Deutschland kam, war er vier Jahre alt. Das war im Oktober 1972. Er lebte mit seiner Familie im „Viertel“ in Füssen – in „Klein-Istanbul“, wo alle aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien ihre neue Bleibe fanden. „Kurze Zeit später sind wir in die Hintere Gasse gezogen, heute denke ich, dass es für uns gut war“, blickt der heute 42-Jährige zurück. Er und seine beiden Geschwister waren quasi Exoten, als sie in den Kindergarten kamen. Sie waren die einzigen türkischen Kinder. „Meine Eltern legten großen Wert darauf, dass wir unsere Kultur nicht vernachlässigen. Gleichzeitig wurden wir gefördert. Es war für sie wichtig, dass wir die deutsche Kultur kennenlernen. Der Religionsunterricht gehörte ebenso dazu. Ethik als Unterrichtsfach gab es zu meiner Zeit noch nicht.“ Als Bülent Saritas seinen Qualifizierten Schulabschluss machte, taten es ihm zwei Buben und zwei Mädchen aus seinem Heimatland gleich. Heute arbeitet er in seinem Beruf als Zerspannungstechniker. Mittlerweile ist er in der Firma, in der er seit 26 Jahren tätig ist, Abteilungsleiter geworden.

Andere Zeiten

„Klein Istanbul“ gibt es in Füssen immer noch. Die Häuser sind saniert, haben einen neuen Anstrich bekommen und die Jugendlichen haben sich verändert. Sie sind aggressiver geworden, unzufriedener, fordernder als ihre Eltern zuvor. „Die dritte Generation der damaligen Gastarbeiter ist noch mal einen Schritt zurück gegangen“, erklärt der Vater zweier Kinder. Warum das so ist, kann er nicht genau beantworten: „Vielleicht ist es der Halt, der ihnen fehlt, die unsichere Zukunft oder auch das Gefühl, nicht wirklich irgendwo dazu zu gehören.“ In der Türkei ist man ein „Deutscher“ und in Deutschland ein Türke. „Der jungen Generation fehlt es an Biss, Kampfgeist und dem Willen, etwas erreichen zu wollen. Damit meine ich nicht nur die türkischstämmigen Jugendlichen. Sie haben es tatsächlich etwas schwerer, weil sie sich weder hier, noch in der Türkei zuhause fühlen“, erläutert Saritas und fügt hinzu „man muss aus der Umgebung raus, um sich entfalten zu können und die Eltern müssen die Kinder fördern“.
1990 gründeten ein paar Eltern den Türkischen Elternverein. 1995 wurde der Türkische Elternverein durch Einsatz von Bülent Saritas und anderen Eltern mit eigener Satzung ins Vereinsregister eingetragen, der zwischen der Schule und ihnen vermittelt. „Die Eltern sehen, dass es wichtig ist, ihre Kinder zu fördern, damit sie eine feste Bahn im Leben haben. Sie haben gesehen und manche von ihnen haben es auch schmerzlich erfahren müssen, dass die Chance für eine gute Zukunft für ihre Kinder nur darin besteht, ihnen Bildung zu ermöglichen“. Der Elternverein hat es geschafft, dass es für manche Eltern selbstverständlich ist, sich zu engagieren, wie zuletzt, als die Sanierung der sanitären Anlagen der Grundschule bevorstand, die sie finanziell unterstützten. Strengen sich die Kinder in der Schule an und bringen ein gutes Zeugnis nach Hause, bekommen sie vom Elternverein ein Geschenk überreicht. „Es soll der Motivation dienen“, erklärt Bülent Saritas.

Ein Spagat

„Ich kann nur dann eine andere Kultur respektieren wenn ich meine eigene respektiere. Man muss auch offen sein für etwas Neues. Ich war immer offen, aber es ist schwierig, beide Seiten zu überzeugen – man muss sich seinen Leuten gegenüber rechtfertigen. Im Grunde genommen muss man standhaft sein und seinen Weg gehen“. Bülent Saritas ist seinen Weg gegangen. Als erfolgreicher Sportler im Tae Kwon Do, er war unter anderem mehrmals bayerischer sowie internationaler Meister in seiner Gewichtsklasse, trainiert er heute Kinder, Jugendliche und Erwachsene. „Ich habe mit elf Jahren dieser Sportart angefangen. Sport ist wichtig für die Kommunikation, damit man zueinander findet. Dadurch fallen die Barrieren weg“, zählt Bülent Saritas auf. 65 Prozent „seiner“ Schüler sind Deutsche. „Das ist für mich als Vorstand und Trainer ein positives Zeichen. Es beweist, dass man als ausländischer Trainer akzeptiert wird, das die Eltern vertrauen haben. Die Kinder selbst haben keine Berührungsängste, für sie ist es unwichtig, woher man kommt. Es zählt der Teamgeist. Ich selbst habe im Sport noch nie negative Erfahrungen gemacht, und ich trainiere seit 1990.“ Seit 1999 spielt Bülent Saritas Golf, eine Sportart, die in den 90er Jahren noch als elitär galt. „Ich mag Golfen, die wunderbare Natur, das konzentrierte Spielen – einfach ideal“, so der leidenschaftliche Golfer, der ein Handicap von sechs hat. Ob er typisch türkisch oder typisch deutsch ist, für Bülent Saritas ist das schwer zu beantworten: „Ich glaube ich bin von jedem etwas. Beide Kulturen haben mein bisheriges Leben geprägt. Ich bin ein Deutschtürke oder ein türkischer Aleman“.

 

Text · Bild: Sabina Riegger

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