Menschen

Heute ist ein guter Tag

Helga und Max Eichhorn

Sie sind ein ganz besonderes Paar. Er ist 89 und sie 77 Jahre alt. Vor zwei Jahren haben sie geheiratet. „Es war eine wundervolle Hochzeit“, sagt die 77-Jährige. Kennengelernt haben sich Helga und Max Eichhorn vor 35 Jahren bei einem Konzert. Als Musiker in seiner eigenen Max-Eichhorn-Jazz-Combo spielte er viele Konzerte. Er war der Mann im Hintergrund, der Schlagzeuger, der trotzdem immer im Rampenlicht stand. „Max ist meine große Liebe“, erzählt Helga Eichhorn. Sie war auf einem seiner Konzerte im ehemaligen Füssener Kurhaus und ist seitdem die Frau an seiner Seite geblieben.

Es war nicht immer einfach nur die Frau an der Seite eines Musikers zu sein“, erzählt sie heute. Nur Wenige wussten von der Beziehung. Max Eichhorn hielt sie gut versteckt. „Sonst hätte ich ja nicht mehr flirten können“, meint er lachend und schaut seine Helga verschmitzt an. „Du warst immer im Mittelpunkt“, sagt sie etwas vorwurfsvoll. Dass Eifersucht kein Fremdwort für Helga Eichhorn war, gibt sie ganz ehrlich zu. „Manchmal, wenn ihn irgendwelche Frauen anhimmelten, sagte ich dann so beiläufig: Das ist Meiner. Dann schauten sie etwas ungläubig und verzogen sich.“ Wenn sie an diese Zeiten denkt, dann lacht sie selbst über das „Teenagergehabe“. „Aber Liebe kennt kein Alter. So habe ich auch als junges Mädchen gefühlt.“

Während der vielen Jahre ihrer Beziehung waren sie zusammen und doch alleine. Jeder hatte seine eigene Wohnung. Einmal zogen sie zusammen, um sich dann räumlich wieder voneinander zu trennen. „Das war mir zu eng. Ich wollte über meine freie Zeit selbst verfügen“, beschreibt Max Eichhorn diese Zeit. In ihrer gemeinsamen Wohnung hat jeder sein eigenes Zimmer und seine Erinnerungen an die letzten Jahre.

Viele Gemeinsamkeiten haben die beiden Eheleute nicht. Sie sind grundverschieden. Sie liebt klassische Musik, er bevorzugt Jazz, Swing und lateinamerikanische Musik. Sie ist sehr gläubig und hört sich die Gottesdienste im Radio an, manchmal auch im Fernsehen. Er hält nicht viel davon, der Krieg hat ihn geprägt. Trotzdem hat er seiner Frau zuliebe kirchlich geheiratet. „Sie hat in unserer Beziehung die Hosen an“, neckt er sie wieder. Auch der Humor und die Lebenseinstellung sind verschieden. „Dieses Gegensätzliche hat uns beide angezogen. Dadurch ergaben sich immer wieder neue Gespräche und wir mussten beide gegenseitige Toleranz und Verständnis aufbauen. Das war oft nicht einfach“, so Helga Eichhorn.

Lange werden sie diese intensiven Diskussionen und die liebevollen Neckereien nicht mehr führen können. Manchmal taucht er ab in die Welt des Vergessens und sucht dann vergeblich den Ausgang ins Jetzt. Die gebürtige Pfälzerin mag die Krankheit nicht bei ihrem wirklichen Namen nennen. Sie sagt lieber „vergessen“ und „durcheinander sein“. Manchmal lacht sie auch über seine „Vergesslichkeit“, wenn er ihr anstatt dem Glas Wasser die Gießkanne bringt, weil er dann tatsächlich den Unterschied nicht mehr kennt. „Es ist dann eben so“, meint sie seufzend. Dann aber gibt es wieder diese Lichtblicke, wie an seinem Geburtstag. Dann ist er ganz der Charmeur, der er immer schon war. Er führt Gespräche, lacht und erzählt von seinem Musikgeschäft, das es nicht mehr gibt. Ob er das weiß? „Ja, ja, das Geschäft haben wir aufgelöst. Oder?“ Er ist sich dessen nicht mehr ganz so sicher. Vergangenheit und Gegenwart auseinander zu halten ist schwer. Seine Freunde haben seinen Geburtstag nicht vergessen. „Es waren 13, die angerufen haben“, sagt Helga, die auf einem kleinen Blatt Papier die Namen fein säuberlich notiert hat. „Der Max wollte das so!“ Dass so viele an seinem Geburtstag angerufen haben, freut ihn. „Ich mache ja keine Musik mehr und dann wird man schnell vergessen“, spricht er seine Gedanken aus. Dass der Pfarrer am Vormittag da war und ihm zum Geburtstag gratulierte, daran erinnert er sich noch. Für Helga Eichhorn ist der kirchliche Besuch immer etwas Besonderes. „Es bereichert meinen Tag. Gell Max, das war schön, als der Herr Pfarrer uns beide an der Hand nahm und seine Segenswünsche sprach“, schwärmt sie. Die Kirche ist für Helga Eichhorn ein Grundpfeiler in ihrem Leben. „Freunde sind wichtig. Die braucht man in solchen Zeiten“ und schaut dabei ihren Max an. „Wieso, bin ich Dir nicht genug?“, lacht er wieder.

Sie mag seine Wortgewandheit und seinen Humor. „Ich stelle mich manchmal unwissend und dumm an, dann hat man auch was davon“, meint er augenzwinkernd. Heute ist ein guter Tag, auch wenn er sein Gegenüber nicht beim Namen nennen kann. Den hat er nämlich vergessen.

Text: Sabina Riegger · Bild: Hubert Riegger

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