Fit & WellLeben

Neues Wohnmodell für Pflegebedürftige ein voller Erfolg

Eine positive Bestandsaufnahme

Schwangau.   Seit September 2007 gibt es die erste Seniorenwohngemeinschaft schwabenweit, die fünfte in Bayern überhaupt. Bis heute gehört Initiator Ferdinand Griesmann mit diesem Ansatz ganz nah am Menschen damit zu den Vorreitern. Erfahrungen aus den ersten beiden Jahren bestätigen dieses zukunftsweisende Konzept.Das lässt auf Nachahmer hoffen. Initiator Ferdinand Griesmann, Evi Griesmann, eine Mitarbeiterin ihres Pflegedienstes „Pflege mit Herz“ und eine Angehörigenfamilie geben Auskunft in fit & well und unterstreichen dies.

Ferdinand Griesmann „Der Start ist geglückt“
Dieses positive Resümee kann Ferdinand Griesmann in Rückschau auf zwei Jahre ambulante Wohngemeinschaft ziehen. In den meisten Fällen sei der Ortswechsel in das neue Zuhause nicht mit nennenswerten Schwierigkeiten verbunden gewesen. Bewährt habe sich der stufenweise Einzug durch den die Präsenzbetreuer für die ersten Bewohner ausreichend Zeit in deren Eingewöhnungsphase hatten. „Schwieriger sei es dann schon für die letzten WG-Bewohner gewesen, die sich ihren Platz in der bereits bestehenden Gruppe erst neu „erobern“ mussten“, erinnert sich Griesmann an den Anfang.
Wohngemeinschaften für Demenzkranke sind als neue Wohnform in der Diskussion. Die Mehrheit der Älteren möchte, wenn bei steigendem Hilfebedarf ein Verbleib in den eigenen vier Wänden nicht mehr möglich ist, in der Nähe der Angehörigen bleiben. Gerade im Fall einer Erkrankung an Demenz bevorzugen die Menschen ein persönliches und familiäres Wohnen, eingebunden in ein funktionierendes Angehörigen- und Freiwilligen-Netzwerk. Soviel zu den Erkenntnissen aus der Arbeit im Pflegedienst „Pflege mit Herz“ seit nunmehr fünf Jahren, weiß Griesmann aus der Praxis. Trotz einer Novellierung des Bayerischen Heimgesetzes bestünden jedoch noch zu viele Unklarheiten und mangelnde Planungssicherheit. Das erkenne man am Besten daran, dass alle bayerischen Projekte unterschiedliche Finanzierungsmodelle „geboren“ hätten, die permanent mit den Kostenträgern diskutiert und im Einzelfall auch „ausgefochten“ werden müssten, fasst Griesmann zusammen. Dabei seien viele der „Scheingefechte“ gar nicht notwendig, weil die ambulante Abrechnung von Pflege- und Betreuungsangeboten ja nicht neu zu erfinden gewesen sei. „Die Menschen haben einen gesetzlichen Anspruch auf diese Leistungen. Genauso wie bei häuslicher Pflege hat man die Möglichkeit, die individuellen Kosten für sich selbst zu beeinflussen.“

Geld ist nicht alles

Derzeit gelinge es, die Gesamtkosten je Bewohner unter den vergleichbaren Kosten einer stationären Versorgung zu halten, bilanziert Griesmann. Das muss nicht auf Dauer so sein, da der Mensch und seine Bedürfnisse stets im Mittelpunkt steht und sich die Kosten am tatsächlichen Aufwand bemessen. Aber im Moment sei ein wichtiges Zwischenziel für den Erfolg des Konzeptes erreicht, das sich an der Wohn- und Betreuungsqualität, also der Lebensqualität der Bewohner messen lassen muss. Dabei dürfe der Kostenaspekt auch im Hinblick auf die Interessen der Bewohner und ihrer Angehörigen nicht außer Acht bleiben. Eine praktikable und transparente Lösung einheitlich für Bayern müsse deshalb insgesamt das Ziel sein. Eindeutiger politischer Wille und entsprechende Regelungen in Heimgesetz und Pflegeversicherung könnten der ambulanten Versorgung endlich auch in der Praxis den vorrangigen Stellenwert einräumen, der schon seit Inkrafttreten der Pflegeversicherung im Gesetz formuliert ist. Noch Zukunftsmusik und doch wagen die Verantwortlichen in Schwangau einen Ausblick: „Die Schwangauer Seniorenwohngemeinschaft ist seiner Zeit voraus. In wenigen Jahren jedoch werden Wohngemeinschaften nichts Besonderes mehr sein, sondern zum Regelangebot in der Altenhilfelandschaft gehören.“

Evi Griesmann – Pflege mit Herz  –   Ein Tag Überraschungen

Denn einen festgelegten, immer geltenden Tagesablauf gibt es eigentlich nicht. Natürlich beginnt der Tag mit einem Frühstück, aber zwischen Frühaufstehern und Langschläfern liegen gelegentlich Welten, berichtet die Inhaberin von „Pflege mit Herz“. Während die einen noch im Bett liegen und träumen, sind die anderen schon mit dem Frühstück beschäftigt. Es kann schon 11.30 Uhr werden bis die Letzten gegessen haben. Dann heißt es abräumen, abwaschen, abtrocknen und aufräumen. Jeder hilft seinen Fähigkeiten entsprechend mit.

Der Grundgedanke
dieser besonderen Wohnform ist der Erhalt von Fähigkeiten und die weitestgehende selbstbestimmte
Lebensweise der Mieter. Natürlich kann dabei etwas schief gehen, weiß die engagierte Betreuerin. Zum Beispiel kann es schon mal passieren, dass der gedeckte Tisch abgeräumt wird, bevor gegessen wurde. Überhaupt sei das Auf- und Umräumen eine der beliebtesten Tätigkeiten. „Zur Freude der Präsenzkräfte, die dann alles wieder zusammensuchen müssen“, sagt Evi Griesmann mit einem Augenzwinkern. Es komme zudem regelmäßig vor, dass anstatt Nudeln etwa ein Brötchen im kochenden Wasser landet. In solchen Momenten ist es gut, dass immer jemand vom Präsenzteam anwesend ist, der dann eingreifen und weitere Unterstützung geben kann. Kochen des Mittagessens, 14 Uhr Kaffee, Abendessen … ein gewisser Zeitrhythmus ist wichtig für die Tagesstruktur und Orientierung der an Demenz erkrankten Mieter. Singen, basteln, das Gedächtnis trainieren oder „Mensch ärgere dich nicht“, das Präsenzteam lasse sich immer etwas Neues einfallen. Bis der letzte Bewohner zu Bett geht und am nächsten Morgen „Ein neuer Tag in der Wohngemeinschaft“ beginnt.

 

Eine Pflegedienst-Mitarbeiterin –   Noch keinen Tag bereut

„Ich kenne mich hier nicht aus! Wo bin ich denn? Alles ist anders. Da stimmt was nicht, ich gehe jetzt heim. Wir Mitarbeiter der WG können nur erahnen, was im Kopf von dementen Menschen vorgeht. Auf einen Schlag wurde uns bewusst, dass unser Arbeitsfeld größere Dimensionen erreicht hat als die traditionellen Aufgaben einer Sozialstations-Schwester“, schildert eine Pflege mit Herz-Mitarbeiterin stellvertretend. Die Pflegekräfte ergänzen das Präsenzteam und sind maßgeblich verantwortlich für Pflege und medizinische Leistungen. Neu dabei sei, dass durch das vertrauensvolle Zusammenwirken von Angehörigen, Bewohnern und Team Gemeinschaftserleben in einer gebundenen, familiären Atmosphäre entstehe. Dabei seien die Mitarbeiter dankbar für das große Vertrauen und die solide Basis zum Erfolg, die so nach und nach entstanden ist. Spannend dabei die alltäglichen Anforderungen, die das Krankheitsbild Demenz mit sich bringe. „Wir möchten dem herausfordernden Verhalten der Bewohner richtig begegnen und dabei das richtige Maß an Zuwendung und Unterstützung finden. Wie man sich leicht vorstellen kann, fühlen wir uns als Bezugsperson unserer Bewohner rund um die Uhr beschäftigt, aber auch sehr wohl. Und sie danken es mit ihrer Zuneigung, Streicheleinheiten und immer wieder mit einem strahlenden Lächeln“, beschreibt die Pflegekraft ihre Eindrücke.

Eine Angehörigen-Familie –  Nur etwas für junge Leute?

„Die Erfahrung der letzten Monate seit unsere Mutter im Haus lebt, haben uns in unserer Entscheidung bestätigt und wir sind froh, beim Projekt „WG für Demenzbetroffene“ mitwirken zu dürfen.“ Dieses Resümee gibt eine Angehörigenfamilie zu Protokoll, deren Mutter Mitte November 2008 eingezogen ist. Lange Informationsgespräche hatten sie im Vorfeld beeindruckt. Leider gebe es viel zu wenig vergleichbare Einrichtungen und dementsprechend (zu) viele Interessenten für einen Platz.

Eine ambulante Wohngemeinschaft
für Demenzbetroffene, darunter konnten sich die Angehörigen erst einmal gar nichts vorstellen. „Für jung gebliebene Senioren, das mag ja gerade noch gehen. Aber wie soll das mit Demenzkranken funktionieren“, fragten sie sich weiter. „Doch es geht sehr gut, wie wir mittlerweile aus eigener Erfahrung erzählen können“, geben sie heute selbst die Antwort. Ihre an Alzheimer erkrankte Mutter wohnt seit November 2008 in der Schwangauer Senioren-WG. „Wia dahuam“, wie sie prägnant beschreiben. Nach der Diagnose im Herbst 2003 versuchten sie ihrer Mutter so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung ein weitestgehend selbständiges Leben zu ermöglichen. Als es nicht mehr ging, hat ihnen die Alternative Pflegeheim jedoch nicht behagt.

In der WG habe die Mutter nun ein schön eingerichtetes Zimmer und auch die gemeinsamen Wohnräume werden durch Möbelstücke der Bewohner noch heimeliger. „Das Pflege- und Betreuungspersonal kümmert sich rührend um die Bewohner und ist stets bemüht, sie so weit möglich in die alltäglichen Verrichtungen einzubeziehen“, freuen sich die Kinder der 69-Jährigen. Essen vorbereiten, Tisch decken … man spüre wie wichtig das Gefühl ist gebraucht zu werden. Ebenso wie die Förderung durch Spielen, Rätseln, Basteln und Vorlesen. Daneben seien die Angehörigen gefordert. Regelmäßige Sitzungen behandeln mit den Verantwortlichen des Pflegedienstes und den Vermietern Fragen zum Wohl und Erhalt der WG. Dazu übernehmen Angehörige gewisse hauswirtschaftliche Tätigkeiten wie Hausmeister-, Reinigungs- und Gartenarbeiten. Das unterstreicht eine wesentliche Tatsache: Die Bewohner sind Mieter und das ist lebendiger Ausdruck des größtmöglichen Erhalts von Selbstständigkeit und Selbstbestimmung.

 

Kontakt:

Evi Griesmann Müchner Straße 5 * 87645 Schwangau 

Tel. 08362/9298-21

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