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Wie unterstützt Harl.e.kin Eltern von Frühchen?

Dr. Renate Berger koordiniert bayernweit ein erfolgreiches Nachsorgeprojekt

„Heute Vormittag nach unserem Gespräch erledige ich Arbeiten im häuslichen Büro“, so Dr. Renate Berger. Der Schreibtisch der Ärztin steht im Weidach. Ihren beruflichen Aufgaben – „viele fachliche Gespräche im Team“ – stellt sich die Ärztin regelmäßig auch in Kaufbeuren. Denn sie war es, die „Harlekin“ hierher ans Klinikum gebracht hat.

Harlekin ist ein Erfolgsmodell, dessen Zukunft in finanzieller Hinsicht nach ihren Angaben bis einschließlich 2010 durch die Förderung des Bayerischen Sozialministeriums gesichert ist.  Die spezialisierten Kinderkrankenschwestern können gemeinsam mit Ärzten und einer erfahrenen Psychologin der Frühförderstelle Kaufbeuren die Ostallgäuer Familien mit „Risikobabys“ auch weiterhin durch Rat und Tat gezielt unterstützen. „Das ist für alle, die Eltern und unser Harlekin-Team, eine wirklich gute Nachricht“, betont die Ärztin, die 1989 nach Füssen gekommen ist. Sie stammt aus Dachau und arbeitete früher „eher medizinisch theoretisch“ an der Arbeitsstelle Frühförderung in München und dann ganz praktisch am Behandlungszentrum der Hessing Stiftung in Augsburg.Heute kann Dr. Renate Berger ihre Erfahrungen aus Theorie und Praxis der Therapie und der Förderung von entwicklungsauffälligen oder behinderten Mädchen und Buben gut miteinander in Einklang bringen und ihre Kolleginnen im Nachsorge-Team mit Tipps unterstützen. Sie  erläutert: „Harlekin ist ein Modellprojekt. Es dient zur Nachsorge für Frühgeborene und Risikobabys direkt nach der Klinikentlassung. Betreut werden Säuglinge, die zu früh auf die Welt kommen oder bei Geburt ernst erkrankt sind, zum Beispiel nach der Geburt künstlich beatmet oder mit einer Sonde ernährt werden müssen.“ Das Projekt, das den Namen seinem Geburtsort München-Harlaching verdankt, ist in den letzten Jahren zum beruflichen Schwerpunkt von Dr. Renate Berger geworden. „Zwar arbeite ich weiterhin entwicklungsneurologisch in meiner Praxis. Aber die ist sehr klein. Ob Harlekin oder Praxis, mein berufliches Hauptinteresse liegt schon immer ganz eindeutig in der Arbeit für Kinder mit Entwicklungsproblemen und ihren Eltern und daran hängt auch mein Herz.“ Sie erläutert: “ Als ich am Ende meines Medizinstudiums in München mit der ärztlichen Versorgung von Kleinkindern in Berührung kam und erstmals klinische Entwicklungsbeobachtung und Frühförderung kennen lernte, erkannte ich  sehr schnell: Das ist ein Gebiet der Medizin, das mich anspricht. Es war für mich ein Schlüsselerlebnis, ich war begeistert – und bin es noch heute!“
Mit „Harlekin“ ist eine doppelte Herausforderung  verbunden, die Dr. Renate Berger reizt. „An großen und kleineren bayerischen Kinderkliniken wird das im Jahr 2003 gestartete Pilotprojekt unter der wissenschaftlichen Leitung der Arbeitsstelle Frühförderung Bayern weitergeführt. Das Besondere an der Harlekin-Nachsorge ist die frühe fachliche Verknüpfung von Neugeborenenstation und Frühförderstelle“, berichtet sie. So auch zwischen der Kinderklinik am Klinikum Kaufbeuren und der Frühförderstelle Kaufbeuren-Ostallgäu. „Ich bin für die Projektkoordination verantwortlich.“ Wenn kindliche oder elterliche Unsicherheiten nach einer Früh- oder Risikogeburt bestehen, beraten und betreuen fünf spezialisierte Kinderkrankenschwestern in Zusammenarbeit mit der Psychologin Rita Nicola als Mobiler Dienst der Frühförderstelle die Familien aus der Region direkt nach der Klinikentlassung, flexibel und individuell angepasst. 2008 wurden von der Harlekin-Nachsorge 20 Familien betreut, das sind zehn Prozent aller früh- oder risikogeborenen Kinder, die im Klinikum Kaufbeuren geboren wurden. „Das Team stützt die Eltern beim Übergang in den häuslichen Alltag mit ihrem Kind.“ Ziel der Kombination aus der pflegerischen und psychosozialen Beratung sei, die seelisch oft stark verunsicherten und belasteten Eltern zu stützen und ihre Kompetenzen im Umgang mit dem zu früh oder auch (schwer) krank geborenen Kind zu stärken und damit für die bestmögliche Entwicklung des Mädchens oder Buben  zu sorgen.
„Eine Frühgeburt stellt immer sehr hohe Anforderungen an die gesamte Familie“, betont die Ärztin, „erst recht wenn zum Beispiel Eltern sehr jung sind, eine Mutter alleinstehend ist, wenn schon Geschwister in der Familie leben, für die dann die Zeit fehlt, oder wenn andere Sorgen und Nöte die Eltern zusätzlich belasten.“
Die Krankenschwester, die das kranke Baby auf der Intensivstation betreut hat, bleibe für die Eltern weiterhin die vertraute Ansprechpartnerin. „Sie kommt zu den Familien nach Hause, wenn dies Wunsch der Eltern ist. Zuständig für die fundierte entwicklungspsychologische Beratung ist meine erfahrene Kollegin Rita Nicola. Denn ein positiver Beziehungsaufbau ist für die frühkindliche Entwicklung besonders wichtig.“ Aber zu früh geborene oder kranke Kinder sind viel schneller von Reizen überfordert als ein reif und gesund geborenes Baby, meist schwerer zu beruhigen, zu füttern und zu verstehen in ihren Signalen. Die Mitarbeiterinnen der Harlekin-Nachsorge stärken die Eltern durch eine sensible Anleitung im Umgang mit ihrem „schwierigeren“ Kind, damit sie allmählich wieder Sicherheit  und Zutrauen zu sich und ihrem Baby gewinnen und trotz der Belastungen Stolz und Freude im Kontakt mit ihrem Kind empfinden können.
Text/Bild: bh

 

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