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Emanzipation mit und ohne Kopftuch – Latifa Berkaoui und Olga Hegel

Emanzipation mit Kopftuch? Latifa Berkaoui hat sie. Die 35-jährige Marokkanerin mit dem französischen Akzent hat erst nach ihrer Scheidung den Weg in die Emanzipation geschafft. Dabei fing alles so vielversprechend an.

Sie kam 1998 nach Deutschland. Ihr damaliger Mann wollte keine Kopftuchträgerin, aber auch keine Frau, die sich dem Leben hier anpasst. Das Programm hieß Isolation. Ihr Deutsch entsprach keiner Note und die gesellschaftlichen Kontakte waren gleich Null. Sechs Jahre ging das so, bis sie einen Schlussstrich setzte. Eine Scheidung ist für niemanden ein Zuckerschlecken – für eine Muslimin noch viel weniger. Der Vater, ein strenger Moslem, hielt zu ihr, bekräftigte sie in dem was sie tat.

Sie blieb in Deutschland, lernte endlich die deutsche Sprache und einen Beruf. Sie ist erleichtert und glücklich darüber, sich endlich in dem Land, in dem sie schon über sechs Jahre lebte, artikulieren zu können. Sie kann wieder lachen, banale Tätigkeiten wie Einkaufen gehen und sich mit anderen Menschen unterhalten ausüben. Andere nennen es Konversation im alltäglichen Leben, Latifa Berkaoui spricht vom Bedürfnis Mensch zu sein, das sie vermisste. Und nein, Religion und Kopftuch haben nichts damit zu tun, wie jemand ist oder sein darf.

Gläubig oder nicht gläubig, diese Frage ist für sie absurd. Vielmehr geht es immer um die Frage der Toleranz, die einem letztendlich die Möglichkeit gibt sich nach seinen Bedürfnissen frei zu entwickeln. Sie betet fünf mal am Tag, nicht weil sie muss, sondern weil sie es will und weil sie sich dem Leben so näher fühlt. Es interessiert sie nicht was andere darüber denken.

In ihrer Chefin, Olga Hegel, hat sie eine Gleichgesinnte gefunden. Konventionen sind für Spießer und nichts für emanzipierte Frauen, die wissen was sie wollen. Es ist schließlich egal woher man kommt, wichtig ist, wohin man geht, so oder ähnlich lautet der Spruch von Olga Hegel, die ihre Klischees über muslimische Frauen mit Kopftüchern schnell über Bord warf, als sie Latifa Berkaoui kennenlernte. Und trotzdem blieb die Frage offen, inwieweit die Akzeptanz ihrer Patienten gehen würde, eine Krankenpflegehelferin mit Kopftuch anzunehmen.

Olga Hegel hat es gewagt in dieser, drücken wir es mal sarkastisch aus, bombastischen Zeit, eine Frau zu beschäftigen, die ihre Religion offensichtlich lebt. Allgäu ist nicht Berlin oder Dortmund. Das Allgäu ist anders: neugierig, offen und tolerant. Die gespielte Gleichgültigkeit in einer Kleinstadt wie Füssen, wo Jeder Jeden kennt, auch wenn es nur vom Hörensagen ist, gehört dazu wie das Amen in der Kirche.

Latifa ist im wahrsten Sinne des Wortes bei den Patienten, die zu 90% katholisch sind, angekommen. Sie ist ihren Weg gegangen und hat dabei ihr neues Glück gefunden. Sie hat wieder geheiratet. Der Mann an ihrer Seite ist Marokkaner, der es schätzt eine kluge Frau zu haben, die weiß was sie will. Es lebe die Emanzipation, ob nun mit oder ohne Kopftuch.

Text · Bild: rie

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