Menschen

Intensivpflege mit Familienanschluss

Das Familienleben mit Down Syndrom meistern

Michael ist acht Jahre alt. Für sein Alter ist er sehr aufgeweckt, ein kleiner Charmeur, der weiß, wie er die Menschen um sich herum um den kleinen Finger wickeln kann. Dabei muss er nichts tun, ausser sein fröhliches Lachen zeigen und seinen Allgäuer Dialekt sprechen. Hochdeutsch kann er sowieso nicht, abgesehen vom ABC, das er perfekt aufzählen kann. Einmal in der Woche kommt seine Lehrerin zu ihm nach Hause. Sie bringt ihm Schreiben und Lesen bei. Für seine Mutter ist Michael ein Goldschatz. Wenn er aufsteht, geht für sie die Sonne auf. Als Michael geboren wurde, prognostizierte der behandelnde Professor Michael eine dreitägige Lebensdauer und falls er das schaffen sollte, würde er das Schulalter niemals erreichen können. Michael hat ein Down Syndrom mit einem nicht operablen Herzfehler und krankhaften Verlagerungen von Darmteilen in der Brusthöhle. Diese Krankheit, auch Enterothorax genannt, ist normalerweise operabel. Bei Michael Fahl ist das nicht möglich. Tests ergaben, dass er keine Narkose verträgt. Würde der Eingriff trotzdem vorgenommen werden, würde die Mortalitätswahrscheinlichkeit bei 80 Prozent liegen.

Rund um die Uhr wird der Achtjährige mit Sauerstoff versorgt. „Er hat eine 60-prozentige Sauerstoffsättigung. An guten Tagen, und die gibt es nur selten, erreicht er auch mal eine 80-prozentige Sättigung“, erzählt Andrea Altstetter. Seit drei Jahren kümmert sich die Pflegefachkraft vom ambulanten Pflegedienst Pro Medita um den kleinen Jungen. Sie und ihre Kollegen und Kolleginnen sind ein Teil der Familie geworden. Besonders Andrea Altstetter hat Michael in sein Herz geschlossen. „Ich bin ihr allerbester Freund“, sagt er lachend. Als Veronika Fahl mit Michael schwanger wurde, war sie 43 Jahre alt. Sie wusste, dass Michael ein Down Syndrom hat. Die Ärzte rieten ihr zur Abtreibung. „Das Down Syndrom hat mich nicht abgeschreckt. Im Gegenteil. Ich habe lange Zeit in der Langau gearbeitet und da habe ich viel zu tun gehabt mit Menschen, die ein Down Syndrom hatten. Das waren so liebevolle und fröhliche Menschen. Ich habe mich bewusst für ihn entschieden“, erzählt sie in der kleinen Küche ihres Hauses in dem oberbayerischen Dorf Prem. Gemeinsam mit ihrem Mann und den drei Kindern, mittlerweile 34, 27 und 20 Jahre, besprach sie die Situation. Letztendlich waren alle dafür. „Wissen Sie, ich habe nicht das Recht zu richten. Jeder Mensch hat hier auf dieser Welt seine Aufgabe zu erfüllen. Auch unser Michael.“ Veronika Fahl ist gläubig und dankbar für jeden Tag, den sie mit Michael erleben dürfen. Unterstützung bekommt sie von ihrer Familie, dem Bunten Kreis und Pro Medita. Letztere sind Tag und Nacht für Michael da. „Wir sind alle froh, dass die Chemie zwischen den Pflegefachkräften und uns passt. Ab dem Augenblick, wenn man so eine Hilfe benötigt, gibt es keine Privatsphäre mehr. Man offenbart sein ganzes Privatleben, ob man es nun will oder nicht. Jetzt essen wir gemeinsam, wir lachen, weinen, reden…“, erzählt die 51-jährige Mutter.

Seit seiner Geburt wurde Michael palliativ von der Haunerschen Kinderklinik in München betreut. „Leider hatten wir auch Notsituationen“, erinnert sich Andrea Altstetter. Ein paar Mal mussten die Palliativ-Ärzte nach Prem ausrücken. „Es ist ein furchtbares Gefühl, das man nicht beschreiben kann“, so Veronika Fahl. Die ersten Jahre betreute sie ihren Sohn noch alleine mit der Familie. Heute ist sie dankbar um die Hilfe und um ihre Arbeit, die sie wieder aufgenommen hat. „Wie paradox es sich auch anhören mag, aber die paar Stunden, die ich ausser Haus bin, helfen mir, Kraft zu tanken für Michael. Ich schiebe dann die Angst ganz weit weg von mir. Ich muss stark sein.“ Andrea Altstetter und Veronika Fahl sind Freundinnen geworden. Sie sitzen gemeinsam am Küchentisch und schauen Michael zu. Ihm ist langweilig, er will Action und haut gegen den Stuhl von Andrea. Raus gehen und Spielen kann er nicht. „Seine Krankheit lässt es nicht zu. Bewegung strengt ihn sehr an“, erklärt die Pflegefachkraft. Und trotzdem ist er ganz „normal“ wie alle anderen Gleichaltrigen auch. Er fordert sein Gegenüber, er ist wissbegierig, liebt Spiele und Musik und sein perfektes Frühstück, das aus Salami und Breze besteht. Bald hat er Kommunion. Michael weiß wahrscheinlich nicht, was das für seine Eltern bedeutet. Es ist ein Stück Normalität, aber auch gleichzeitig die Angst, dass es ihm, je älter er wird, schlechter gehen könnte.

Claudia Grotz, Geschäftsführerin des ambulanten Pflegedienstes Pro Medita, kennt diese Sorgen und Ängste der Familienangehörigen. Seit Jahren betreuen sie intensivpflegebedürftige Kinder. „Das ist noch mal was ganz anderes. Kinder erscheinen einem sehr zerbrechlich, doch meist sind sie die Stärkeren in der Familie. Oft sind sie mit den gesundheitlichen Einschränkungen geboren. Sie kennen es nicht anders“, so Claudia Grotz. Ihr Pflegedienst ist ist rund um die Uhr tätig. 70 Mitarbeiter beschäftigt Pro Medita, darunter auch Hauswirtschafterinnen, die sich um die Wohnung und Küche kümmern. Seit 15 Jahren ist der ambulante Pflegedienst in Füssen ansässig. Im Umkreis von 30 Kilometern um Füssen, auch im benachbarten Ausserfern, findet die Betreuung von Pro Medita statt. Die Intensivpflege von Erwachsenen und Kindern kann allgäuweit erfolgen. „Wir richten uns dort vor Ort ein, damit die Intensivpflege 24 Stunden lang gewährleistet ist“, erklärt Claudia Grotz.  Das Leistungsspektrum ist umfangreich. „Viele Kunden wissen oft gar nicht, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen dürfen. Erste Hilfestellung ist sicherlich das persönliche Beratungsgespräch. Hier kann der Kunde viele Informationen bekommen“, so die Geschäftsführerin.

Für die Intensivpflege für Kinder und Erwachsene sucht Pro Medita immer qualifizierte Mitarbeiter aus dem Bereich der Intensivpflege.

Text · Bild: Sabina Riegger

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