Kolumne

Unterwegs

Ich freue mich. Das mache ich jedes Mal. Jedes Mal, wenn mein Mann und ich zusammen in die Stadt gehen. Ich meine bummeln. Ich bin romantisch. Ein bisschen naiv vielleicht auch. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich zu viele dieser kitschigen „Wir schlendern total verliebt und engumschlungen durch die Walisische Altstadt, bevor wir uns dann später in unserem verwilderten Cottage bei einer Tasse Earl Grey die ewige Liebe schwören“-Filme gesehen habe. Und die enden meistens auf dem Boden. Vor dem knisternden Kamin. Mit Schweißperlen am Körper und beschlagenen Fenstern. Und einem „Ohh, ist das schön“ von mir, und einem „Was für ein Scheiß“ von meinem Mann.

Das Problem ist also: Fiktion und Realität. Trotzdem. Es ist doch nichts unmöglich. Oder anders gesagt, alles ist möglich. Klar, wahrscheinlich wird meine Abneigung für Earl Grey nicht auf einmal verschwinden und Zuhause wird wahrscheinlich auch kein knisternder Kamin auf uns warten – wodurch sich die Sache mit dem Boden und den beschlagenen Fenstern automatisch erledigt hat. Aber es könnte doch sein, dass wir Arm in Arm, tiefenentspannt und liebestrunken durch verwinkelte Gassen ziehen, kleine Flagshipstores erkunden und später in einem versteckten Café Marokkanischen Datteltee trinken und den Tag ausklingen lassen.
Es könnte aber auch sein, dass wir 40 Minuten lang einen Parkplatz suchen. Ich in einen gigantisch großen Hundehaufen trete, dessen Geruch zwischen den Rillen meiner Sohle einen engen Körperkontakt zwischen meinem Mann und mir unmöglich macht. Und später stehen wir dann da. Schweißgebadet in einem dunklen, stickigen Klamottenladen, mitten in der restlos überfüllten Innenstadt.

Die Elektro-Musik dröhnt so laut aus der Decke, dass wir eine Grundsatzdiskussion über „Warum Frauen Anziehsachen durch den Laden schleppen, obwohl sie nicht mal sicher sind, ob Ihnen die Sachen überhaupt gefallen“ brüllend führen müssen. Auf unserem Höhepunkt werden wir unterbrochen. Die Musik ist aus. „Janine bitte an Kasse eins – Janine bitte. Danke!“

Und dann ist er da, der „Harry und Sally-Moment“, der alles vernichtet. Laut und ungeniert:
„Ich rieche nach Hundedreck, also lass mich mit Deinen Thesen, warum ich Klamotten rumtrage, die mir vielleicht gar nicht gefallen, endlich in Ruhe!“
„Die Musik ist aus, Schatz!“
Und das könnte vermutlich der Moment sein, indem wir jetzt doch lieber auf Bonny und Clyde machen und das Weite suchen. Und das versteckte Café…

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