Kolumne

Sommernachts(alb)traum

Der Himmel wurde immer dunkler, es war stickig, irgendwie schwülheiß und die Luft roch nach Regen. Es schien, also würde direkt über uns ein gewaltiges Gewitter aufziehen. Ich mag keinen Regen aber an diesem Abend neulich konnte ich den Regen kaum abwarten.
Ich brauchte ganz dringend eine Abkühlung. Nicht nur, weil mir heiß war und der Stoff von meinem Kleid an meiner nassen Haut festklebte, sondern weil ich endlich nach Hause wollte. Meine Grenzen waren erreicht.

Ich hatte keine Lust mehr auf Diskussionen über „Die drohende Gefahr einer Abseitsposition Literarischer Werke, wie die von Alexander Pushkin aufgrund des Social Media Verhaltens von Kindern vermögender russischstämmiger Ehefrauen Namens Iwanowna oder Jelisaweta.“

Nein, ich war nicht auf einer Open Air Podiumsdiskussion mit alternativen Yuppies und Pfeife rauchenden Querdenkern.

Ich war nur draußen. In der Stadt. Abends. Zusammen mit meinem Mann. Wir wollten einen drauf machen, wie das Eltern halt so machen:
20 Uhr: Durch die Stadt schlendern.
20.30 Uhr: Einen Zwitschern  (öhm, ich Tee, er Radler) und verliebt füßeln.
21.15 Uhr: Zweiter Stadtrundgang. Plus Schaufensterbummel.
21.50 Uhr: „Uff… Es ist ja schon voll spät Schatz!“
22.00 Uhr: Abfahrt

Aber ich kam nur bis 20.30 Uhr und den Tee. Dann hörte ich eine tiefe, raue Stimme fragen: „Ist hier noch Platz für eine bunte Truppe?“ Von da an lief der Hase in die falsche Richtung. Ich war in den Fängen eines ehemaligen Lehrers und seiner Debattier-Club Clique.

Das lief dann so:
Reden. Zuhören. Kopf nicken. Erklären. Begründen. Belegen. Fallbeispiel. Zeigefinger heben. Kopf schütteln. Gegenargument. Und „Vivien, jetzt sind sie gefragt, los!“

Es war spät. Ich war verschwitzt. Ausgelaugt. Und ich hatte einfach genug von der Verschwörungstheorie rund um den Abstieg der Russischen Literatur. Inzwischen litt ich schon unter selektiver Wahrnehmung. Ich roch nur noch Wodka und sah russische Mütter mit potenziell gefährlichen Smartphone-Kindern an den Nachbartischen.

Es regnete immer noch nicht. Kein einziger Tropfen fiel vom Himmel.
21.40 Uhr: „Vivien, jetzt sind sie nochmal gefragt!“
Ich musste hier weg, bevor die Russen-Mütter mich noch holen würden.
21.41 Uhr : „Ich hab mir heute den Daumen wund gewhatsapped und zu viel RTL geschaut. Ich hab kein Plan mehr!“
21.42 Uhr: Nastrovje! Flucht geglückt…

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