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Heilkräuter der Alpen – Teil 2: Die Bäume

Ja, nicht nur die Kräuter, sondern auch die Bäume der Alpen haben besondere Wirkungen. Der Pflanzenwelt der Berge wohnen oft, sicher auch bedingt durch die Anpassungsfähigkeit an extreme Witterungsbedingungen, spezielle Heilkräfte inne. Wer mit feinem Gefühl durch diese Natur geht, wird mit Sicherheit auch den einzigartigen Zauber dieser Landschaft verspüren…

Latschenkiefer (Pinus mugo)
Früheste Erinnerungen verbinden mich als Kind einer Apotheker-Familie mit dem Geruch des Latschenkiefernöls, damals war er allerdings bei mir noch nicht so sehr beliebt. Heute schätze ich ihn sehr, nicht nur weil ich inzwischen weiß, welche tollen Wirkungen in dieser Pflanze stecken.
Dort, wo kein anderer Nadelbaum mehr das raue Klima der Alpen verträgt, fühlt sich die Latschenkiefer immer noch wohl und leistet dazu außerdem einen ganz wertvollen Beitrag zur natürlichen Lawinenkontrolle. Außerhalb der Alpen ist sie auch in den Pyrenäen, im Erzgebirge und auf dem Balkan zu finden.

Die immergrüne Latsche, auch Bergföhre oder Krummholzkiefer genannt, gehört zur Familie der Piniengewächse, die wiederum zu den Nadelhölzern zählen. Die Volksmagie schreibt der Latsche eine heilende und schützende Wirkung zu, sie gilt als eine Wächterin zwischen der Welt der Menschen und der Berggeister, zu sehen heute noch als Zweig über der Almtür oder als kunstvolles Geflecht auf dem Kopf der Leitkuh beim Almabtrieb. Während der Rauhnächte zwischen dem 24. Dezember und dem 5. Januar dient die Latsche als begehrter Räucherstoff.

Für medizinische Zwecke wird das ätherische Öl aus den Zweigen destilliert. Aber Achtung: die dafür verwendete spezielle Unterart der Latschenkiefer steht unter Naturschutz, also Sammeln verboten! Zur Gewinnung des Öls werden hierzulande Kulturen rund um Sonthofen in einer Höhe zwischen 800-1.600 Metern angebaut. Wildsammlungen sind nur noch in Österreich, Italien und einigen europäischen Ländern erlaubt, aber natürlich nur sehr begrenzt, denn vom Keimen eines jungen Samens bis zum Erhalt des ätherischen Öls dauert es etwa 10 Jahre!

Das ätherische Öl wird durch Wasserdampfdestillation der frischen Nadeln, jüngeren Äste und Zweigspitzen gewonnen und setzt sich vorwiegend aus den Substanzen Caren, alpha- und beta-Pinen, beta-Phellandren und Limonen zusammen.
Es wirkt innerlich und äußerlich. Als Inhalation verwendet, kommt die schleimlösende Wirkung zu tragen, das Bronchialsekret wird dünnflüssiger, gleichzeitig wird der Abtransport aus den Atemwegen gefördert und ist daher sehr gut bei Husten und Schnupfen. Außerdem wird das Wachstum von Bakterien gehemmt! Schön auch als Zusatz zum Sauna-Aufguß.

Auf der Haut angewendet macht es schnell warm, denn die aromatischen Substanzen regen die Durchblutung an. In Form von flüssigen Einreibungen – der berühmte Latschenkiefern-Franzbranntwein – oder Salben lockert es die verspannte Muskulatur und hilft so z.B. bei Muskelkater, Rückenschmerzen oder Gelenkbeschwerden. Auch Duschbädern oder Badezusätzen wird es gerne beigeben. Latschenkiefernöl sollte man aber auf jeden Fall nicht pur auf der Haut anwenden, es kann stark reizen, bei Babies und Kleinkindern kann selbst die verdünnte Version bei Kontakt mit Mund und Nase evtl. Atemnot auslösen. Beim Badezusatz richtig dosieren, besonders wenn Sie unter Herz-Kreislaufbeschwerden, Krampfadern oder fieberhaften Infekten leiden. Vorsicht generell auch bei der Anwendung des Öls bei Asthma. Aber ansonsten: wie schon mein Opa, der ja auch Apotheker war, selbst praktizierte: eine Einreibung mit einem „Latschenkiefern-Franzbranntwein“ ist eine wahre Wohltat für die Muskeln und Gelenke, lindert Krämpfe, Verspannungen und Schmerzen und spendet, so wie ich finde, ein wunderbar frisches Körpergefühl – schließlich liebe ich ja heute den Geruch!

Lärche (Larix decidua)
Die europäische Lärche ist eine der weltweit etwa 12 verschiedenen Lärchenarten und gehört zur Familie der Kieferngewächse. Bereits vor 60 Millionen Jahren wuchsen sie auf der Erde, fossile Funde bestätigten außerdem, dass sie sich vor rund 1 Million Jahren von Sibirien nach Europa ausbreiteten. Der Name Lärche leitete sich ab von Larix – so nannten die Gallier den seltsamen Baum, der sich vom sommerlichen Frischgrün bis hin zum Herbst ins leuchtende Goldgelb verwandelt, um nach kurzer Zeit kahl dazustehen – also im Winter seine Nadeln verliert, in Gegensatz zu allen anderen heimischen Nadelhölzern. Die europäische Lärche kann bis zu über 50 m hoch und über 1.000 Jahre alt werden. Das Holz gilt nicht zu Unrecht als „Eiche unter den Nadelhölzern“ und war so u.a. im Brücken- oder Schiffsbau sehr beliebt, sowie auch als Schindelholz. 2012 wurde die Lärche als Baum des Jahres gewählt. Ihr Harz gehört schon seit langer Zeit zu den begehrten Heilmitteln, da es bedeutend besser war als das billigere Kiefernharz. Die Bäume wurden angebohrt und der heraustretende Harzsaft gesammelt, gereinigt und unter dem Namen Terpentin in den Handel gebracht. Besonders in Südtirol wurden große Mengen des Harzes gewonnen und in Venedig als Hauptumsatzplatz verkauft.

Das Lärchenharz ist eine gelblich-bräunliche, honigdicke Flüssigkeit. Es riecht feiner als alle anderen Harze, schmeckt würzig und leicht bitter. Es enthält bis zu 8% Wasser, bis zu 18% Terpentin, der Rest besteht aus Kolophonium, einer bernsteinartigen Masse, die auch heute noch für Violinbögen und in der Farbindustrie verwendet wird. Durch Destillation werden Terpentin und Kolophonium getrennt. Die Inhaltsstoffe des Lärchenharzes sind v.a. Ätherisches Öl – 14-15% – in erster Linie Pinene, daneben Harzsäuren, Bernsteinsäuren, Bitterstoffe und Farbstoffe.

In der Volksmedizin wurde das Lärchenharz hauptsächlich zur Salbenherstellung genutzt (z.B. bei Furunkeln, schlecht heilenden Wunden oder rheumatischen Beschwerden) – auch heute noch ist es in handelsüblichen naturheilkundlichen Präparaten enthalten – aber es wurde auch mit Honig vermengt eingenommen und sollte gegen Blasen- und Steinleiden sowie gegen Würmer helfen. Allerdings wurde schon damals darauf hingewiesen, dass bei häufiger Einnahme Nierenprobleme auftreten können und dass das zu intensive Einreiben Schwellungen und Blasenbildung auf der Haut verursachen können.

Die Heilige Hildegard von Bingen empfiehlt bei Ekzemen, Ausschlägen und Hautflechten eine Salbe aus 10 g Lärchenbaumspitzen, möglichst jung, die zu einem Brei verarbeitet und in 100 g frischem Schweineschmalz nach kurzem Erwärmen verrührt werden. Auf die entsprechenden Hautstellen 1 x täglich einmassieren. Diese Salbe gibt es allerdings nicht fertig, hier muss schon selbst gesammelt werden…
Auch interessant zu wissen: In der Bachblüten-Therapie ist das Mittel „Larch“ gedacht für Menschen mit mangelndem Selbstwertgefühl, Versagens- und Prüfungsängsten.

Zirbe/Zirbelkiefer (Pinus cembra)
Diese Pflanze, auch Arve genannt (ein uralter Name aus vorromanischer Zeit), ist ein Baum des Hochgebirges. Vor allem in den Zentralalpen bildet sie die obersten Wälder und klettert in Höhen von 2.500 m und darüber, wird bis zu 1.000 Jahre alt und galt als „Königin der Alpen“. Der Name Zirbe wurde ursprünglich nicht für den Baum selbst, sondern für seine Zapfen verwendet. Im Althochdeutschen bedeutete zirben soviel wie „sich im Kreise drehen“. Die Samen werden demzufolge als „Zirbelnüsse“ bezeichnet. Sie sind übrigens die Hauptnahrungsquelle der Tannenhäher, die durch ihre vergessenen Vorratsdepots für die Verbreitung der Zirben sorgen.

Die positiven Wirkungen des Zirbenholzes werden bereits seit Jahrhunderten genutzt. Seinen Inhaltsstoffen wie Limoson, verschiedenen Flavonoiden und ätherischen Ölen ist es zu verdanken, dass das Holz zur Entspannung beitragen kann. Laut diversen Forschungen soll die Schlafqualität durch Senkung des Herzschlages deutlich verbessert werden (Zirbenholzbetten oder Schlafkissen gefüllt mit Spänen). Viele alte Häuser enthalten Schindeln, Möbel oder ganze Stuben aus Zirbenholz, die auch nach Jahrzehnten einen warmen, balsamischen Duft verbreiten.

Das ätherische Zirbenöl wird durch Wasserdampfdestillation der Zweige samt Nadeln und Zapfen gewonnen und ist ein hervorragendes Mittel zur Raumluftreinigung. Schlechte Gerüche wie Küchendunst oder Zigarettenqualm werden sehr gut neutralisiert. Auch Motten können diesen Geruch absolut nicht leiden. In der Duftlampe spendet eine Mischung 1:1 mit Mandarinenöl Wohlbefinden. Ein Milchbad mit einigen Tropfen Öl zugesetzt pflegt nicht nur die Haut, sondern auch die Psyche. Bei Erkältungskrankheiten reinigt  und stärkt eine Inhalation mit Wasserdampf die Bronchien. Eine Spezialität im Alpenraum ist auch der Zirbenschnaps, bei dem 3-4 Zapfen und etwas brauner Zucker pro Liter mehrere Wochen eingelegt werden. Der „Einsatz“ ist häufig nach einer Brotzeit auf einer Berghütte zur besseren Verdauung.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine wunderschöne Zeit in unseren Alpen!

Ihre Apothekerin Simone Wagner

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