LebenSport & Freizeit

RAD-MARATHON Tannheimer Tal

Rennen oder sportliche Ausfahrt

Vor acht Jahren wurde der RAD-MARATHON Tannheimer Tal geboren. Für die Touristiker ist die Veranstaltung ein guter Aufhänger, für die Radsportler eine weitere Möglichkeit, sich einem Kräftemessen zu stellen. Hier stellt sich auch dann die Frage: ist ein Radmarathon eine Radtouristikfahrt oder ein Radrennen? Rein rechtlich gesehen ist es eine Breitensportveranstaltung mit einem sportlichen Charakter – und es ist die Straßenverkehrsordnung (StVO) einzuhalten. Was alles bewegt werden muss, dass ein solch „sportliches Highlight“ stattfinden kann, ist für Viele nicht einsehbar. Wir wollen eine Veranstaltung wie den RAD-MARATHON Tannheimer Tal mal unter die Lupe nehmen, um aufzuzeigen, was alles hinter einer Rad-Breitensportveranstaltung steht.

2009 war die Premiere des RAD-MARATHON Tannheimer Tal, bis dato für die Radrennfahrer noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Einzig bei den Durchfahrten der Österreich-Radrundfahrt, der Bayern-Rundfahrt und der Deutschland-Tour schien das Tiroler Hochtal am Radar auf. Geschäftsführer des Tourismusverbandes Tannheimer Tal, Michael Keller, kommt aus dem Radsport und sah großes Potential im Rennradtourismus. Bereits 2005 begann er seine Region rennradfit zu machen. Ein umfangreiches Rennrad-Booklet wurde in Eigenregie erstellt und die Hardware für eine angehende Radregion geschaffen. Das Projekt Rennrad im Tannheimer Tal wurde geboren. Gleichzeitig war die Idee eines „RadMarathons“ schon mit in der Planung. Diese Planung begann knapp zwei Jahre vor der Erstveranstaltung. Erfahrung konnte das Organisationskomitee-Team bereits vorzeigen. Mit dem SKI-TRAIL Tannheimer Tal – Bad Hindelang hatten sie eine jährliche Großveranstaltung mit rund 1.500 Teilnehmern und besten Referenzen.

Die Strecke war relativ schnell gefunden, denn das Lechtal, die Pässe Hahntennjoch, Arlberg und Flexenpass boten sich an. 230 Kilometer mit 3.000 Höhenmetern stellen für jeden Radsportler eine ordentliche Prüfung dar. Fünf Jahre fuhren die Teilnehmer durch das Lechtal und nach 160 km stand dann das berühmt, berüchtigte Hahntennjoch auf dem Plan. 2014 wurde die Runde dann gedreht, was die 230 Kilometer jedoch nicht leichter machten, denn das Hahntennjoch zu Beginn der Runde zerlegte das Teilnehmerfeld ordentlich. Im Anschluss zog sich die Auffahrt auf den Arlbergpass und durch das Lechtal meldete sich ein unangenehmer Gegenwind.

2015 wurde eine neue Streckenführung notwendig

Aufgrund der Generalsanierung und Sperre des Arlberg-Tunnels wurde eine Streckenänderung notwendig, da die Behörde keine Genehmigung für Veranstaltungen über den Arlbergpass ausstellte. Für den RAD-MARATHON Tannheimer Tal bedeutete dies, entweder pausieren oder eine alternative Strecke zu finden. In Kleinarbeit wurden die Möglichkeiten ausgelotet, was befahren werden kann und was seitens der Behörden auch genehmigt wird. „Die zuständigen Stellen sind uns mit großem Verständnis entgegen gekommen. Dass die Gesetzeslage eingehalten werden muss, ist selbstverständlich“, so OK-Chef Michael Keller. Hier wurden viele Erfahrungen seitens Veranstalter und Behörde schon zu Beginn eingebracht und ausgetauscht, was das Genehmigungsverfahren im Anschluss erleichterte. „Wir waren sehr erleichtert, dass wir eine neue und attraktive Strecke gefunden und genehmigt bekommen haben, aber was die Organisation anbetraf, hieß es fast so viel wie zurück an den Start. Vieles musste neu geplant und mit neuen Helferteams besprochen werden, denn unser eigener Anspruch an eine gut organisierte Veranstaltung ist sehr hoch.“

Neukonzipierung der Streckenbeschilderung und Sicherung

Ein neuer Streckenbeschilderungsplan musste erstellt werden, die Schilder komplett neu montiert und sortiert werden. „Mittlerweile türmen sich auf drei EURO-Paletten die Schilder, die auf Schneestangen für den Rad-Marathon montiert sind“, gibt Streckenchef Bernd Vogler preis. Der ehemalige ÖSV-Skirennläufer und nunmehrige Polizist steht einer verantwortungsvollen Aufgabe gegenüber. „Mein Augenmerk liegt bei einer guten und sichtbaren Beschilderung, dass alle Teilnehmer den Streckenverlauf problemlos erkennen. Wir stellen ca. 450 Schilder auf, um den Weg zu zeigen und auf Gefahrenstellen hinzuweisen. Dazu kommen noch rund 40 Fahrzeuge, welche um die Sicherheit der Rennradfahrer bemüht sind“, schildert der passionierte Radsportler. Sein Appell: Ein Rad-Marathon darf nicht mit einem Radrennen verwechselt werden! Es gilt ausnahmslos die Straßenverkehrsordnung.

Straßenverkehrsordnung (StVO) ist ausnahmslos einzuhalten!

Mittlerweile hat die Straßenverkehrsordnung für alle Rad-Marathons Gültigkeit. „Wenn es uns Veranstaltern nicht gelingt, dass die Teilnehmern die StVO einhalten, dann wird es in wenigen Jahren keine Rad-Marathons mehr geben“, sieht OK-Chef Keller die Probleme, die keinesfalls unterschätzt werden dürfen. „Es wäre zu schade, wenn wir dann sagen müssen, wie toll das mal war.“
Auch Marcel Wüst, bereits seit sechs Jahren beim RAD-MARATHON Tannheimer Tal mit dabei, kennt die Problematik und meint zu diesem Thema: „Ein Beispiel ist das Rechtsfahrgebot. Links an Verkehrsinseln vorbeizufahren oder die komplette Fahrbahn zu benützen, kann dazu führen, dass die Veranstaltung, welche die Polizei begutachtet und das Fehlverhalten dokumentiert, keine weitere Genehmigung mehr erhält. Meine persönlich wichtigste Auflage ist die Regel, sich selbst und Andere nicht zu gefährden. Das ist in diesem Sinne keine behördliche Regel, sondern es liegt in der Natur der Sache. Wir wollen alle gesund losfahren, gesund im Ziel ankommen und Spaß haben. Für mich ist es keine sportliche Leistung, Andere zu bedrängen oder vielleicht zu Fall zu bringen, wenn man in Abfahrten zu viel riskiert. Darauf kann man nicht stolz sein.“ Und was passiert, wenn die Regeln nicht eingehalten werden? „Dann gibt es im kommenden Jahr keinen Rad-Marathon mehr! Da können sich alle auf den Kopf stellen und Schuldzuweisungen machen. Dann ist es vorbei! Deshalb hat es jeder einzelne Teilnehmer in der Hand, ob es den Rad-Marathon noch viele Jahre geben wird“, plädiert der Ex-Profi. Er agiert auch als das Ohr bzw. das Auge beim RAD-MARATHON Tannheimer Tal. „Ich liebe diese Veranstaltung, ich liebe das Tannheimer Tal, ich liebe die Menschen, die diese Veranstaltung organisieren.“

FA_07_16_Radmarathon-03
Für viele Radrennfahrer ist der Tannheimer Tal-Radmarathon ein Genuss.

Streckenführung der großen Runde

Die im letzten Jahr notwendig gewordene Streckenänderung kam bei den Teilnehmern sehr gut an. Landschaftlich und auch abwechslungsreich zeigt sich das Streckenprofil, anspruchsvoll und von flach bis hochalpin ist alles enthalten. Gestartet wird heuer erstmals bei der Tennishalle Sägerklause im Zentrum von Tannheim. Nach einer ersten Startschleife zieht der Tross Richtung Westen zur ersten nennenswerten Steigung auf Deutschlands höchstes Bergdorf, dem Oberjoch. Auf eine kurze Abfahrt folgt eine steile Rampe in die Tiroler Enklave Jungholz. Kurvenreich und schnell wird der Landkreis Oberallgäu erreicht, wo die Orte Oy-Mittelberg, Petersthal, Kranzegg (1. Verpflegungsstation), Immenstadt, Blaichach und Ofterschwang durchfahrenden werden. In Obermaiselstein (2. Verpflegungsstation), gelegen auf 850 Meter, beginnt die erste schwierige Prüfung … der sechs Kilometer lange Riedbergpass, Deutschlands höchste Passstraße mit seinen bis zu 18 Steigungsprozenten hinauf auf 1.420 Meter Seehöhe. Hier werden die Teilnehmer das erste Mal richtig getestet, bevor nach der rasanten und gefährlichen Abfahrt nach Balderschwang die 3. Verpflegungsstation wartet. Eine prägende Erinnerung verbindet Ex-Profi Gerrit Glomser mit dem Riedbergpass bei der Deutschland-Tour 2007. „Ich weiss noch genau, wie ich bei der Abfahrt in eine Felsmauer donnerte. Aber solche Dinge vergisst man zum Glück recht schnell. In Erinnerung bleibt ein giftiger Pass, der sowohl beim Anstieg, wie bei der Abfahrt einen respektablen Eindruck hinterlässt.“

In Egg auf 545 m Seehöhe ist der tiefste Punkt der Runde erreicht. Im Anschluss sind 1.130 Höhemeter auf einer Länge von 42 Kilometer bis zum höchsten Punkt, dem Hochtannbergpass, zu bewältigen. In diesem Streckenabschnitt steht noch die Verpflegung in Schoppernau bereit. Spätestens hier zeigt sich, wer eine gute Kondition besitzt und den Alpenpass hochklettern kann. In Warth (5. Verpflegungsstation) biegt die Rad-Marathon-Strecke auf bekanntes Terrain ein. Das Lechtal, das schon seit Beginn an durchfahren wird, könnte mit einer Prise Gegenwind aufwarten, bevor als letzte Hürde der Gaichtpass wartet. An und für sich kein großes Ding, die 250 Höhenmeter bei 6% Durchnittssteigung, aber nach 208 Kilometern doch für Viele ein letztes Aufbaumeln der Kräfte. Als Belohnung führen die letzten Kilometer flach am Haldensee entlang Richtung Ziel in Tannheim.

Als Alternative –zwei kürzere Strecken

Die Marathonstrecken werden zwar von Vielen geliebt, es gibt aber auch viele Rennradfahrer, denen die Zeit und oder die Form für solche Distanzen fehlt. Vor allem Rollouren, die die Berge nicht unbedingt zu ihrem liebsten Terrain zählen, haben bei dieser Marathon-Veranstaltung die Möglichkeit mit dabei zu sein. „Die Idee dahinter war, eine breitere Zielgruppe anzusprechen. Zum einen die Hobbyfahrer und Einsteiger und vor allem die Frauen. Unser Konzept gibt uns recht – der Frauenanteil ist überdurchschnittlich hoch. Auf der 130 km Strecke haben wir über 20 Prozent, bei der 85 km Distanz sind es beinahe 50 Prozent Teilnehmerinnen“, erklärt Keller stolz. Ein zweiter Aspekt wiegt schwer. „Die Langdistanz ist von vielen sehr sportlich orientiert, die beiden kurzen Strecken haben sich als Rad-Touristikfahrt etabliert, was in Tirol eher ungewöhnlich ist. Hier kommt kein Rennstress mehr auf und es entsteht eine Genussfahrt. Das Ergebnis sind viele glückliche Gesichter.“

Ein Sicherheitskonzept darf nicht fehlen – Rotes Kreuz, Motorradstaffel, UCI-Kommissäre und Polizei.

Einer der wichtigsten Punkte ist die medizinische Betreuung der Teilnehmer während der Veranstaltung. Andres Inwinkel koordiniert den Einsatz beim Rad-Marathon Tannheimer Tal.  „Um die Sicherheit gewährleisten zu können, wird ein komplettes Rettungskonzept erarbeitet. Sprich, es sind insgesamt 15 Einsatzkräfte auf der gesamten Strecke unterwegs. Der Fuhrpark umfasst zwei Rettungstransportwagen (RTW), besetzt mit jeweils einem Notarzt, zwei Quads, zwei Motorräder mit den Rettungssanitätern. Der Einsatzleiter und zwei Ersthelfer besetzten im Start- und Zielbereich die Sanitätsstation“, zählt Inwinkel auf. „Und für schwerwiegende Fälle steht auch das Kriseninterventionsteam (KIS) zur Verfügung, denn sollte wirklich der Ernstfall eintreten, sind wir auch hier vorbereitet.“ Seit letztem Jahr ist das Rettungskonzept noch aufwändiger, denn es sind zwei Staaten, zwei österreichische Bundesländer, zwei deutsche Landkreise involviert. Für die Gesamtabwicklung ist die Leitstelle Innsbruck zuständig, koordiniert durch die Bezirksstelle Reutte. Auf der  deutschen Seite übernimmt die Einsatzzentrale in Kempten diese Aufgabe.  „Bei einem Notruf wird das Codewort „RAD-MARATHON Tannheimer Tal“ angeben und somit wissen die Leitstellen, worauf zu achten ist und können die Rettungskette schnellstmöglich einleiten“, sagt Einsatzleiter Inwinkel. Für weitere Sicherheit sorgt die Motorrad-Staffel. Auf der Strecke sind insgesamt 25 motorisierte Zweiräder präsent, um den Gegenverkehr auf die kommenden Rennradfahrer aufmerksam zu machen. Und zu guter Letzt sorgen zwei UCI-Kommissare auf der langen Strecke für die notwendige Disziplin in der Spitzengruppe. Letztes Jahr gab es Verstöße gegen die StVO, so dass acht Disqualifikationen ausgesprochen wurden.

FA_07_16_Radmarathon-02

Verpflegung – fast das Wichtigste für Rennradfahrer

Das leibliche Wohl auf der Strecke ist ein wesentlicher und wichtiger Faktor. Neben tausenden Litern Wasser werden ca. 7.000 Liter Elektrolytgetränke von Dextro Energy getrunken. Dazu kommen noch rund 1.200 Liter Cola, einige „alkoholfreie“ Gerstensäfte und zwischendurch auch Kaffee. Bei den acht (!) Verpflegungsstationen an der Strecke werden am Veranstaltungstag 25.000 Becher benötigt, dazu kommen noch unzählige Trinkflaschen-Füllungen. Somit ist der Durst gestillt, jedoch noch nicht der Hunger. 5.000 Riegel und 3.500 Dextro Gel werden den Teilnehmern gereicht, die auf schnelle Power hoffen. In der Obstabteilung warten 500 kg Bananen, 150 Stück Wassermelonen und 100 kg Nüsse auf Abnehmer. Und für alle, die was „Ordentliches, Deftiges“ bevorzugen, sind 120 kg Brot, 60 kg Wurst und Käse, sowie 25 kg Birchermüsli angerichtet. Die „süße“ Abteilung komplettiert mit 8.500 Stück Kuchen das Angebot. Dass jeder Teilnehmer auf der Strecke gut umsorgt ist, dafür sorgen rund 170 Helfer.

Ein Jahr Vorbereitung – vom ersten Klick bis zur Abholung der Startunterlagen

Eine Frau zieht im Hintergrund die Fäden und das über das gesamte Jahr. Evi Keller, die Frau von OK-Chef Michael, erledigt die vielen Arbeiten rund um die Veranstaltung. „Ohne Evi würde es den RAD-MARATHON Tannheimer Tal nicht geben“, betont er. „Der Aufwand ist mittlerweile so groß, dass es als Feierabendjob, wie es begonnen hat, nicht mehr zu stemmen ist. Es müssen über 300 Helfer koordiniert und viele Wünsche der knapp 2.000 Teilnehmer erfüllt werden. Dabei heißt es Ruhe, immer wieder Ruhe bewahren. Bis es soweit ist, steht viel auf der To Do Liste, wie zum Beispiel die Erarbeitung des Designs für das RAD-MARATHON Equipment. Bestellt werden über 4.000 Paar Radsocken, 2.500 Trinkflaschen, 1.000 Radtrikots und 450 Radhosen. Das Rahmenprogramm rund um den Tannheimer Radmarathon finden Sie im Internet unter www.rad-marathon.at.

Text: FA · Bilder: Veranstalter

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"