Menschen

Ein hartes Stück Alpleben im Paradies der Jägerhütte

Die neuen Pächter der Alpe auf dem Tegelberg

Mein Auftrag: ich soll über die neuen Pächter der Jägerhütte schreiben. Ja, mach ich gerne. Am Wochenende verspricht der Wetterbericht gutes Wanderwetter. Die Tour zur Jägerhütte ist eine sehr schöne und nicht besonders anstrengende Tour, also fahre ich am Samstag mit der ersten Bahn auf den Tegelberg. Ich mag die „Große Bleckenaurunde“ sehr gerne, denn ich muß nicht lange laufen, um in einer völlig anderen Welt zu sein. Begleitet vom Gepolter des Steinschlages, den die Gemsen mit ihren Kletterkünsten verursachen, treffe ich auch bald das erste Jungvieh auf den Weiden. Das Wetter ist schön und ich bin mir selbst genug. Der pure Genuß. Ich laufe rauf und runter über Stock und Stein, bis ich nach ca. 2,5 Stunden Wanderung von oben auf die Jägerhütte blicke und mich freue, die neuen Pächter der Hütte kennenlernen zu dürfen. Stefan Kassebaum und Johanna Ressle. Sie sind sehr jung und haben sich entschieden, für drei Monate im Paradies der Alpe Jägerhütte zu leben und zu arbeiten.

Sie kümmern sich um das Vieh der Schwangauer Bauern und bewirten die Wanderer und Radler. Im ersten Moment klingt das sicher alles sehr romantisch. Hier denkt jeder Unwissende sofort an glückliche Kühe, eine hübsche Sennerin, einen kräftigen Hirten und die absolute Glückseligkeit im Heidiland. Romantische Sonnenuntergänge, grüne Wiesen, steile Berge  und eine Liebschaft in der abgeschiedenen Bergwelt. So jedenfalls suggerieren seit Jahren die Medien das Leben auf der Alp. JA, eines ist sicher, den Schwangauer Schumpen(Jungvieh) geht es sehr gut  in dem hohen Kessel rund um die Jägerhütte. Die Alpe Jägerhütte liegt auf 1.422 Metern und befindet sich mitten im Naturschutzgebiet Ammergebirge. Rund 100 Stück Jungvieh dürfen dieses Jahr den Sommer von Mitte Juni bis Mitte September bei saftigem Gras und köstlichen Kräutern auf der Alpe genießen.  Ich beneide das Jungvieh ein bisschen für dieses unbeschwerte und glückliche Leben.

NEIN,  Stefan und Johanna, die neuen Pächter der Jägerhütte, sind kein Liebespaar, der weißblaue Himmel hängt nicht voller Geigen, sie sind ein Arbeitsteam. Sie bewirtschaften gemeinsam die Alpe Jägerhütte mit allem was dazu gehört. Beide sind erst 23 Jahre jung, kommen aus dem oberbayrischen Schongau, kennen sich seit Kindheitstagen und sind immer schon Nachbarn. Johanna stammt aus einem – bereits seit  1989 – biologischen Vollerwerbsbetrieb, mit Milchwirtschaft, Mutterkuhhaltung, Getreide- und Obstanbau wie Holzwirtschaft.  Stefan ist gelernter Maurer, war als Nachbarkind aber quasi in den Hof schon immer integriert. Sie kennen sich aus, sie sind vom Fach, besser geht es nicht.

Die Alpe Jägerhütte  stand 2016 zur Neuverpachtung und so beschlossen die Zwei einfach, es einen Sommer lang zu versuchen. Es ist sicher eine Herausforderung, gerade weil sie kein „Paar“ sind.  Sie haben aber eine gute Basis und Grundvoraussetzung gemeinsam: Die Liebe zur Natur, zu den Tieren, zur Abgeschiedenheit und zum einfachen Leben.  Sie kennen sich gut und eventuelle Machtkämpfe haben sie schon im Sandkasten geklärt.

Es sind lange Tage dort oben und die Arbeit nimmt kein Ende. Um 5.30 Uhr am Morgen schauen sie als Erstes nach den Schumpen. Sind sie alle noch da, hat sich keines verstiegen oder gar eines verletzt. Viel Zeit bleibt ihnen nicht bei der morgendlichen Tour, es muß alles sehr flott gehen, denn schon am Vormittag kommen die ersten Radler und Wanderer auf die Hütte.

Johanna ist bereits Hauswirtschaftsmeisterin, sie kümmert sich mit Stefan um die Hütte und Beide versorgen die Gäste mit Brotzeiten, Kaffee und Kuchen oder erfrischenden Getränken. Ganz einfach ist das Leben nicht auf der Jägerhütte. Holz hacken, Feuer machen, denn Strom und warmes Wasser sind keine Selbstverständlichkeit. Es gibt zwar Solarstrom, aber halt nur, wenn die Sonne scheint.  Elektroherd, Kaffeemaschine oder gar eine Spülmaschine, daran ist nicht zu denken.

Trotzdem bezeichnet Stefan das Leben auf der Alp „eigentlich schon sehr komfortabel. Wir haben fließendes Wasser, sogar ein Boiler, der uns ab und zu eine lauwarme Dusche erlaubt“. Johanna meint lachend: „Wir haben sogar eine kleine Waschmaschine, sie läuft auch gut, aber eben nur wenn die Sonne kräftig scheint, das empfinde ich als gewissen Luxus“.

Trotzdem erinnert es ein bisschen an Großmutters Zeiten. Der alte „Wamsler“ in der Wohn –und Gastküche der Jägerhütte ist ein alter Ofen, der mit Holz geschürt wird. Er dient mit seinem sog. „Schiffchen“ an der Seite als Heisswasserspender zum Geschirr spülen und natürlich auch als Backofen und Herd zum Kochen. Durch Herausnehmen der verschiedenen Ringe in der Herdplatte kann man die Temperatur regeln. Auf meine Frage, ob Johanna mit dem alten Ofen klarkommt, erwidert Stefan nur ganz trocken: „Die hat das schon drauf, sie backt sogar Kuchen in dem Teil“, ein bisschen Stolz ist da durchaus zu hören.

Trotzdem ist es kaum vorstellbar, dass so junge Menschen ohne Smartphone, iPad oder PC zurechtkommen.  O-Ton Stefan: „Braucht´s it. Da hinten in der Wiese ist zwar so eine Stelle, wo man manchmal Empfang hat, quasi unsere Telefonzelle, aber halt nur manchmal“.

Es sind lange und harte Arbeitstage für die Zwei.  Die Jägerhütte ist von den Schwangauer Gästen wie auch von den Einheimischen stark frequentiert. Vom Tegelberg gibt es einen schönen Wanderweg zur Hütte, genauso von der österreichischen Seite über den Schützensteig vom Hotel Ammerwald her. Am Abend nützen die Einheimischen die anspruchsvolle Radlstrecke  als Ausgleich zum täglichen Stress.  Da gibt es viel zu tun, um alle zu versorgen.  Stefan und Johanna  kriegen das gut hin und sehen es sehr gelassen. Man kann schon erkennen, sie sind ein eingespieltes Team von Kindesbeinen an. Ein normaler Arbeitstag hat 14 bis 16 Stunden, denn am Spätnachmittag müssen sie auch nochmal nach dem Vieh schauen, und das ist kein Spaziergang. „Wenn am Dienstag Radlerabend ist, dauert es auch oft ein paar Stund länger. Dann ist die Nacht halt kurz, aber das passt schon“,  grinst Stefan schelmisch.

Ich habe das Gefühl, die Zwei machen ihre Sache richtig gut. Mit einer Portion Gelassenheit, sich ihrer Verantwortung absolut bewusst, viel Charme, großem Einsatz und jugendlicher Leichtigkeit.

Es sei ihnen zu wünschen, dass sie im September beim Viehscheid eine gesunde Herde mit einem schön geschmückten Kranzrind ins Tal bringen dürfen.

Text: VIA · Bild: Biolandhof Ressle, Schongau

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