FrauenMenschen

Hoch über den Wolken

Flugkapitänin Beatrice Beyer

Hopfen am See. Mit der „Snur“ fing alles an. Da konnte Beatrice Beyer gerade mal laufen. Immer wieder schaute sie zum blauen Himmel und zeigte auf die „Snur“, bis ihr Vater mit hinaus ging und wissen wollte, was seine Tochter so begeisterte. Die so genannte „Snur“ war der Kondensstreifen der Flugzeuge, der das kleine Mädchen so faszinierte. Ihre Liebe zu den technischen Vögel der Lüfte war geboren. Heute ist Beatrice Beyer Kapitänin bei Condor und fliegt eine Boeing 757.

Wenn die 47-Jährige in der Schule ihren Berufswunsch äußerte, brachen alle in Gelächter aus. Eine Frau konnte Flugbegleiterin werden, aber nicht Pilotin, das oblag den Männern. „Es gab zu der Zeit, das war 1980, zu viele arbeitslose Piloten. Die Aussicht, dass eine Frau Pilotin werden könnte, war gleich Null“, erzählt Beatrice Beyer. Im Bekannten- und Familienkreis fand fast jeder ihren Berufswunsch absurd. Eine Frau in dieser absoluten Männerdomäne war einfach nicht denkbar. Einzig ihr Vater, ein Arzt, unterstützte sie in ihrem Vorhaben. Schließlich fanden sie in Zweibrücken eine amerikanische Highschool, die unter anderem auch einen militärischen Zweig anbot und sie damit berechtigte, sich als Pilotin ausbilden zu lassen. Amerika wäre die nächste Station gewesen, wenn sie nicht in Saarbrücken an einer privaten Schule die Möglichkeit dazu bekommen hätte, sich als Pilotin ausbilden zu lassen. „Nun konnte ich als Fluglehrerin arbeiten und meine weitere Ausbildung finanzieren“, erzählt sie rückblickend. Ihr Ziel war es, die ATPL (Airline Transport Pilot Lizenz) für den Verkehrsflug zu bekommen. 1986 bekam sie ihren Verkehrsflugzeugschein. Kurz darauf stellte City Lines Piloten ein und Beatrice Beyer war eine von ihnen. „Damals wurde eine neue Flotte mit einem neuen Flugzeug aus Brasilien aufgebaut. Es hieß „Brasilia“, Ich bekam ein Ticket und machte die Ausbildung auf der „Brasilia“. Für dieses Flugzeug gab es keinen Simulator. Es waren tatsächlich Echtflugstunden“, erinnert sie sich.

Jüngste Pilotin weltweit

Mit 22 Jahren war Beatrice Beyer die jüngste Berufspilotin weltweit und gleichzeitig eine sensationelle Geschichte für die Medien. „Der Umgang mit der Presse kostete mich viel Überwindung, weil das nicht so mein Ding war. Es war ein richtiger Hype. Unsere Kapitänin war eine Frau und wir waren die erste Frauen-Flotte überhaupt“, erzählt Beatrice Beyer. Als sie selbst kurz darauf Kapitänin der „Brasilia“ wurde, kannte sie bereits schon das ganze Prozedere und den Presserummel. Ein Jahr flog sie die „Brasilia“ bis sie beschloss, sich bei Condor zu bewerben. „Die ‚Brasilia‘ gab es dann nicht mehr. Man bot mir an, eine Fokker 50 zu fliegen. Sie hat mir optisch nicht gefallen. Es ist ein Hochdecker und schaut aus wie ein Hängebauschwein“, lacht Beatrice Beyer. Mit 29 Jahren war die pferdebegeisterte Pilotin die erste Frau im Lufthansa-Konzern, die Kapitänin wurde. Heute fliegt sie eine Boeing 757 und 767. Das sind Flugzeuge, die für Kurz- und Langstreckenflüge eingesetzt werden.

Die Ausbilderin

Wer sich heute bei Condor bewirbt, kommt an Beatrice Beyer nicht vorbei. Die attraktive Frau ist Ausbildungskapitänin. „Ich bilde jetzt die Leute aus, die sich bei Condor bewerben und nehme die Überprüfungsflüge im Simulator ab. Das sind Prüfungen, die regelmäßig angesetzt werden und die jeder Pilot machen muss“, so Beatrice Beyer.

 

Mit so einem Beruf kommt man viel auf der Welt herum. Wo waren Sie bislang noch nicht? Australien und Neuseeland, sonst fällt mir nichts ein. Vielleicht noch äußerste Ziele in Ostasien.

Sie leben ein Leben in ständiger Bewegung. Gibt es da noch Platz für Freundschaften? Ja, aber es ist ein sehr kleiner Freundeskreis. Die Freizeit ist sehr schwierig zu planen, weil es keine Regelmäßigkeit gibt. Es ist alles arhythmisch. Ich bekomme meinen Dienstplan am 27. des Monats, erst dann kann ich planen. Man muss sehr flexibel bleiben.

Sind Sie ein Genussmensch? Nein, das würde ich nicht sagen. Ich genieße es hier in dieser Gegend zu wohnen, weil sonst würde ich in Stuttgart leben. Ich habe vieles gesehen, aber am schönsten ist es hier. Hier bin ich richtig angekommen. Es ist das Zuhause, das ich gesucht habe.

Gibt es noch etwas, das Sie beim Fliegen noch beeindrucken kann? Vieles. Die Sonnenaufgänge, die Polarlichter oder der Sternschnuppenregen, die man nur im Cockpit erleben kann. Das ist faszinierend. Es sind die Naturschauspiele. Im Cockpit sehen die Gewitterwolken ganz anders aus. Dann muss man sich richtig damit auseinandersetzen.

Hatten Sie schon mal Angst beim Fliegen? Angst nicht, aber viel Respekt. Es waren sehr starke, böige Winde, Orkane. Wir dürfen nur ab einer bestimmten Windstärke landen. Dieser Wind war so unruhig, dass er uns im Endanflug sehr gebeutelt hat. Das ganze Steuer wurde geschüttelt, da wird es einem ganz anders. Es sind Sekunden, aber einem selbst kommt es vor wie eine Ewigkeit. In diesen paar Sekunden denkt man viel und es ist erstaunlich, was man alles denkt.

Was hat für Sie im Leben immer schon eine Bedeutung gehabt? Gewisse Werte, die leider nicht mehr im Vordergrund stehen. Das sind zwischenmenschliche Beziehungen, das Miteinander. Mensch sein rückt immer mehr in den Hintergrund. Da fühle ich mich in die Pflicht genommen, etwas zu tun. Es fehlt mir das in Würde alt werden. Da sehe ich noch viel Bedarf, um das noch zu verbessern. Wir haben die Technik, aber das Menschliche geht verloren.

Meine Schlussfrage: Wie fühlt es sich an, wenn die Passagiere nach erfolgreicher Landung applaudieren? Ich höre den Applaus gar nicht. Das ist schade. Die Flugbegleiter sagen mir dann, wie der Applaus war.

 

Text: Sabina Riegger
Bilder: Sabina Riegger, privat

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024