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Einer der ältesten Filmvorführer Deutschlands erzählt…

Füssener hat über mehrere Generationen Filme vorgeführt

Den Beruf gelernt hat er in einer Zeit, in der die Filme noch auf überdimensionalen Filmrollen aufgewickelt waren. In einer Zeit, in der es dafür Projektoren mit komplizierter analoger Technik gab. Anton Dachauer hat seinen Beruf nahezu 60 Jahre lang ausgeübt, er hat alle technischen Entwicklungen miterlebt, er kennt die Filmgeschichte. „Ich war schon immer filmverrückt“, sagt der gebürtige Füssener. „Der allererste Film, den ich jemals gesehen habe, war Eroica, der Film über das Leben des Komponisten Ludwig van Beethoven, der hat mich gefesselt. Irgendwann hab ich dann mal den Herrn Mayr, den damaligen Besitzer des Kinos getroffen, da hab ich ihn einfach gefragt, ob ich das machen kann. Er gab mir den guten Rat, diesen Beruf nicht als Hauptberuf auszuüben, also hab ich das jetzt gut 60 Jahre lang nebenbei zu meiner Tätigkeit als Bäcker gemacht“.

An seinen ersten Arbeitstag kann er sich auch heute noch sehr gut erinnern. Es war der erste Mai 1956, als er zum ersten Mal einen Film eingelegt hat. Das Kino, in dem das passierte, war damals in der Reichenstraße untergebracht, im Haus des ehemaligen Hotel Post. Dort, wo man heute durch die bunt gefüllten Regale des Kaufhaus Woolworth bummelt, saß man damals in den plüschigen Sesseln der Kammerlichtspiele, dem ersten Füssener Kino. Immerhin beherbergte die Lechstadt ab den 50er Jahren insgesamt vier Lichtspielhäuser. Neben den Kammerlichtspielen und dem Alpenfilmtheater kamen mit dem „Metropol“ 1955 und dem „Rex“ 1959 noch zwei weitere dazu, lange bevor der Fernsehapparat in den Wohnungen der Füssener Einzug hielt.

Hochexplosives Filmmaterial

Der Filmvorführer war damals ein richtiger Ausbildungsberuf, den man am Ende auch mit einer Prüfung abschließen musste. Schließlich waren für diesen Beruf auch spezielle technische Kenntnisse notwenig. „Die Lampen für die Projektoren wurden damals noch mit Pohlen bedient. Da gab es Plus- und Minuspohle und wenn man nicht aufgepasst hat und aus Versehen die Pole verwechselt hat, dann gab es eben eine Pause während der Vorführung, solange, bis man das wieder repariert hat.“ Dazu kommt, dass die sogenannten Nitrofilme, die damals benutzt wurden, aus einem höchst feuergefährlichen Material hergestellt waren. Für einen normalen Film mit rund 90 Minuten Länge gab es fünf bis sechs Teile, jeweils Spulen mit 400 Meter Film, die man dann alle 20 Minuten wechseln musste. „Die Kunst war es, vorher auszumessen, wie lange man für die Überblendung der beiden Filme braucht, so dass die Zuschauer davon gar nichts merken.“ Ein paar Jahre später war das Überblenden nicht mehr nötig, weil die Filme dann vor dem Abspielen zusammengeklebt und auf riesigen Tellern aufgewickelt wurden. „Wenn man dann den Film von Kino 3 ins Kino 4 tragen sollte, musste man nur aufpassen, dass einem der Teller nicht aus der Hand gerutscht ist, denn zum Aufwickeln einer solchen Rolle hat man dann schon etwas länger gebraucht.“

Zwischen zwei Kinos hin und her

In Krankheitsfällen kam es auch vor, dass Anton Dachauer für einen Kollegen einspringen musste, auch wenn der in einem anderen Kino Dienst hatte. So kam es, dass er einmal seine Arbeit gleich in zwei verschiedenen Kinos leisten musste. „Ich bin dann ständig mit dem Radl zwischen den Kammerlichtspielen und dem Metropol hin und her gefahren, schließlich musste man ja alle 15 bis 20 Minuten die Rollen wechseln, das hat alles gut geklappt, denn ich wusste ja, wie lang die einzelnen Teile sind.“

Weltberühmte Filme und großartige Darsteller

Die meisten der Filme, die Anton Dachauer eingelegt hat, bleiben bis heute in fester Erinnerung, obwohl es einige tausende sein dürften. „Bei dem Film Wien, du Stadt meiner Träume, einer österreichischen Liebeskomödie, habe ich meine Frau kennengelernt“, lacht er. „Natürlich hab ich da schon auch vorher mal ab und zu ein Mädel mit hoch genommen, um es zu beeindrucken.“ Da die Region um Füssen und vor allem rund um die Schlösser schon damals ein beliebter Ort für die verschiedensten Filmdrehs war, hatte Anton Dachauer auch oft Gelegenheiten, echte Filmluft zu schnuppern.

Ob beim Dreh von Wehe wenn sie losgelassen, Gesprengte Ketten oder auch Ludwig war er oft dabei, zumal er als Vorführer auch gelegentlich für die gesamte Filmcrew im Einsatz war. „Oft wurden Filmteile oder am Ende auch der ganze Film von dem gesamten Team zusammen angesehen, das war dann meist auch hier in Füssen.“ Dachauer führte die Filme den Darstellern und Regisseuren vor, konnte bei diesen Gelegenheiten auch einige Worte mit vielen WeltStars wechseln. Darunter waren große Namen wie Peter Alexander, Steve McQueen, Charles Bronson, Helmut Berger, Romy Schneider oder Regisseur Luchino Visconti. „Ich hatte ein Fotoalbum, das ich vor langer Zeit im Rex Kino deponiert hab, leider ist das irgendwann einmal verschwunden, seitdem hab ich aus dieser Zeit gar nichts mehr.“ Auch von den sogenannten Lederhosen-Filmen hat Anton Dachauer einiges mitbekommen, immerhin wurden die damals als sehr obszön angesehenen Streifen allesamt in der Umgebung gedreht. „Die sechs Schwedinnen waren übrigens gar keine Frauen aus Nordeuropa, es waren alles Schauspielerinnen aus Deutschland“, schmunzelt er.

Eine der schwersten Fragen, die einem Filmvorführer wohl gestellt werden kann, ist die Frage nach dem wohl besten Film aller Zeiten. Giganten mit James Dean steht hier für Anton Dachauer ganz oben auf dieser Liste. „Ich bin ein Romantiker“, gibt er ganz offen zu und lacht, „deswegen ist auch diese neue Kinotechnik nicht wirklich was für mich. Ich schau mir auch gerne mal wieder einen Schwarz-Weiss oder sogar einen Stummfilm an, da bin ich eben ganz der Alte.“

Text · Bild: Lars Peter Schwarz

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