GesundheitLeben

Gut durch die Erkältungszeit mit Hildegard von Bingen – Teil 2

Gerade als ich diesen Text schreibe, fällt der erste Schnee der Saison. Spätestens jetzt wäre es sicher nicht verkehrt, sich mit drohenden grippalen Infekten zu beschäftigen. Gut, wenn man dann schon weiß, was die Heilige Hildegard von Bingen uns da unter anderem noch zu bieten hat…

Brombeertrank/ -elixier

„Der Brombeerstrauch, an dem die Brombeeren wachsen ist mehr warm als kalt… Aber auch, wenn jemand an der Lunge leidet und in der Brust hustet, dann nehme er Bertram, und weniger Brombeeren als Bertram, so auch vom Ysop weniger als von diesen Brombeeren und vom Dost weniger als von diesen, und er füge Honig bei, und er koche das stark in gutem Wein, und dann seihe er es durch ein Tuch und so, nachdem er mäßig gegessen hat, trinke er das, und nach einer vollen Mahlzeit trinke er genug davon, und das tue er oft, und die Lunge wird die Gesundheit wiedererlangen und der Schleim wird von der Brust weggenommen…“

Was hier in einem etwas schwer verständlichen mittelalterlichen Deutsch beschrieben wird, ist ein wirklich phantastisches Entschleimungsmittel, das in der Naturheilkunde sicherlich seinesgleichen sucht. Bei Husten, Verschleimung aller Art, Mucoviscidose, Bronchitis, Rippfellentzündung, Katarrh und – das ist meine persönliche Erfahrung – hervorragend bei Nebenhöhlenentzündungen, bei denen sich der Schleim absolut nicht lösen will.

Die Zubereitung ist auch gar nicht so kompliziert, wie es scheinen mag:
15 g Brombeerblätter, 20 g Bertramwurzel, geschnitten oder gepulvert, 4 g Ysopkraut, 10 g Dost (Oregano), 200g Honig mit 1 L Wein  5 min. kochen und abseihen.
Dosierung: 3 x täglich 1 Likörglas nach dem Essen, bei Kindern wäre eine Gabe von ½ – 2 TL, je nach Alter, denkbar – gottseidank schmeckt dieses Elixier sehr angenehm. Ach ja, diesen Trank gibt es auch in fertiger Form!

Einen der Bestandteile möchte ich Ihnen speziell vorstellen, denn Hildegard von Bingen setzt eine Verschleimung der Atemwege u.a. auch in Zusammenhang mit Ernährungsfehlern, sprich einer Kost mit zu viel tierischem Eiweiß und, was noch schlimmer ist, erhitzten Käsemahlzeiten. Klar gab es damals noch keine Pizza, aber das Überbacken mit Käse hat eine lange Tradition. Dieser Ansatz ist, so weit ich weiß, nur bei Hildegard so eindeutig beschrieben. Aus einem Selbsttest weiß ich ebenfalls: schon allein durch die Berücksichtigung dieser beiden Tipps kann eine Bronchitis oder Sinusitis bereits etwas erleichtert werden. Nun zu unserem besonderen Bestandteil, der auch sehr gut pur verwendet werden kann und den Sie vielleicht nicht so spontan kennen, nämlich dem

Bertram (Anacyclus purethrum)

Bertram ist eine alte Heilpflanze, die ihren Ursprung in Nordafrika hat. Er gleicht im Aussehen und Wuchs unserer Kamille, ist jedoch im Geschmack eher mild und würzig, verwendet wird hier auch die Wurzel. Warum ist er nun im Brombeertrank so wichtig? Seine ätherischen Öle wirken krampflösend, entzündungshemmend und auswurffördernd – der Schleim kann abgehustet werden, die Atmung wird erleichtert. Und was noch?

„Bertram mindert die Fäulnis im Körper, vermehrt das gute Blut und bereitet einen klaren Verstand im Menschen. Aber auch den Schwachen bringt er wieder zu Kräften, und im Menschen schickt er nichts unverdaut heraus, sondern bereitet ihm eine gute Verdauung.“

Sprich, Bertram ist nach Hildegard an der Bildung von körpereigenen Vital- und Abwehrstoffen beteiligt und hat zusätzlich eine antivirale Wirkung. Durch seine Scharfstoffe und ätherischen Öle unterstützt er den Körper bei der Abwehr von mikrobiellen Angriffen, wichtig bei Bronchialerkrankungen. Besonders bewährt hat sich der Bertram eben auch bei Infektanfälligkeit und Verdauungsstörungen, bedingt durch die oben erwähnten „Ernährungssünden“, bei zu viel tierischem Eiweiß und erhitztem Käse.

Meisterwurz (Peucedanum oder Imperatoria ostruthium)

Diese Pflanze habe ich Ihnen im Sommer schon einmal beschrieben, in dem Artikel „Heilkräuter der Alpen“, aber ich möchte sie Ihnen in dem Zusammenhang mit der Behandlung von Fieber nach Hildegard von Bingen auf jeden Fall nochmals vorstellen.

„Die Meisterwurz ist warm und taugt gegen Fieber. Denn wer Fieber hat, welcher Art es auch sei, der nehme Meisterwurz und zerstoße sie mäßig, und wenn sie so zerstoßen oder verrieben ist, gieße er einen halben Becher Wein bis über die obersten Stücke über diese Meisterwurz, und so lasse er das über Nacht ziehen, und am Morgen gieße er wiederum Wein dazu, und das trinke er nüchtern, und das während drei oder fünf Tagen, und er wird geheilt werden.“

Nach Hildegard ein Universal-Fiebermittel, das unterstützend bei allen Erkrankungen mit akutem, hohem, auch evtl. sogar bakteriellem Fieber eingesetzt werden kann z.B. bei Grippe, Lungen- oder Mandelentzündung, Kinderkrankheiten o.ä.

Vorab mal ganz klar: fiebrige Erkrankungen, vor allem diejenigen, die mit höheren Temperaturen einher gehen, gehören selbstverständlich in ärztliche Betreuung, speziell gerade auch bei Kindern, aber es wäre doch sicher schön, wenn man trotzdem einen natürlichen Fiebersenker schon parat im Haus hätte.

Wie lautet nun die konkrete Zubereitung?
1 EL Meisterwurz geschnitten mit ½ Tasse Wein abends ansetzen, über Nacht stehen lassen, am nächsten Morgen mit etwas frischem Wein auffüllen. Jeden Abend wieder frisch ansetzen.
Die Dosierung sieht folgendermaßen aus: den angesetzten Wein über den Tag verteilt vor dem Essen schluckweise trinken, bei Kindern könnte man ihn je nach Alter z.B. teelöffel- oder tropfenweise verabreichen.

Was mir hier sehr gut in Kombination gefällt, ist die 3-Tages-Fieberdiät nach Hildegard:
1. Tag.: absolutes Fasten. Nichts essen, nur trinken. Ungezuckerten Fencheltee, soviel der Kranke es will, evtl. höchstens noch etwas Dinkelzwieback.
2. Tag: jetzt darf man eine dünne Dinkelgrießsuppe mit etwas Salz und Petersilie essen, auch Dinkelspätzle oder -nudeln. Dinkelzwieback, so viel man mag, am besten in Tee getaucht. Dazu gekochte Apfelstücke (kein Apfelmus), am besten mit viel Wasser gekocht – das Wasser wird mitgetrunken.
3. Tag: Hühnerbouillon mit etwas Hühnerfleisch. Als Flüssigkeit wären Fencheltee oder in kleinen Mengen ein sog. „gelöschter Wein“ – Wein aufkochen bis zum Siedepunkt und dann mit einem großen Schluck kaltem Wasser ablöschen , das natürlich nur für Erwachsene – die geeigneten Getränke.

Diese Nahrungsreduzierung schwächt den Körper nicht, sondern hilft ihm im Gegenteil, schneller mit der Erkrankung fertig zu werden, da er sich schon mal nicht so sehr auf die Verdauungsvorgänge konzentrieren muss. Und was auch sehr wichtig ist: wenn möglich, so lange im Bett bleiben, bis man 2 Tage wirklich fieberfrei ist. Nicht so ganz einfach in unserer Zeit…

Nur noch am Rande: die Meisterwurz kann im Grunde noch viel mehr als das Fieber senken. Ihre ätherischen Öle wirken stark antibakteriell, entzündungshemmend und stärken das Immunsystem. Die enthaltenen Bitterstoffe regen außerdem den Appetit an und sind verdauungsfördernd. Die enthaltenen Bioflavonoide wirken ebenfalls positiv auf Entzündungen im Körper ein. Hier ist z.B. an Lungenerkrankungen, Husten und Atemwegsbeschwerden oder Magen-Darm-Erkrankungen zu denken. Irgendwie doch eine tolle Pflanze, oder?

Aber wie kann man grippalen Infekten vorbeugen und die Abwehrkräfte stärken? Auch hier hat Hildegard einen guten Vorschlag, das sog.

Galgantwasser (Galgant in Himbeerwasser)

Vielleicht erst mal ganz am Anfang: was ist denn überhaupt Galgant ( Alpina  officinarum)? Er entstammt der Familie der Ingwergewächse aus Malaysia und hat gleich seinem   bekannteren Verwandten diese beliebte Schärfe und den wärmenden Einfluss auf den Organismus. Eigentlich wird der Galgant in der Hildegard-Heilkunde hauptsächlich unterstützend bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt, aber durch seine Scharfstoffe ist er ebenfalls ideal bei Erkältungskrankheiten.

1-2 Galgant-Tabletten oder 1-3 TL Pulver aufgelöst in einem Glas Himbeerwasser (natürlich mit echtem, keinem künstlichen, Himbeersirup hergestellt) und einem Schuss Zitronensaft täglich getrunken ist eine wunderbare Maßnahme zur Steigerung der körperlichen Abwehrkräfte in der Herbst- und Winterzeit, aber auch, wenn man bereits unter einem grippalen Infekt leidet oder gar schon im Bett liegt, ist es neben dem schon oben erwähnten Fencheltee ein ideales Fiebergetränk. Schon etwas prickelnd auf der Zunge, aber gut!

Erkältungskrankheiten sind am Beginn ja oft viral bedingt, und so wurden mit dem Galgantwasser auch Versuche bei Gürtelrose durchgeführt: täglich ein Glas trinken und gleichzeitig damit Umschläge machen. Die Patienten berichteten, dass die Beschwerden, v.a. der Schmerz deutlich nachgelassen hätten und das bereits nach einer Woche. Unterstützend zur schulmedizinischen Therapie wäre das doch auf jeden Fall einen Versuch wert.

Ich wünsche Ihnen eine wunderschöne, vor allem gesunde Advents- und Weihnachtszeit.

Ihre Simone Wagner
Apothekerin

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024