Fit & WellLeben

Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Gene

Wer die Gene kennt, kennt den Menschen – und wisse so, wie Alzheimer, Diabetes und Co zu heilen sind. Zumindest glaubten das die Wissenschaftler und auch der Rest der Welt, als US-Präsident Bill Clinton am 26. Juni 2000 das erste entzifferte Human-Genom präsentierte. Doch von wegen. Mittlerweile ist es klar, dass Gene nicht nur steuern, sondern sie werden auch gesteuert.

Eine menschliche Zelle hat rund 25.000 Gene. Doch das erklärt noch nicht, warum der Eine Alzheimer bekommt und der Andere schlecht mit Stress umgehen kann, warum zwei Menschen das gleiche Krebs-Gen haben, aber nur einer von ihnen auch Krebs bekommt. Erklären lässt sich das jedoch mit der Epigenetik, einem aufstrebenden Forschungszweig der Biologie.

Die Umwelt steuert das Schicksal jeder einzelnen Zelle. Das belegen zumindest Zellbiologen, wie der international renommierte Bruce Lipton. Jede Information, die in der Zelle die Herstellung von Proteinen, den Bausteinen des gesamten Körpers, in Gang setzt, kommt von außen. Sie trifft in Form von vielen verschiedenen Signalen auf die Zellwand und löst dort einen Mechanismus aus, der im Inneren der Zelle die Botschaft weitergibt und die dazu passenden Genabschnitte im Zellkern aktiviert. So werden zum Beispiel bei Bedarf mehr Immunzellen gebildet. Auch unser Körper als Ganzes nimmt Informationen von außen auf, verarbeitet sie mit dem Gehirn und leitet von diesem gesteuert entsprechende Befehle weiter.

Der menschliche Körper erneuert schon im Normalbetrieb ständig eine große Anzahl seiner ca. 50 Billionen Zellen. Allein die Zellen unseres Darmes, eine Fläche von der Größe eines Fußballfeldes, werden regelmäßig alle vier Tage komplett neu gebildet, alle roten Blutkörperchen werden in 120 Tagen ausgemustert und ersetzt. Eine enorme Leistung, die höchst komplex über eine Unmenge an Einzelschritten von unserem Körper meist fehlerfrei erbracht wird. Wer aber gibt dazu die Befehle? Wer sagt, wann, wo, was und wie viel davon gebraucht wird?

Lange ging man davon aus, dass die Steuerung der Gene in diesen selbst verschlüsselt ist und so hat man in die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, also aller seiner Erbanlagen, gerade im Hinblick auf die Behandlung von vererbbaren Krankheiten, große Hoffnungen gesetzt. Das An- und Abschalten einzelner Genabschnitte, beispielsweise für die Entstehung von Tumoren, konnte so nicht geklärt werden und klassische Genetiker arbeiten derzeit viel beachtet daran, einzelne Gene mit einer Art Schere herauszuschneiden und so die Ausbildung einer Erkrankung zu verhindern.  Untersuchungen im relativ jungen Forschungsbereich der Epigentik zeigen ganz andere Ergebnisse. Das Milieu, das die Zelle oder den ganzen Menschen umgibt, ist entscheidend. Also die Frage, ob gute und ausreichend Nährstoffe vorhanden sind, ob der Mensch oder die Zelle Angst oder Stress hat, und so weiter. So spezialisieren sich menschliche Stammzellen, die sich noch in die verschiedensten Arten von Zellen entwickeln können, zu Muskel-, Fett- oder Nervenzellen, je nachdem, in welcher Nährlösung sie gezüchtet werden. Nur ein kleiner Unterschied in der Zusammensetzung der darin gelösten Salze führt zu ganz unterschiedlichen Entwicklungen. Sehr beeindruckend sind auch die Untersuchungen von eineiigen Zwillingen, die ja bei Geburt genau identisches Erbmaterial haben. Wachsen sie jedoch in unterschiedlicher Umgebung auf, verändert sich dies, und ein Pflegekind hat nach einiger Zeit das selbe Krebsrisiko wie die Familie, die es aufgenommen hat. Ein klarer Beleg dafür, dass die Umwelt einen Einfluss auf jede Zelle hat.

Weiter konnte man zeigen, dass jeglicher Reiz, der von außen auf uns trifft, eine Veränderung im Inneren bewirkt. Der Körper reagiert auf alles, was auf ihn einwirkt. Egal ob ein wärmender Sonnenstrahl, gesunde Nahrungsmittel, der Wutausbruch eines Vorgesetzten oder einfach ob wir Freunde haben oder einsam sind, alles hat auf Zellebene eine Konsequenz. Die Zelle schaltet, je nach Qualität des Reizes und vorangegangenen Erfahrungen, entweder in einen Schutzmodus oder auf Wachstum und Gedeihen.

Was also bedeutet das? In erster Linie ist es gut zu wissen, dass wir unseren Genen nicht hilflos ausgeliefert sind. Zum Beispiel bei einem vermehrten Auftreten von  Krebserkrankungen in einer Familie, wo manchmal sogar das entsprechende Gen bei Betroffenen nachgewiesen werden kann. In so einem Fall müssen wir keineswegs davon ausgehen, dass wir diese auch bekommen werden. Denn es ist von entscheidendem Einfluss, in welcher Umgebung wir leben. Dabei spielen auf Körperebene eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und Schlaf eine wichtige Rolle, genauso relevant sind aber auch gute Beziehungen, Sicherheit und unsere Gedanken, und damit eben auch oft Sorgen und Stress.

Wir können die Einflüsse auf unsere Zellen verändern. Es macht einen Unterschied, ob wir in Tschernobyl leben oder im Allgäu, Wasser trinken oder Cola, Gemüse oder Burger essen, entspannt und zufrieden sind oder abgehetzt und gestresst. Neben all diesen Signalen aus unserer Umgebung sind aber auch unsere Glaubenssätze und Muster von großer Bedeutung. Die sind uns aber meist nicht bewusst und haben daher großen Einfluss auf uns, ohne dass wir das auch wirklich wahrnehmen. Das ist der Grund, warum Epigenetiker und Neurowissenschaftler empfehlen, Programme in unserem Unterbewusstsein mit entsprechenden Techniken zu verändern. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten Zugang zu unserem Unterbewusstsein zu bekommen und dieses neu zu programmieren. Im Leistungssport und Erfolgstraining werden solche Techniken längst erfolgreich eingesetzt. Sportler oder auch Krebspatienten profitieren beispielsweise davon, sich immer wieder vorzustellen, wie gesunde starke Abwehrzellen in ihrem Körper unliebsame Bakterien oder Tumorzellen erfolgreich bekämpfen und stärken so ihr Immunsystem. Andere Verfahren setzen mehr auf der Körperebene an und zielen darauf ab, Blockaden zu lösen und neue Muster im Körper zu speichern.

Die Zelle oder der ganze Mensch schaltet entweder auf Schutz oder Gedeihen. Im Schutzmodus altern wir, unser Immunsystem wird schwach und unser Stoffwechsel powert sich aus. Im Wachstumsmodus aber regeneriert er sich, ist leistungsfähig und gesund. Wer um diese Zusammenhänge weiß, fühlt sich nicht hilflos ausgeliefert und kann so erheblich zu seiner Gesundheit beitragen.

Text: Judith Schwarzenbach
(Ärztin für Gynäkologie, klassischer
Homöopathie und Informationsmedizin)
praxis@wisse-die-wege.de

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024