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Weltfrauentag – Ein Neuanfang ist keine Frage des Alters

Neue Wege gehen

So einfach ist das nicht. Auch wenn es sich in dem Moment logisch anhört. Einen neuen Weg zu gehen, neu durchzustarten erfordert viel Mut und Bereitschaft. Manche arbeiten Jahre daran und andere wiederum entschließen sich innerhalb von nur wenigen Wochen. Frauen und Männer kommen irgendwann an den Punkt, wo sie hinterfragen und alles etwas genauer unter die Lupe nehmen. Ist der Beruf noch der richtige? Kann man die Kreativität noch ausleben oder ist alles nur noch ein Muss?

Wenn man jung ist, wählt man scheinbar den einfacheren Weg. Man macht die Friseurlehre, obwohl man lieber Erzieherin geworden wäre, weil man später den elterlichen Betrieb übernehmen muss. Ach ja, und dann ist da noch der Partner, der den Eltern gefällt, weil er eine gute Partie ist. Dabei hätte man lieber mit dem Heiraten und Kinder kriegen noch ein Weilchen gewartet.

Oft kommt es dann so wie es kommen muss, erst recht im reiferem Alter. Man sucht nach neuen Wegen, erinnert sich an das, was man noch gerne machen würde, was man vielleicht versäumt hat. Intuitiv wissen wir alle was uns gut tut. Manchmal will man es jedoch nicht wahrhaben und schwimmt trotzdem gegen den eigenen Willen. Wer sich dagegen sträubt, kann krank werden, sagen Psychotherapeuten. Und die  psychosomatischen Erkrankungen sind hierfür vielfältig. Angefangen von Kopfschmerzen bis hin zu Angstzuständen,  Depressionen und Schlaflosigkeit.

Warum die Suche nach dem Sinn des Lebens und der Sehnsucht nach Neuem erst im reiferen Alter kommt, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass man die Ressource Zeit erst jetzt begreift. Nicht nur Frauen sondern auch Männer hinterfragen dann nicht nur ihr berufliches Umfeld und ihre sozialen Kontakte, sondern auch die Partnerschaft. Ehen, die zwanzig Jahre und länger dauern, zerbrechen an Unverständnis und der Forderung nach Selbstverwirklichung, der Sehnsucht Neues zu erleben, weil die Zeit drängt. War das alles? Diese Frage muss man sich natürlich selbst stellen. Hilfe kann man sich bei erfahrenen Coaches und Karriereberatern holen. Hilfe aus dem privaten Bereich ist nicht ratsam, weil keiner mit Ihnen ehrlich reden wird, auch wenn die Ratschläge gut gemeint sind.

Text · Bilder: Sabina Riegger


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Für mich war Deutschland eine Chance neu zu beginnen. Vor dem Neubeginn hatte ich keine Angst. Es sollte ja auch nur für vier Monate sein. Ich nahm an dem Leonardo Da Vinci Förderprogramm von der Europäischen Union teil, wie viele junge Leute auch, die bereits eine Ausbildung, Studium oder Berufserfahrung hatten. Wir wurden ins Ausland vermittelt. Es war so eine Art bezahltes Praktikum von der EU. Das Praktikum ist schon längst vorbei und ich bin immer noch hier und das seit vier Jahren. Als junger Mensch stellt man sich Berlin oder München vor, aber nicht Füssen – obwohl Füssen so wunderschön ist. Dass ich mal ein eigenes Auto und Wohnung haben werde, hätte ich nie gedacht, geschweige denn einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Das ist für mich schon etwas ganz Besonderes.
Natürlich vermisse ich manchmal meine Eltern, besonders dann, wenn ich vor einem Problem stehe und nicht weiß was ich machen soll. Aber hier habe ich gute Freunde, die mir helfen können. Alle zwei bis drei Tage skype ich mit meinen Eltern. Ich glaube, meine Mutter vermisst mich sehr – Argentinien ist ja nicht gerade vor der Haustüre. Die Entscheidung hierher gekommen zu sein war die richtige. Ich habe viel gelernt und das war für mich das Wichtigste. Sprachen verbinden Menschen und das finde ich so toll. Dass ich in Deutschland nicht für immer bleiben werde ist für mich klar, oder besser gesagt im Moment empfinde ich es so. Ich habe auch kein Problem als Ausländerin betrachtet zu werden. In Argentinien war ich die Spanierin, weil ich dort geboren wurde und in Spanien war ich die Argentinierin mit dem etwas anderen Akzent. Und hier? Hier darf ich beides sein.

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Schon als Schülerin half ich meiner Schwester Renate in den Ferien in ihrem Handarbeitsgeschäft, was mir viel Spaß machte. Der Schutz der Theke half mir, meine Schüchternheit und Menschenangst zu überwinden; und als ich nach der Schulzeit das Mode-Studium Sozialpädagogik begonnen hatte, merkte ich schnell: das ist nicht mein Ding! Also arbeitete ich 34 Jahre bei Renate, und als sie mir dann den Laden anbot, hatte ich genug Mut und Selbstvertrauen gesammelt, mich dieser Aufgabe gewachsen zu fühlen.

Übernommen habe ich ihn mit 54 Jahren. Der erste Tag war richtig schön: es war der 2. Mai, ein Samstag (2009). Mein Sohn und ich haben den Neubeginn gefeiert: er trat seine Stelle im Frauenhofer Institut in Freising an, ich im nunmehr eigenen Laden. Viele Kunden und Freunde haben mit uns gefeiert, es war toll und die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt.

Natürlich denke ich manchmal dran, wie die Zukunft aussehen wird: meine und die des Ladens. Aber diese Gedanken machen mir keine Angst mehr, da ich weiß, dass ich darauf vertrauen kann, Hilfen zu bekommen: seien es Menschen, die mir helfen; Ideen, die mich weiterbringen oder das Gefühl für den „richtigen Zeitpunkt“. Und ich habe gelernt, Hilfe anzunehmen. Auch mein kleiner Laden erfordert viele Kenntnisse und stellt damit Anforderungen, die ich allein gar nicht bewältigen kann (und muss). Meine Entscheidung zur Selbständigkeit hat lange gedauert, aber diese Zeit war wichtig für mich, um mich dieser schönen Aufgabe gewachsen zu fühlen. Alles braucht seine Zeit!“

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