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Die Petersbergalm

Die letzte Senn-Alm im Lechtal

FA_08_16_Petersbergalm-03Das Lechtal ist durch seine wilde Natur-Schönheit, vielen Wasserfälle und wunderschönen Seitentäler gesegnet. Die Seitentalgemeinde Hinterhornbach gehört auch dazu und liegt auf 1.101 Meter direkt am Fuße des Hochvogels (2.592m). In alten Zeiten war die Gemeinde besonders unter Schmugglern ein Geheimtipp. So konnte man schnell und meist ungesehen die Grenze nach Deutschland passieren und allerlei Brauchbares schmuggeln. Heute sind genau diese Pfade als Wanderwege beschildert und ausgebaut. Da die Straße im 93-Seelen- Ort Hinterhornbach endet, bleibt die charmante Gemeinde von Durchzugsverkehr und Lärm verschohnt. Wer Ruhe und Erholung sucht, der ist hier genau richtig!

Selbst in der Weltliteratur ist Hinterhornbach verewigt. Der Schriftsteller Ödön von Horvath lebte einige Zeit in Hinterhornbach. Sein kurzer Prosatext „Souvenir de Hinterhornbach“, der 1930 im Berliner Tagblatt erschien, wurde ihm von den Hinterhornbachern sehr übel genommen. Sie waren dermaßen verärgert, dass sie das Bauernhaus, in dem der Autor logiert, mit Kuhmist beschmieren und Horvàths Text in der Kirche neben dem Weihwasserkessel in einer Vitrine ausstellen, so dass es jeder lesen und sehen konnte. Seine zu genauen Beobachtungen über das Dorf und die Menschen kam nicht gut an.

Die Petersbergalm liegt auch in Hinterhornbach auf 1250 Metern. Seit über 100 Jahren wird sie bewirtschaftet. Sie ist die einzige Senn-Alpe im Lechtal mit Milchkühen, die ihren Käse selbst produziert. Karl-Heinz Strohmaier und seine Familie sind seit 15 Jahren auf der Alm. Vier Tonnen Käse stellt der Käsemeister jährlich her, darunter Bierkäse, Tilsiter und den Bergkäse, der bis zu zwei Jahre reift. Die Petersbergalm ist ein Kleinod inmitten einer urwüchsigen, kraftvollen Landschaft. Schon der Weg zur Petersbergalm begeistert die großen und kleinen Wanderer. Entlang des sechs Kilometer langen Wanderweges sind links und rechts kleine und große Wasserfälle zu sehen.

Es ist ein schöner, sonniger Spätnachmittag. Gestern hat es noch heftig geregnet. Doch keine Spuren von Pfützen, lediglich draußen im Schweine-Stall ist der Waldboden aufgeweicht. Es ist ein großes Areal. „Es sind glückliche Schweine. Sie können sich hier frei bewegen“, erzählt Almwirt Karl-Heinz Strohmaier. Sohn Bernhard lacht, weil ich vor den Schweinen Angst habe, die ständig an meiner Hose knabbern wollen. Bernhard wird bald zehn Jahre alt und hat wahrscheinlich schon viel mehr erlebt auf der Alm als Gleichaltrige, die in einer Stadt leben. „Die Schweine tun Dir nix“, sagt er und nimmt mich an die Hand. Es ist faszinierend zu sehen, wie die Beiden respektvoll mit ihren Tieren umgehen. Ein Schwein legt sich sofort hin, um sich von Karl-Heinz streicheln zu lassen. Sowas nenne ich artgerechte und würdevolle Tierhaltung.

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Die neuen Schweine haben einen großen Auslaufstall und werden von Karl-Heinz und Bernhard täglich mit Streicheleinheiten verwöhnt.

Nur noch zwei Gäste sind auf der Petersbergalm. Sie bestellen sich Hüttennudeln. Janka und Elfriede bereiten die Speisen zu. Sie sind für das leibliche Wohl der Gäste verantwortlich. Die  Früchtejoghurts, Kuchen, Torten, Spätzle – alles ist selbstgemacht. Es ist bereits früher Abend und allmählich wird es ruhiger. „Es muss noch aufgeräumt werden“, sagt Elfriede mit einem Geschirrhandtuch in der Hand. Die Tage auf der Alm sind sehr lang. „Es ist schön und wir haben gewusst, dass es eine harte Arbeit ist“, sagt Karl-Heinz. Er kommt aus Andelsbuch aus dem Vorarlberg und seine Frau Elfriede aus dem Zillertal. Viel haben sie auf der Alm umgebaut. Vom Käsekeller bis zur Produktionsstätte. Das Beste ist allerdings die  Stromversorgung. Seit 2002 hat die Alm ein eigenes Wasserkraftwerk. „Das ist sehr fein, wenn man immer Strom zur Verfügung hat“, erklärt der Alm-Wirt.

Jetzt ist es an der Zeit, die Kühe zu holen. Das ist Bernhards Aufgabe. Dafür hat er eine kleine Enduro, so wie seine Freunde auch. Mit Helm und einem Schutzanzug für Ellbogen, Rücken, Brust und Knie schwingt er sich auf die 15 PS starke Maschine, um die Kühe aus dem Hinterland des Gebirges zu holen. Manchmal ist er eine Stunde unterwegs, bis er sie zusammen treiben und zur Alm zurück bringen kann.

Seit seinem 6. Lebensjahr kümmert sich Bernhard um seine Kühe.
Seit seinem 6. Lebensjahr kümmert sich Bernhard um seine Kühe.
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Von Anfang an ist Bernhard auf der Alm. Er kennt jeden Handgriff seines Vaters wenn er Zäune repariert, Kühe melkt oder Käse herstellt. Seit drei Jahren ist er selbst im Stall dabei und melkt die Kühe, versorgt sie mit Futter und mistet den Stall aus. „Muss er das machen?“, will ich wissen.  „Nein, das macht er von selbst. Ich bin aber immer dabei“, beantwortet mir Karl-Heinz die Frage. Von weitem sehe ich die Kühe gemächlich auf die Alm zulaufen. Bernhard fährt langsam hinter ihnen her.

Als sie in den Stall getrieben werden, rennt Bernhard als Erster voran und hält ihnen die Stalltüre auf. Jede Kuh kennt ihren Platz. Als alle vierbeinigen Damen ihre Plätze eingenommen haben, machen sich Bernhard und Karl-Heinz an die Arbeit. Jede Zitze säubern die Beiden gründlich, bevor sie die Melkmaschine anlegen. Mindestens eine Stunde dauert diese Arbeit. Die Kühe sind geduldig, sie wissen, dass sie nach dem Melken wieder auf die Weide zurück dürfen. Für sie ist die Petersbergalm sozusagen ein Sommerurlaub, den sie bis Mitte September genießen dürfen. Danach werden sie von den Bauern aus den umliegenden Gemeinden wieder nach Hause zurück geholt. Dann ist auch für Karl-Heinz, Elfriede, Bernhard und den Mitarbeitern die Sommersaison fast zu Ende. „Je nach Wetterlage haben wir bis zum 20. Oktober die Alm geöffnet. Wegen der großen Lawinengefahr hat die Alm im Winter zu“, erzählt Elfriede.

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Karl-Heinz Strohmaier produziert etwa vier Tonnen Käse im Jahr.

Jetzt an den Winter zu denken ist unmöglich. Die Blumenkästen mit dem üppigen Blumenschmuck, die zirpenden Grillen und die friedlich grasenden Kühe lassen das nicht zu. Zum Glück. Mich fröstelt es trotzdem. Nicht, weil es kalt ist. Es ist diese wunderbare Ruhe mit dem Blick auf die Berge. Die Sonne liegt schon weit dahinter. Was für ein Paradies.

Nicht oft hat die Familie Strohmaier Zeit, sich in den Liegestuhl zu setzen.
Nicht oft hat die Familie Strohmaier Zeit, sich in den Liegestuhl
zu setzen.

Text: Sabina Riegger · Bilder: Hubert Riegger

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