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Vermeintliche „Unkräuter“ – gut schmeckend, gesund und nützlich

Vielleicht erinnern Sie sich: vor 2 Jahren habe ich schon einmal etwas zu diesem Thema geschrieben, aber es gibt doch noch einige Pflanzen, die in diesem Zusammenhang auf jeden Fall noch erwähnt werden sollten. „Unkraut“ ist eigentlich kein sehr schönes Wort, wird aber immer noch gerne von Gärtnern für Pflanzen verwendet, die ihre fein säuberlich gepflegten Beete oder den englischen Rasen stören. Diese Pflanzen, die heutzutage Zuchtblumen und Kulturgemüse weichen müssen, waren früher Kernbestandteil einer gesunden Ernährung, aber auch der Heilkunde. Der Schweizer Kräuterpfarrer Künzle sagte einmal: Wenn die Menschen das Unkraut nicht nur ausreißen, sondern einfach aufessen würden, wären sie es nicht nur los, sondern würden auch noch gesund.

Gundermann (Glechoma hederacea)

Der Name Gundermann oder auch Gundelrebe aus der Familie der Lippenblütler rührt her von seiner Verwendung bei Eiter, der früher oft als „Gund“ bezeichnet wurde. Der Beiname „hederacea“ bedeutet „efeuartig“ und bezieht sich auf die Blattform. Er wächst in fast allen Teilen Europas und zwar gerne unter Bäumen und Sträuchern, in Hecken, auf Wiesen oder in Laubwäldern und liebt feuchte Böden.
Der Gundermann ist eine alte Heilpflanze, sie spielte auch im Aberglauben des Mittelalters eine große Rolle. Bei den germanischen Völkern war sie dem Donnergott Donar geweiht, deswegen wurden Sträußchen davon in den Behausungen aufgehängt, um vor Blitzschlag zu schützen. Auch als Milchzaubermittel wurde sie verwendet, die erste Milch nach dem Austrieb wurde vorsorglich durch einen Gundelrebenkranz gemolken.

Die Heilige Hildegard von Bingen verwendete Gundermann gegen Fieber, chronischen Husten, bei allgemeinen Erschöpfungszuständen und Müdigkeit und der Gelehrte Leonhard Fuchs empfahl ihn in seinem „New Kreuterbuch“ von 1543 u.a. als schweisstreibendes Mittel gegen allerlei Gifte. Ebenfalls im 16.Jhd. war es der Kräuterarzt John Gerard, der ihn für Ohrenerkrankungen einsetzte. Als besondere Inhaltsstoffe sind enthalten: ätherisches Öl, Bitterstoffe, Flavonoide, Gerbstoffe, Kalium, Saponine und Vitamin C.

In der Volksmedizin wird der Gundermann gerne verwendet bei chronischer Bronchitis, Schnupfen, Schleimhautentzündungen, er stärkt Herz und Kreislauf und dient als Kräftigungsmittel bei allen langwierigen und zehrenden Krankheiten, langwierigen Stoffwechselerkrankungen wie Magenschleimhautenzündung und immer dann, wenn Eiter mit im Spiel ist. Für die äußerliche Anwendung bei Ausschlägen, Ekzemen, Ischias und Gicht kann man ein Bad aus dem Kraut zubereiten: 5 Handvoll in 5 L Wasser aufkochen, abseihen und ins Badewasser geben. Etwas Besonderes ist das sogenannte „Wunderblättchenöl“ zum Einreiben bei schlecht heilenden Wunden: 2 große Handvoll frisches Gundermannkraut in ein Schraubglas geben und wie Sauerkraut zusammenstampfen. Sind die Blätter eng zusammengepresst, das verschlossene Glas für einige Tage an einen warmen und sonnigen Ort stellen. Am Boden des Glases bildet sich eine Flüssigkeit, diese wird abgeseiht und in einer dunklen Flasche kühl aufbewahrt. Herstellung am besten im Hochsommer.

Ein interessantes Rezept bei Heuschnupfen: Nasentropfen – 250 ml Wasser mit ¼ TL Meersalz kochen, ½ TL Gundermann und 1 TL Salbei zugeben, 10 min. ziehen lassen, abseihen und dann mit einer Pipette in die Nase träufeln.

Knoblauchsrauke (Allaria petiolata)

Etwa im Mai blüht u.a. in Hecken oder am Waldrand (und in meinem Hochbeet!) gerne dieses Kraut aus der Familie der Kreuzblütler, zu denen auch der Kohl gehört. Beim Zerreiben riecht es deutlich nach Knoblauch, schmeckt auch ähnlich, hat aber zusätzlich eine erfrischende Bitternote. Es wächst in allen gemäßigten Zonen Europas bis hin zum Ural und sogar bis in Höhen von 1.700 Metern.

Die Knoblauchsrauke gehört zu den ältesten heimischen Gewürzpflanzen. Im Mittelalter wurde sie ebenfalls mit Absicht in den Gärten angebaut, denn sie diente der armen Bevölkerung, die sich Salz und teure Gewürze nicht leiste konnte, als wichtiges Gewürz. In der Volksheilkunde gilt die Knoblauchsrauke als entzündungshemmend und antibiotisch, ein Tee aus frischen Blättern lässt sich für Umschläge verwenden, z.B. bei schlecht heilenden Wunden oder Zahnfleischentzündung. Auch eine harntreibende und blutreinigende Wirkung wird ihr nachgesagt. Gut also als Frühjahrskur. Selbst eine Unterstützung bei Asthma, Bronchitis oder Rheuma wird erwähnt. Allerdings verliert das Kraut in getrockneter Form seine positive Wirkung. Das ist aber nicht ganz so schlimm, da die Pflanzen fast das ganze Jahr über grün sind.

Zum Würzen ist sie geradezu genial, denn schon ein paar Blätter im Salat verleihen diesem einen dezenten Knoblauchgeschmack, ohne dass sich der gefürchtete Mundgeruch einstellt. Der gleiche Effekt macht sich in Kräuterquark, Pesto oder Kräuterbutter bemerkbar. Zum Kochen ist sie allerdings nicht geeignet, dann verliert sie ihr typisches Aroma. Wer es gerne  pikant mag, sollte die grünen Samenschoten probieren, die man ein paar Wochen nach der Blüte ernten kann. Sie schmecken wie eine Mischung aus Kresse und Peperoni und machen, in Öl eingelegt, dieses zu einem echten Scharfmacher für Salate oder Fleisch. Im Herbst lässt sich die Wurzel als Gewürz ähnlich wie Meerrettich verwenden, fein geschnitten in Kartoffelgerichten oder Aufläufen. Die Samen können wie Senf eingesetzt werden, haben allerdings einen derberen Geschmack. Lassen Sie bitte bei der Ernte immer ein paar Pflanzen stehen, denn auch die Tierwelt schätzt die Knoblauchsrauke. Sie ist u.a. eine der Hauptnahrungspflanzen für die Raupen des Aurora-Falters. Auch Landschildkröten und Nymphensittiche lieben das würzige Kraut.

Vogelmiere (Stellaria media)

Sie wird den Nelkengewächsen zugeordnet, wächst unermüdlich, bildet übers Jahr bis zu 6 Generationen und blüht selbst im Winter an frostfreien, sonnigen Stellen. Ihr volkstümlicher Name „Hühnerdarm“ rührt wahrscheinlich daher, weil beim Auseinanderziehen des Stängels eine Art „Darm“ sichtbar wird. „Miere“ kommt von „Mauer“ oder französisch „mur“ und deutet auf den bevorzugten Standort der Pflanze an schattigen, feuchten Mauern hin. Die Samen werden gerne von Vögeln, insbesondere von Hühnern und Gänsen gefressen.

Die Vogelmiere steht wohl schon sehr lange mit dem Menschen in Verbindung. Fossile Funde aus der letzten Eiszeit legen die Vermutung nahe, dass sie bereits für die Neandertaler ein wichtiger Vitaminspender war. Im Mittelalter wurde sie als kühlendes, reinigendes, leicht abführendes  Mittel verwendet.  Die Heilige Hildegard von Bingen riet sie an zur Auflage bei Blutergüssen. Sebastian Kneipp empfahl sie als Lungenkraut im eigentlichen Sinne: schleimlösend, einsetzbar bei Bluthusten (die damals weit verbreitete Tuberkulose), aber  auch bei Hämorrhoiden, Verschleimungen der Niere  und schlecht heilenden Wunden.

Pfarrer Künzle setzte sie besonders bei Kindern ein, sie sollte bei häufigen Lungenentzündungen und bei Erkrankungen der Lymphdrüsen positiv wirken.
Des Weiteren wird sie als Mittel für die Augen empfohlen, um die Sehkraft zu stärken und zudem herzschwachen Menschen zu helfen. Sogar eine cholesterinsenkende Wirkung wird ihr nachgesagt.

Inhaltsstoffe sind Saponine, Kieselsäure, Vitamin C (50 g davon decken den Tagesbedarf!), Karotin, Kalium, Kupfer, Magnesium und Phosphor. Als wertvolles Wildgemüse stärkt sie besonders im Herbst und Frühling  durch den hohen Kupfergehalt unser Immunsystem. In einem Hustentee könnte man sie (zu gleichen Teilen) mischen mit Spitzwegerich, Quendel, Schachtelhalm und Primelwurzel.

Eine Creme daraus lindert Hautausschläge, Verbrennungen, Schürfwunden, kleinere Verletzungen und dient zur Narbenpflege. Gut ist ebenfalls ein Heilöl: in ein Schraubglas füllen und mit hochwertigem Oliven- oder Mandelöl aufgießen. Verschlossen 7 Tage bei Zimmertemperatur ziehen lassen, gelegentlich schütteln, abseihen und an einem dunklen, eher kühlen Ort aufbewahren. Natürlich kann die Vogelmiere auch in der Küche verwendet werden. Ihr angenehmer, mildwürziger Geschmack erinnert an rohe Maiskolben. Da sie sehr zart ist, kann sie jedes Salatgemüse ergänzen.

Vorsicht gilt aber auf jeden Fall beim Sammeln: eine Verwechslungsgefahr besteht mit dem Ackergauchheil, einer leicht giftigen Pflanze. Ein eindeutiges Merkmal der Vogelmiere ist die einzelne Haarlinie, die am Stängel emporwächst.
Sie sehen also: was so gerne als Unkraut bezeichnet wird, ist oftmals doch sehr wertvoll!
Darum – nicht immer alles gleich herausreißen….

Ihre Apothekerin Simone Wagner

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