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Jeder Tag ist eine Herausforderung

Unternehmerinnen mit Migrationshintergrund

Füssen. Mit 45 Jahren noch einmal die Schulbank drücken, das war für Nezihe Terzi noch vor ein paar Jahren unvorstellbar. Heute, mit 47 Jahren, ist die Mutter von zwei Kindern stolz darauf, dass sie sich getraut hat, einen neuen beruflichen Weg einzuschlagen. „Eigentlich bin ich ins kalte Wasser gesprungen. Wenn ich mehr Zeit zum Überlegen gehabt hätte, wäre ich wahrscheinlich immer noch am Grübeln, ob die Selbständigkeit das Richtige für mich ist“, erzählt die Friseurmeisterin.

Ihren Freundinnen hat sie es zu verdanken, dass sie sich für die Meisterschule in Ulm angemeldet hat. „Ich hatte anfangs furchtbare Angst, dass ich es nicht schaffen würde. Alle waren jünger als ich und ungebunden. Sie konnten am Wochenende zu Hause lernen. Auf mich wartete meine Familie und der Haushalt. Lernen konnte ich nur in der Schule“, so die Füssener Geschäftsfrau. Trotz Angst und Selbstzweifel schaffte sie ihre Prüfung mit 2,0. „Es war ein wunderbares Gefühl“, erinnert sie sich lächelnd. „Dabei hätte sie vor zehn Jahren schon in die Selbständigkeit gehen können“, erzählt Serap Mentes, eine gute Freundin und Geschäftspartnerin. Vor zehn Jahren war das für Nezihe Terzi nicht spruchreif. Ihr Fokus lag auf der Familie. Jetzt hat sie das erreicht, was sie immer wollte und das in einer Stadt, in der sie sich, wie sie selbst sagt, „so wohl fühlt“. „Es sind die Berge und die Landschaft, die mich so faszinieren. Ich bin hier zu Hause“, sagt sie lächelnd.

„Richtige Entscheidung“

In Nezihe Terzis Brust schlagen zwei Herzen. Das eine für die Türkei, ihr Heimatland, und das andere für Deutschland. „Da ist genug Platz für beide Länder“, sagt sie überzeugt. Mit drei Jahren kam sie nach Deutschland. Viele Freundinnen hat sie aus der Schulzeit immer noch. Eine davon ist Serap Mentes, eine Powerfrau, die Ideen sofort in die Tat umsetzt. „Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann will ich es umsetzen, sonst weiß ich nicht, wie es ausgegangen wäre, wenn ich es nicht probiert hätte“, so Mentes.

Ihr gemeinsames Projekt, Friseur und Kosmetik unter einem Dach anzubieten, hat sich seit über einem Jahr positiv bewährt. „Wir haben zufriedene Kunden und das macht uns glücklich. Wir haben den richtigen Weg gewählt“, so die beiden Geschäftsfrauen. Angeeckt angesichts ihrer Nationalität, wie es in manchen Städten der Fall ist, sind Nezihe Terzi und Serap Mentes in Füssen nicht. „Füssen ist überschaubar. Hier kennt fast jeder jeden und wir sind Füssenerinnen“, gibt Nezihe Terzi zu verstehen. „Leider denken viele, dass die türkischen Frauen in ihrem Lebensbereich eingeengt sind und keine oder kaum Freiheiten haben. Dabei gibt es sehr wohl viele türkische Frauen, die emanzipiert und modern sind“, erklärt Serap Mentes.

Einmal im Monat gehen die Frauen mit ihren Mitarbeiterinnen essen oder, wie es jetzt der Fall ist, zum „Gunglhos“, einem vergnüglichen Faschingsabend in Schwangau. „Meine Mädels waren da schon öfters, ich bin dieses Jahr das erste Mal dabei“, freut sich Nezihe Terzi. Dass sie alle verkleidet gehen, ist fast Ehrensache. „In unserem Beruf ist das ein Muss“, so der Kommentar der Geschäftsfrau.

Ob sie den Schritt zur Selbständigkeit wieder wagen würde? „Vom Arbeiten her auf jeden Fall, obwohl es viel zu tun gibt, damit meine ich auch das Organisatorische und Wirtschaftliche, das damit zusammen hängt. Man ist oft, um nicht zu sagen ständig, am Denken, was man besser machen kann. Es ist jeden Tag eine neue Herausforderung und dessen muss man sich bewusst sein. Wer das möchte, sollte nicht länger warten und den Schritt in die Selbständigkeit wagen.“

 

Text · Bild: Sabina Riegger

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