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„Verborgene Süchte“ – wenn Kauf- oder Spielsucht zum Problem werden

Vom Glücksspielautomaten, diesem Banditen, zur Schuldnerberatung

Das größte Problem ist, dass ein Betroffener sich nicht wirklich als Süchtiger bezeichnet. Süchtige, das sind doch Menschen, die regelmäßig illegale Drogen wie Cannabis, Kokain, Heroin oder andere Substanzen zu sich nehmen oder sich sogar intravenös zuführen. Jemand, der viel Zeit und Geld in Glücksspielautomaten investiert, ist doch nicht süchtig. Oftmals werden die Probleme eines Spielsüchtigen erst dann deutlich, wenn dadurch finanzielle oder soziale Probleme entstehen. Denn meist sind es nicht die Betroffenen selbst, die sich bei einer Beratungsstelle Hilfe und Rat erhoffen, es sind deren Angehörige, die keinen Ausweg mehr wissen. Im Ostallgäu gibt es dafür die Suchtberatungsstelle des Caritasverbandes. Sie hilft bei Problemen mit Alkohol, illegalen Drogen, Ess-Störungen oder eben auch der klassischen Glücksspielsucht.

Insgesamt suchen jährlich rund 700 Menschen landkreisweit Hilfe bei der Beratungsstelle, etwa rund 175 davon im Raum Füssen. Dabei liegt der Schwerpunkt nach wie vor auf illegalen Drogen, allerdings sind auch im südlichen Landkreis etwa 15 Menschen von Spielsucht betroffen. „Leider ist es viel zu oft der Fall, dass die Familienangehörigen dem Betroffenen über eine zu lange Zeit aushelfen, indem sie ihm Geld leihen“, erklärt Barbara Braunmüller, die die Beratungsstelle in Füssen und Kaufbeuren leitet. „Somit wird die Problematik nur verschoben, bis es dann zu einer finanziellen Not kommt.“ Oft sind die Betroffenen auch der Meinung, dass die durch Spielsucht entstandene finanzielle Not nur einen vorrübergehenden Zustand darstellt, der dann ganz automatisch behoben ist, wenn wieder Geld vorhanden ist. Wenn allerdings der Punkt der Aussichtslosigkeit einmal erreicht ist, kommen bei den Spielsüchtigen oft schwere Depressionen dazu, auch die Suizidgefahr kann bei den Betroffenen sehr hoch sein. Die Auswirkungen einer Spielsucht sind in den meisten Fällen dramatisch. Existenzen, Beziehungen oder ganze Familien gehen oft dabei kaputt, die Menschen verlieren ihre Kontakte. Dazu muss oftmals auch eine professionelle Schuldnerberatung mit einbezogen werden.
Das Spielen wird zu einer
Art Freizeitbeschäftigung

Doch wie groß ist die Versuchung in unserer Region, dem Glücksspiel zu verfallen ? Immerhin ist der Weg zur nächsten Spielbank weit, Spieler müssen entweder bis nach Garmisch-Partenkirchen oder Lindau fahren. Dennoch gibt es auch im Füssener Raum genug Möglichkeiten zu spielen, aktuell werden im gesamten Landkreis Ostallgäu derzeit 20 Spielhallen betrieben, bestätigt das Landratsamt in Marktoberdorf. Davon finden sich allein in Füssen sechs Spielhallen, in der Gemeinde Pfronten sind es zwei, in Nesselwang eine weitere. Je Spielhalle dürfen maximal zwölf Geldspielgeräte betrieben werden. Somit werden in den Spielotheken im Füssener Raum rund 80 Geräte betrieben. Dazu kommen einige kleinere Gast- oder Beherbergungsbetriebe, sowie Schank- und Speisewirtschaften, die über Konzessionen verfügen, maximal drei Automaten aufzustellen.

„In vielen Fällen ist es so, dass die Menschen eben gar nicht bewusst vom Glücksspiel abhängig werden“, erklärt Diplom-Psychologe Lutz Hoppe. „Man probiert das Spielen einfach mal aus, man gewinnt auch ab und zu mal und genau daran erinnert man sich dann immer wieder. Mit der Zeit entwickelt sich das Spielen dann zu einer Art Freizeitbeschäftigung. Bei Vielen entwickelt sich sogar ein eigener Automatismus, das geht soweit, dass ein Spieler seinen kompletten Tagesablauf nach seiner Sucht richtet. Das Spiel zwingt die Menschen zu einem Rhythmus, der einfach nicht der Natur entspricht.“

Veränderung des Lebensstils als Ausweg aus der Sucht

Auf der Liste der Suchtgefährdungen stehen neben Drogen, Alkohol und Glücksspiel aber noch weitere Möglichkeiten. Denn die Experten helfen auch bei Problemen, die im Zusammenhang mit Medikamenten entstehen, ebenso bei Essstörungen oder Medien- und Computerspielsucht. In allen Fällen kann der Konsum von Suchtmitteln zu unerwünschten Folgen führen. Nicht nur soziale und berufliche Probleme entstehen, auch Gesundheitsschäden, Beziehungskonflikte oder Konflikte mit Gesetz und der Justiz sind dabei keine Seltenheit. Die Beratung ist generell kostenlos, die Gespräche werden von dem geschulten Fachpersonal vertraulich und persönlich geführt.
In schwereren Fällen kann durch eine intensive Vernetzung mit anderen Einrichtungen auch eine ambulante oder stationäre Therapie oder Rehabilitation vermittelt werden. Je nach Art der jeweiligen Sucht werden die Behandlungen dann in der Regel von den Rentenversicherungen oder den Krankenkassen getragen. Die Gefahr eines Rückfalls hängt bei jeder Droge oder jedem Suchtfaktor generell vom Lebensstil des Betroffenen ab. Der Ausweg aus einer Sucht ist also in jedem Fall auch eine Änderung der bisherigen Lebensabläufe und Inhalte. Als schlimmste aller Süchte bezeichnet Helga Braunmüller allerdings die Habsucht, die bei den Menschen doch am weitesten verbreitet sein dürfte. Leider hat deswegen aber bisher noch niemand Rat gesucht.

Text · Bild: Lars Peter Schwarz

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