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90 Jahre Handarbeiten Bruggesser in Füssen!

Haus in der Hutergasse war schon immer ein Haus der Handarbeit

Es ist das zweitälteste Geschäft in der Altstadt von Füssen. Vor 90 Jahren eröffnete Handarbeiten Bruggesser, ein Fachgeschäft für Handarbeiten in der Hutergasse fünf. „Mein Bruder und ich sind von Kind auf hier in dem Geschäft aufgewachsen“, erinnert sich Hans-Peter Chilian, während wir im ehemaligen Kinderzimmer im zweiten Stock des Hauses sitzen. Die niedrigen Räume, mit ihren alten dicken Holzböden, sind mit antikem Mobiliar und vielen Bildern ausgestattet, die vorherige Generationen im lebendigen Gedächtnis halten. „Eine leichte Zeit war das damals nicht“. Das Gebäude selbst ist mindestens 400 Jahre alt, seine erste Erwähnung findet sich in der Füssener Chronik im Jahre 1631, als die Hutergasse noch Kramergasse hieß. Dabei wurde das Haus über die Generationen hinweg immer wieder von Handwerkern und Künstlern bewohnt, vom Kaufmann über den Maurer bis hin zum Konditor oder Maler. Anfang des 19. Jahrhunderts war das Gebäude unter dem Hausnamen „Beim Gedel“ bekannt, benannt durch Benedict Gedler, der zu dieser Zeit dort als Geigenmacher und Kramer tätig war. 1890 erwarb es dann der Spengler Karl Bruggesser zusammen mit seiner Frau Maria, den Eltern von Christiane Brugesser, der Großmutter von Hans-Peter Chilian.     

Die Geschichte von Handarbeiten Bruggesser in Füssen geht weit zurück. Die noch junge Christiane Bruggesser eröffnete um 1926 im Erdgeschoss des Hauses ein Ladengeschäft für und mit Handarbeiten. Das Angebot reichte wie heute noch von Wollwaren, Knöpfen, Stick- und Strickmaterialien und Werkzeugen bis hin zu ausgeführten Serviceleistungen und kleineren Näh- und anderen Handarbeiten. Gut dreißig Jahre später übergab sie das Geschäft an ihre Tochter Hermine, die den Laden ganz nach ihrem persönlichen Geschmack renovierte und zu einem echten Schmuckkästchen umgestaltete. „Meine Mutter war künstlerisch sehr begabt und hatte eine Vorliebe für Bauernmalerei. Ich weiß noch, dass eine zu der Zeit sehr bekannte Kunstmalerin mit Namen Frau Bucher, ihr bei der Umgestaltung der Ladenräume geholfen hat. Von dem Ergebnis waren dann alle Kunden begeistert, das Geschäft war für die damalige Zeit schon sehr fortschrittlich.“

„Damals wurde Vieles noch repariert, weil man sich nichts Neues leisten konnte“

Dennoch lagen die Umsätze weit hinter den Erwartungen zurück. „Die Zeiten nach dem Krieg waren sehr schwer und nachdem mein Vater sehr früh gestorben war, mußte meine Mutter für den Unterhalt der Familie sorgen“, erzählt Hans-Peter Chilian. „Mit ihrem Handarbeitsgeschäft hat sie das auch ganz gut geschafft, obwohl es ja kaum etwas zu verkaufen gab, denn Wolle und andere Dinge waren damals echte Mangelware. Dafür wurde aber Vieles repariert, weil man sich nichts Neues leisten konnte. Da hat man auch noch alte Pullover wieder aufgetrennt, um die Wolle danach wieder zu verwenden. Meine Mutter war immer beschäftigt, hat oft Näh- und Stickarbeiten ausgeführt und damit ein wenig Geld verdient. Ich sehe sie heute noch auf ihrem Stuhl sitzen, wie sie mit einem Stichelapparat Vorlagen von Ornamenten und Mustern in Stoffe gestichelt hat, nach denen die Kunden dann ihre Decken und Kissen besticken konnten.“ Hermine Bruggesser führte das Geschäft, bis sie es 1971 an Renate Nocker übergab, die damals aus München nach Füssen gekommen war. Die ausgebildete Dirndlschneiderin hatte lange Jahre in einem renommierten Handarbeitsfachgeschäft gearbeitet und wollte sich endlich selbstständig machen. Ihre Schwester Dorothea folgte ihr vier Jahre später als Verstärkung. Zusammen führen sie den Familienbetrieb und damit die große Tradition des Hauses über 40 Jahre lang fort. Zu den vielen Leistungen gehört unter anderem das Anfertigen von Tischdecken nach Maß, die Montage von Handarbeiten oder auch die Fertigung von Kissen oder Wandbehängen. Dazu hilft Handarbeiten Brugesser auch dabei, das geeignete Strickgarn zu finden oder die benötigten Materialmengen zu definieren.

„In den Schulferien hab ich schon immer gern meiner Schwester Renate im Laden geholfen, da hab ich Füssen auch besser kennengelernt“, erinnert sich Dorothea Jesdinszki, die das Geschäft 2009 schließlich von ihrer Schwester Renate übernahm. „Jetzt lebe ich schon so lang hier und genieße das Leben, die Menschen, die Umgebung, die Berge, das ist einfach wunderbar. So ein traditionsreiches Haus weiterzuführen ist zudem eine große Aufgabe, weil es ständig im Wandel ist. Aber Veränderungen können auch sehr viel Freude machen.“
„Das stimmt“, lacht Schwester Renate, die immer noch gerne im Laden aushilft und ab und zu sprichwörtlich aus dem Nähkästchen plaudert. „Ich erinnere mich gut. Als ich damals hierher gekommen bin wollte ich nur Dinge verkaufen, die mir auch selber gefallen, das hab ich allerdings sehr schnell aufgegeben. Eine kleine Episode, ein Vertreter wollte mir eines Tages diese komischen Decken mit Mohnblumen andrehen, ich liebe Mohnblumen aber die Decken waren potthäßlich. Der Vertreter war sich aber sicher, dass die Decken ein Renner wären, also hab ich sie ausgehängt und bin am Ende mit dem Nachbestellen gar nicht mehr hinterher gekommen. Dann hat mir die Decke doch gut gefallen, weil die Kasse gestimmt hat, Veränderungen können also auch Freude machen.“

Geschichten wie diese werden hoffentlich auch in Zukunft weiter geschrieben. In einem Haus, das mit seiner ganz eigenen Chronik sicherlich ein dickes Buch füllen würde, Kapitel für Kapitel gespickt mit den unterschiedlichsten Ereignissen. Ein ganz großes davon ist ohne Zweifel der Abschnitt Handarbeiten Bruggesser. „Dieses 90-jährige Jubiläum ist schon etwas ganz Besonderes, naoch vorne blicke ich mit sehr guten Gefühlen“, sagt Dorothea Jesdinszki. „Sicher werde auch ich eines Tages den Laden übergeben, dann hoffentlich auch an eine junge engagierte Frau, die diese Tradition fortführen wird. Alles andere wäre sehr schmerzvoll, allein der Gedanke daran.“ Auch Hauseigentümer Hans-Peter Chilian hofft, dass diese Tradition weitergeführt wird. „Hinter dem Geschäft und dem Haus steckt eine lange Geschichte, besonders freuen würde es mich, wenn es auch weiterhin unter dem Namen Handarbeiten Brugesser bestehen bleibt. Denn so einen Laden, der noch dazu mit soviel Charme geführt wurde und wird, den gibt es eigentlich in der heutigen Zeit gar nicht mehr.“ Die Liste der Gratulanten zum 90. Jubiläum wird dementsprechend groß sein.

Text: Lars Peter Schwarz · Bild: privat

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