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Meine Welt ist hell „Sehen“ mit anderen Sinnen

Angelika Manns Welt ist dunkel und doch hell genug um sich an vielen Sachen zu erfreuen. Das was andere sehen, erfühlt sie. Noch bevor ein Sehender ein Geräusch bewusst wahrnimmt, hört es die
49-jährige. Seit 13 Jahren ist die Kaufbeuerin blind. Als Kind sah sie bereits sehr schlecht. Sie hatte das kindliche Glaukom, auch grüner Star genannt. Dass sie irgendwann einmal ganz erblinden würde, wusste sie und dennoch verkroch sie sich drei Jahre lang im Haus, weil sie mit sich selbst nichts anzufangen wusste. Das Resultat: 15 Kilo mehr Körpergewicht und große Unsicherheit.Heute ist Angelika Mann eine selbstbewusste Frau, die eine Selbsthilfegruppe für Sehbehinderte und Blinde leitet. „Als ich vor 13 Jahren erblindete kam ich mir sehr verloren vor. Meine Kinder waren zu der Zeit in der dritten und ersten Klasse. Ich konnte ihnen nicht mehr bei den Hausaufgaben helfen, sie mussten schnell selbstständig werden. Es war weder für mich noch für die Familie einfach“, erinnert sich Angelika Mann zurück. Diktate lasen sich die Kinder untereinander vor und wenn sie sich auf Vokabeln vorbereiten mussten, sprachen sie diese auf ein Diktiergerät. Angelika Mann übertrug sie dann in Blindenschrift und konnte so die Kinder abfragen.

Als junges Mädchen wollte die zweifache Mutter unbedingt Erzieherin werden. Nach der Hauptschule ging sie nach Augsburg auf eine Realschule für Sehbehinderte und Blinde. Nach ihrem Abschluss bewarb sich Angelika Mann an vielen Schulen, doch immer erfolglos: „Es hieß immer sie wollen keine Sehbehinderte“. Schließlich fand sie in Krombach an der Fachakademie für Sozialpädagogik einen Ausbildungsplatz. Sechs Jahre arbeitete sie als Erzieherin. Als sie ihre Kinder bekam, konnte sie noch sehen. „Es wäre schön, wenn ich meine Kinder sehen könnte – aber es ist nicht notwendig, weil das Gefühl bleibt ja füreinander bestehen“, erklärt sie. Die Beziehung zu ihren Kindern ist innig. „Sie sind froh, dass es mir gut geht. Ich halte sie nicht fest, sie müssen ihre eigenen Wege gehen“, erklärt sie.

Hilfe ist notwendig
Viele Dinge die sie machen möchte dauern länger als bei einem Sehenden. Dennoch ist Angelika Mann froh, dass sie einiges alleine bewältigen kann. „Ich stoße dennoch an meine Grenzen, dann brauche ich Hilfe“. Die bekommt sie von ihren Kindern, Freunden und Bekannten. Regelmäßig geht sie mit einer Freundin schwimmen oder abends laufen. Beim Einkaufen braucht sie keine Hilfe genauso wenig wie beim Kochen. Verkochen oder anbrennen kann nichts, weil jede Viertelstunde die Uhr die Zeit ansagt, ob in der Küche oder im Wohnzimmer. Allerdings muss alles auf seinem Platz sein. Im Haus braucht sie den Blindenstock nicht. „Beim Mobilitätstraining lernte ich mit dem Stock umzugehen und mit ihm zu „sehen““. Heute fährt Angelika Mann mit dem Zug alleine nach München, Füssen oder auch Kempten. Für sie war es wichtig sich am Bahnhof alleine orientieren zu können. Die Ohren und der Stock sind dabei ihre „Augen“. Eine kurze Unaufmerksamkeit am Bahnhof, könnte sie durchaus das Leben kosten, deshalb ist höchste Konzentration sehr wichtig.

Langweile kommt bei Angelika Mann nicht auf. Zur Zeit liest sie den Roman „Tannöd“,  wenn es ihr möglich ist geht sie auch mal Tanzen mit Freunden, backt Kuchen oder „schaut“ am Abend Fernsehen. „Das ist für mich sehr wichtig. Ich höre mir die Nachrichten an oder auch mal einen Film. Mit Audiodiskreption ist das heutzutage kein Problem mehr“, klärt sie auf. Mit ihrer zusätzlichen Qualifizierung als Blinden- und Sehbehindertenberaterin hat Angelika Mann auch eine Verantwortung übernommen, die ihr sehr viel Spaß macht. Seit kurzem kann sie mit den Mitgliedern und Freunden auch per E-Mail Kontakt halten. „Für mich bedeutet das wieder ein Stück Freiheit mehr“, freut sich Angelika Mann, deren Lebenscredo heißt: Unsere Welt ist nur so dunkel wie wir es zulassen.
Informationen

Jeden 2. Dienstag treffen sich die Blinden und Sehbehinderten in Kempten von 14 bis 16 Uhr im „Hotel am Turm“. In Füssen trifft man sich jeden 2. Mittwoch von 14 bis 16 Uhr im Treff-Hotel.
Mehr Informationen gibt es bei der Bezirksgruppe in Kempten, Hirnbeinstraße 8
Telefon 0831/23310

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