Menschen

Die richtigen Worte finden

Der Trauerredner Michael Stiefenhofer

Michael Stiefenhofer spricht seit 13 Jahren einfühlsam und in kunstvollen Umschreibungen über Menschen, die er nie kennengelernt hat. Er ist Trauerredner, ein Dienstleister für das konfessionslose Trauerritual. Selbst im katholischen Allgäu ist es keineswegs selbstverständlich, dass ein Priester die Beerdigungszeremonie vornimmt. An ihrer Stelle stehen die Trauerredner so wie der Lindenberger. Als Michael Stiefenhofer das erste Mal eine Trauerrede hielt, war es für seinen Freund und Kollegen, der an Krebs gestorben ist. Keiner wollte und konnte die Rede halten. Er kannte ihn am besten und am längsten – also blieb ihm diese Aufgabe, aus der eine Berufung geworden ist.

Michael Stiefenhofer schließt mit den Toten eine merkwürdige Bekanntschaft. Er hat sie nie kennengelernt, und doch weiß er oft mehr als viele Freunde des Verstorbenen. Es sind die Gespräche, die er mit den Hinterbliebenen führt. Oft wird er in den Garten oder in die Werkstatt geführt, da, wo der Verstorbene pflanzte und werkelte. Er muss sich sozusagen ein „Bild“ des Menschen machen, über den er eine Trauerrede schreiben soll. „Manchmal legt man mir auch das Fotoalbum vor“, erzählt der Vater dreier Söhne. Es sind private Bilder, intime Geschichten über die Liebe, das Leben und oft hört er die Verzweiflung und manchmal auch Wut heraus. „Keiner will sich mit dem Tod befassen. Er wird bei uns in Deutschland unter den Tisch gekehrt. Und wenn jemand aus der Familie stirbt, dann darf man nicht allzulange trauern. Trauer ist nicht gesellschaftsfähig“, weiß der Trauerredner. Früher, so erzählt der Lindenberger, hätte es das Trauerjahr gegeben und das zu recht wie er findet. „Trauer braucht seine Zeit. Es wird zu schnell in eine Schublade gesteckt und abgesperrt. Das Trauerjahr hat einen tiefen Sinn. Da sind die Geburtstage, Weihnachten, Urlaube … alles was man gemeinsam gemacht hat. In diesem Jahr sieht man erst die Veränderung im Leben, die Lücke, die ein Verstorbener hinterlassen hat.“

Wenn Michael Stiefenhofer zu einem Trauergespräch geht, dann ist er nie in schwarz gekleidet und bekundet auch nicht sein Beileid. „Das ist mit vielen Tränen verbunden und ausserdem mögen es die Leute, wenn ich normal gekleidet komme. Wichtig ist, dass es ein behutsames und achtsames Gespräch ist. Wenn ich nach unserem Gespräche gehe, dann wünsche ich ihnen viel Kraft“, erklärt er seine Vorgehensweise. Dass er sich mit der verstorbenen Person intensiv beschäftigt, bleibt nicht aus. Er will seinen Job gut machen, so dass die Hinterbliebenen und alle, die zur Beerdigung gekommen sind, eine schöne Trauerfeier haben. Zuhause hat der Mann mit den langen Haaren und dem Schnauzbart einen ganz besonderen Platz nur für sich. Auf dem kleinen Tisch steht ein Engel, Kerzen und viele Sachen, die für ihn eine Bedeutung haben. „Das ist mein Betplatz, den ich vor jeder Beerdigung aufsuche und hier den Verstorbenen darum bitte, dass er mich auf der Fahrt dorthin begleitet und dass ich das nur deswegen mache, um seine Familie damit glücklich zu machen. Dann bete ich zu Gott und bitte den Verstorbenen ins Licht zu gehen. Nach der Beerdigung gehe ich wieder zu meinem Platz, bedanke mich für alles und bitte den Verstorbenen abermals ins Licht zu gehen.“

Der Familienvater ist gläubig und er hat einen ganz persönlichen Blickwinkel zum Tod. „Ich habe nicht Angst vor dem Tod, sondern davor, wie ich sterbe. Das bekomme ich in meinem Beruf oft mit. Was manche Menschen aushalten müssen, ist ein Wahnsinn“, so Stiefenhofer. Dass nicht alle Priester erfreut sind, wenn  ein Trauerredner bei einer Beerdigung dabei ist, hat er bereits oft erlebt. Dabei gibt es viele Verstorbene, die Kirchenmitglied waren, aber wenig gemeinsame Berührungspunkte hatten. Deshalb wird oft von den Hinterbliebenen der Wunsch geäußert, dass Priester und Trauerredner eine gemeinsame Trauerfeier abhalten. „Das funktioniert nicht überall. Oft wird das von dem Pfarrer abgelehnt. Das führt zu Unverständnis bei den Angehörigen“, bedauert Michael Stiefenhofer die Nichtakzeptanz.

Text: Sabina Riegger · Bild: Privat

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