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Schmerzpsychologie

Umdenken in der Gesellschaft:
Jeder kann etwas gegen seine Schmerzen tun

Psychologische Schmerztherapie unterstützt Patienten in ihrer Selbstwirksamkeit. Tablette schlucken – fertig aus? Schmerzmedikamente gehören laut Arzneiverordnungs-Report 2013 zu den verordnungsstärksten Arzneimitteln mit gestiegenem Verbrauch. Was die wenigsten Menschen wissen: Man kann auch selbst etwas tun, um Schmerzen zu lindern oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Diese Selbstwirksamkeits-Ansätze verhelfen sogar dazu, die Wirkung von Schmerzmedikamenten zu steigern.

SCHON BEI AKUTSCHMERZ: SCHMERZPSYCHOLOGIE SETZT NEUE AKZENTE
Die Ergebnisse aus der psychologischen Schmerzforschung bieten neue Chancen für betroffene Schmerzpatienten. Realistische Informationen über den Verlauf von Schmerzen z.B. nach einer Operation, Anleitung zu mentalen Strategien der Schmerzbewältigung, z.B. Ablenkung von Schmerzen und Konzentration auf angenehme Aktivitäten sowie die Stärkung der Haltung „Ich kann selbst etwas tun, um die Schmerzen unter Kontrolle zu bekommen“ sind nur einige Beispiele aus der schmerzpsychologischen Behandlung. Gerade Patienten mit Akutschmerz kann durch eine frühzeitige Behandlung viel Leiden erspart werden. Schmerz ist ein bio-psycho-soziales Geschehen, d.h. es umfasst immer körperliche und auch psychische Prozesse. Beim Übergang von Akutschmerz zu chronischem Schmerz spielen vor allem psychologische Faktoren eine entscheidende Rolle, z.B.: welche Erwartungen hat der Patient an seine Behandlung, hat er Sorgen oder Ängste vor seinem Krankheitsverlauf, traut er sich z.B. nicht mehr, sich zu bewegen, fühlt er sich nur als Opfer und wartet passiv auf Hilfe von außen? Angst vor Schmerz löst den Schmerz aus. Ein Teufelskreis. Viele Schmerzprobleme könnten verhindert werden, wenn diese Faktoren rechtzeitig erkannt und in der Therapie berücksichtigt werden.

SCHMERZBEWÄLTIGUNG BEGINNT IM KOPF: MAN KANN SELBST ETWAS TUN!
Eine Abkehr von der bequemen Haltung „Die anderen …“ sind erste Schritte hin zu mehr Selbstverantwortung und damit zu mehr Kontrolle über Schmerzen. Die herrschende Vorstellung ist: „Die anderen sind verantwortlich für meine Krankheiten, ich geh mal zum Arzt, der muss es richten….“. Hier muss ein Umdenken geschehen. PD Dr. Regine Klinger, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologische Schmerztherapie und –forschung (DGPSF) und Leiterin der Hochschulambulanz Verhaltenstherapie an der Universität Hamburg betont: „Die neuesten Ergebnisse aus der psychologischen Forschung zeigen, dass Schmerzpatienten, die aktiv in die Therapie einbezogen werden, weniger oft und weniger starke Schmerzattacken haben“. Die Schmerzpsychologie vermittelt den Menschen mit chronischen Schmerzen Selbsteffizienz- und Kompetenzsteigerung im Umgang mit der Erkrankung und eine damit einhergehende Schmerzreduktion. Rechtzeitige psychologische Schmerzpsychotherapie hilft, damit der Schmerz sich nicht verselbstständigt. Für Patienten, die bereits lange unter chronischen Schmerzen leiden, ist eine psychologische (Mit)-Behandlung eine entscheidende Hilfe.

FASZINATION SELBSTWIRKSAMKEIT: PLACEBOEFFEKT – DAS „ADDITIV“ ZUM SCHMERZMEDIKAMENT
Die Macht der Selbstwirksamkeit zeigt sich auch im analgetischen Placebo-Effekt. Damit bezeichnet man eine positive Veränderung im Körper aufgrund einer Erwartung, die einem Ereignis oder einem Objekt in einer heilenden Situation zugeschrieben wird. Psychologen und Neurowissenschaftler konnten zeigen, dass der gezielte Aufbau von bestimmten Erwartungen die Wirksamkeit von Schmerzmedikamenten bis zu einem Drittel an Effektivität steigern kann. Durch psychologische Schmerztherapie kann der Patient selbst lernen, seine Schmerzen zu lindern und die medikamentöse Wirkung seiner Schmerzmedikamente zu verstärken. „Also nicht Tablette schlucken – fertig aus, sondern positive Effekte bewusst nutzen und sich die Zeit nehmen, die Medikamentenwirkung zu verstehen, nachzufragen und Ängste abzubauen“, erklärt die Therapeutin und Placebo-Forscherin.

Text: DGPSF/ PD Dr. Regine Klinger

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