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Wie ticken Sie?

Frühaufsteher, Langschläfer, sozialer Jetlag: Die innere Uhr bestimmt unser Leben auf allen Ebenen

Kleine Kinder sind meist schon im Morgengrauen gnadenlos drauf. Jugendliche dagegen laufen erst am Abend zu Hochform auf. Lerche, Eule oder normal: Welcher Chronotyp man ist, das pendelt sich erst im Erwachsenenalter ein. Das Institut für Medizinische Psychologie (IMP) an der Ludwig-Maximilians-Universität gilt als eines der führenden internationalen Zentren für chronobiologische Forschung in Deutschland. Fundamentale Forschung, die immer wichtiger wird, weil unsere Lebensweise immer stärker mit unserer biologischen Innenuhr kollidiert. Das hat direkte Auswirkungen auf die Gesundheit. Füssen aktuell sprach mit Prof. Dr. Till Roenneberg.

Lerche, Eule, Normaltyp – was ist was?

Es gibt Eulen und Lerchen, doch diese Begriffe führen zu falschen Vorstellungen. Das Spektrum reicht von der extremen Lerche zur extremen Eule. Eine extreme Lerche wacht morgens sehr früh von selbst auf und ist fit und fällt abends um acht Uhr um. Davon gibt es sehr wenige. Von einer extremen Eule spricht man, wenn jemand morgens um vier ins Bett geht und bis mittags schläft. Dazwischen gibt es alles in einer Glockenkurve – an deren Gipfel die Chronotypen meist um vier Uhr früh ihre Schlafmitte erreichen. Viele Leute schlafen abends um sechs Uhr auf dem Sofa ein. Wenn sie dann später tatsächlich schlafen gehen, klappt das nicht mehr, weil sie eigentlich ein Spättyp sind, aber um sechs Uhr früh raus müssen. Wichtig: Man sollte immer nur im Bett schlafen.

Wie ist das mit der inneren Uhr?

Da laufen viele sogenannte circadiane Rhythmen ab, der Schlaf-Wach-Rhythmus ist der bekannteste. Am Zustandekommen dieser Zyklen sind, wie an allen biologischen Funktionen, Proteine beteiligt, die in Genen kodiert sind. Es gibt Variationen, wie etwa auch bei der Augenfarbe. Diese Varianz sehen wir immer dann, wenn Leute schlafen würden, wann sie es könnten. Die innere Uhr wird über die Augen über Licht und Dunkelheit informiert. Aber wir modernen Menschen haben sehr schwammige Bedingungen. Denn wir sitzen tagsüber nur drinnen, mit maximal 400 Lux statt 10.000 bis 150.000 Lux draußen, und nachts machen wir Licht. Doch die innere Uhr ist gewöhnt, dass sie ab Sonnenuntergang in der Dunkelheit ist. Der Tag-Nacht-Wechsel ist weggefallen, die innere Uhr rutscht dadurch nach hinten. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung können daher an Arbeitstagen nur noch mit Wecker rechtzeitig wach werden, viele drücken mehrmals die Schlummertaste.

Das führt zum sozialen Jetlag…

Ja, wir wohnen biologisch in einer ganz anderen Zeitzone als wir es sozial tun. Diese Diskrepanz zwischen der inneren Uhr und der gesellschaftlichen Uhr mit starren Arbeits- und Schulzeiten kann handfeste Folgen haben. Für Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Wer chronisch müde ist, wird dicker, dümmer. Studien haben gezeigt, dass Schichtbetrieb extrem ungesund ist. Die direkten und indirekten Folgen von allem, was mit Schlaf zu tun hat, werden mittlerweile auf 1-2 % des Bruttosozialproduktes geschätzt. Sozialer Jetlag ist auch ein Produktionsproblem. Wenn ein Arbeitnehmer zu seinem Arbeitgeber sagt, ich würde gern um 10 und nicht schon um 8 kommen, dann sagt er ja nicht, ich bin faul. Er sagt etwas ganz anderes, nämlich, ich möchte dem Arbeitsprozess meine beste Zeit geben. Und das auch noch nach einer gut ausgeschlafenen Nacht. Da müsste ein Umdenken stattfinden, doch davon sind wir weit entfernt.

Chronologie
(von griech. Chrónos = Zeit und Biologie = Lehre der belebten Natur): Das entwicklungsgeschichtlich uralte Zeitsystem der biologischen Uhr erzeugt, von Einzellern bis zum Menschen, einen „Innentag“. Dieser regelt alle Funktionen des Organismus im Tagesablauf – vom An- und Abschalten einzelner Gene über die Ausschüttung von Botenstoffen und Hormonen bis zum Verhalten, einschließlich unserer körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Diese Uhr muss täglich justiert werden, das geschieht fast ausschließlich über Licht und Dunkelheit. Obwohl sich die innere Uhr eines gesunden Menschen exakt mit dem 24-Stunden-Tag synchronisiert, ist der Zeitpunkt gegenüber dem Licht-Dunkel-Wechsel höchst individuell. Das ergibt die sogenannten Chronotypen.
Dieser Individualität liegen genetische Disposition, jeweilige Lichtexposition, aber auch Veränderungen mit dem Lebensalter zugrunde. Die Masterclock sitzt im Gehirn, eine Ansammlung von Nervenzellen, der Suprachiasmatische Nukleus, kurz SCN genannt.

Human Sleep Project
Wie der echte natürliche Schlaf aussieht, wie gut oder wie schlecht ein Schlaf war, das weiß die Wissenschaft noch nicht. Prof. Dr. Till Roenneberg will die Forschung aus dem Schlaflabor herausholen und konzentriert sich mit Wissenschaftlern und Einrichtungen auf ein einzigartiges internationales Project: das Human Sleep Project, HSP genannt. Weltweit sollen bei Teilnehmern mit speziellen Messgeräten am Handgelenk (ähnlich einer Armbanduhr) die Aktivitäten erfasst und ausgewertet werden. Ziel ist, ein objektives Maß für Schlafqualität zu entwickeln.
Twitter: @TillRoen

Welcher Typ sind Sie?
Wenn Sie wissen wollen, welcher Chronotyp Sie sind: Das Institut für Medizinische Psychologie hat einen Fragebogen (Munich ChronoType Questionaire/MCTQ) im Internet stehen. Wenn Sie mitmachen, wird Ihnen Ihr Profil per E-Mail zugeschickt. Sie erfahren so, wo Ihr Chronotyp liegt im Vergleich zu mehr als 250.000 Menschen, die bisher diesen Fragebogen ausgefüllt haben.

www.euclock.org

„Wer tagsüber für den Abend vorschlafen kann, hat schon ein Schlafdefizit“, so Prof. Dr. Till Roenneberg

Text: LMU München · Bild: Fotolia

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