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„Füssens Wirtschaft hängt wesentlich vom Tourismus ab“

Im Gespräch mit Tourismuschef Stefan Fredlmeier

Im Sommer braucht man in Füssen länger um von A nach B zu gelangen. Die Straßen sind verstopft und die Innenstadt scheint dann aus allen Nähten zu platzen. In den Restaurants sieht man kaum Einheimische und die angeblichen Insider-Plätze sind schon lange keine Geheimtipps mehr. Füssen ist eine touristische Region, die gerne von reisefreudigen Menschen besucht wird, insbesondere von asiatischen Gästen. Nicht alle Einheimischen haben Verständnis für diese Entwicklung. „Dieses Jahr war es besonders schlimm“, heißt es. Ist das wirklich so? Massentourismus statt dem angestrebten Qualitätstourismus? Wird Füssen zur guten Stube des asiatischen Marktes? Auf der anderen Seite ist der Tourismus ein starker Wirtschaftszweig der viele Arbeitsplätze sichert. Kaum ein Dienstleister profitiert  nicht vom Tourismus.  

Von vielen Einheimischen hört man, dass es dieses Jahr mit     dem touristischen Aufkommen ganz besonders schlimm war. Sind es subjektive Empfindungen oder entspricht es den Fakten beziehungsweise den Zahlen?
In den sechs Jahren, die ich nun in und für Füssen tätig sein darf, konnte ich in jeder Hauptsaison und dabei vor allem im Juli und August beobachten, dass eine extrem hohe Tourismusintensität herrscht, die so manchem Einheimischen schon fast zuviel wird, vor allem, wenn er mit dem Tourismus nicht direkt zu tun hat. Die Übernachtungszahlen sind in der Hochsaison seit jeher extrem gut. Allerdings kann man durchaus vermuten, dass die Tagesbesuche weiter zunehmen. Diese können wir allerdings nicht zählen.

Wie stark ist dabei der asiatische Markt in Füssen vertreten? Viele knüpfen den zumehmenden Massentourismus mit seinen negativen Ausprägungen an eine immer größer werdende Zahl von Gästen vor allem aus China.
Japan und China konkurrieren um Platz 2 in der Statistik der Herkunftsmärkte. Wir gehen davon aus, dass China heuer Japan erstmals überholen wird. Der mit Abstand stärkste Markt ist allerdings nach wie vor Deutschland mit natürlich deutlich höherer durchschnittlicher Aufenthaltsdauer.

Ab wieviel Betten gilt ein Hotel als großes Haus?
Dafür gibt es keine feste Definition. In der aktuellen Diskussion geht es vorwiegend um Häuser, die intensiv mit großen Reise(bus)gruppen arbeiten und darin den Schwerpunkt ihres Geschäftsmodells sehen.

Gibt es in Füssen große Häuser, die primär vom asiatischen Markt leben?
In Füssen gibt es derzeit ein Haus, das fast ausschließlich im Reisegruppensegment unterwegs ist. Bei einem weiteren Haus ist das Gruppengeschäft eine sehr wichtige Säule, es empfängt aber auch sehr viele Individualgäste. Ein drittes Haus, das aktuell im Bau ist, wird potenziell in eine ähnliche Richtung gehen. Freilich setzt nur das erstgenannte und allen bekannte Hotel einen sehr klaren Schwerpunkt im asiatischen Markt, den der Hotelier durch sein Engagement maßgeblich für Füssen geöffnet hat.

Ist es dann eine begründete Sorge, dass Füssen zur guten Stube des asiatischen insbesondere chinesischen Marktes werden könnte oder vielleicht schon ist?
Der asiatische und damit auch chinesische Gast kommt nicht wegen Füssen zu uns, sondern wegen des Schlosses Neuschwanstein. Im Gruppenmarkt sind die großen, international aktiven Reiseveranstalter ständig auf der Suche nach Häusern in akzeptabler Nähe zu den Königsschlössern und mit einer entsprechenden Preisgestaltung. Der sich extrem dynamisch entwickelnde Volumenmarkt China, für den Neuschwanstein eine – vielleicht sogar die – Top-Attraktion in Deutschland ist, erhöht den Nachfragedruck. Letztlich ist es aber nicht entscheidend, ob ein Haus in Füssen, Schwangau, Roßhaupten oder auch Reutte liegt, wenn Neuschwanstein in akzeptabler Zeit erreichbar ist. Ähnliches gilt für den Individualgast, wenn er über Reiseveranstalter bucht. Etwas genauer auf den Standort und auch das Hotel dürfte der Gast schauen, der seinen Urlaub komplett individuell plant. Dieser Typus ist, wenn man China betrachtet, aktuell noch in der Minderheit. Von der guten Stube belegt Füssen, um im Bild zu bleiben, also nur ein Zimmer – freilich ein sehr gut besuchtes. Ob ein zunehmender Zufluss asiatischer und besonders chinesischer Gäste Anlass zur Sorge ist, wird sicher unterschiedlich beurteilt: je nachdem, ob man mit ihnen ein Geschäft macht oder nicht oder auch wie tolerant und kulturoffen man ist.
 
Es gibt kaum etwas, das nicht koordiniert werden kann. Könnte man theoretisch dieser Entwicklung des Tourismus entgegen wirken und wenn ja, wie?
Hier stellt sich die Frage, welcher Entwicklung man entgegenwirken möchte. Geht es allgemein um zuviele Touristen in der Hauptsaison oder um das Phänomen des Massentourismus oder um die zunehmende Zahl an chinesischen Gästen? Wir alle sind angehalten, die Diskussion sehr präzise und verantwortungsvoll zu führen, da Füssen sehr stark vom internationalen Tourismus abhängig und die Gastfreundschaft ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Tourismus ist. Wir können es uns nicht leisten, dass hierauf ein Schatten fällt. Glücklicherweise herrscht in der freien Welt Reisefreiheit. Dementsprechend suchen sich die Gäste ihre Reiseziele selbst aus, und es gibt keine von öffentlicher Hand diktierte Regelung. Über das Baurecht kann nur in engen Grenzen Einfluss genommen werden, ob und mit welchem Geschäftsmodell ein Gastgeber in den Markt eintritt. Auch unsere touristische Qualitätsstrategie findet ihre Grenze, wenn sich Häuser, da sie keine andere Wettbewerbschance haben, mit Niedrigstpreisen im Gruppen- oder Billigtourismus positionieren. Zu einem frühen Zeitpunkt hätte man eventuell die Chance gehabt, die Stadtentwicklung so zu gestalten, dass man Häuser mit dem besprochenen Geschäftsmodell an geeigneter Stelle zu gruppieren versucht, um Konflikte wie in Bad Faulenbach zu vermeiden. Dies dürfte aktuell jedoch nicht mehr möglich sein.

Andere Regionen wären froh, den Wirtschaftszweig Tourismus zu haben. Wir haben ihn. Wird  das in Füssen verkannt?
Alles hat zwei Seiten, auch der Tourismus. Letztlich muss jedem klar sein, dass Füssens Wirtschaft ganz wesentlich vom Tourismus abhängt. Wir sprechen nicht nur von den Übernachtungsbetrieben und der Gastronomie, sondern auch vom Einzelhandel, Serviceleistern (Taxis etc.), Handwerkern und vielen mehr. Ohne den Tourismus wäre die Nachfrage bei vielen dieser Unternehmen nicht mehr rentabel, womit sie auch den Einheimischen nicht mehr zur Verfügung stünden. Letztlich verhilft der Tourismus mit der an ihn gebundenen Infrastruktur und Animation auch den Einheimischen zu einer sehr hohen Lebensqualität. Negative Effekte sind sicher eine Überhitzung in der Hauptsaison, Verkehrsprobleme, ein ausgeprägter Niedriglohnsektor und einiges mehr. Unter dem Strich bin ich indes fest überzeugt, dass bei sachlicher Betrachtung für die Mehrheit der Füssener die Vorteile direkt oder auch indirekt überwiegen.

Jammert Füssen da auf hohem Niveau?
Das Jammern würde ich lieber als Ausdruck ernsthafter Besorgnis bezeichnen, den wir ernst nehmen müssen, da der Charakter der Stadt als „romantische Seele Bayerns“ und die Lebensqualität für die Einheimischen nicht unter die Räder kommen dürfen. Jammern und Wehklagen gäbe es aber ganz sicher, wenn die Umsätze aus dem Tourismus massiv zurückgingen und dies die Wirtschaftskraft und die Lebensqualität in Füssen nach unten zöge.

Text · Bild: Sabina Riegger

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