„Man sollte tiefere Werte im Leben verfolgen“
Im Gespräch mit Espen Nowacki
Wenn Espen Nowacki auf der Bühne steht, dann versprüht er Energie, die wie Funken auf das Publikum übergehen. Es ist seine Welt, in der er zuhause ist, sich auskennt und sich wohl fühlt. Wenn man ihn fragt, was seine Motivation war Schauspieler zu werden, antwortet er fast behutsam, als ob eines der Wörter die er sagt zerbrechen könnte: „Das ist eine sehr komplexe Frage. Für Menschen, die nicht auf der Bühne ständen und es erlebt haben, ist es sehr schwer das nachzuvollziehen. Ich habe viel Schultheater und Revues gespielt. Diese Welt ist so intensiv und die Zusammenarbeit mit dem Team ist einfach besonders. Den Applaus vom Publikum zu bekommen und sich darüber zu freuen, dass die Leute es wertschätzen, ist unbeschreiblich. Es ist eine direkte Reaktion zwischen dem Schauspieler und dem Publikum. Dieses Erlebnis ist wie eine Droge.“
Seit zehn Jahren lebt Espen Nowacki im Allgäu. Der Norweger kam am 2. Januar 2005 aus Wien nach Füssen. Am 3. Januar begannen bereits die Proben für das Ludwig Musical, für das er engagiert wurde. Es war keine leichte Entscheidung in die Provinz zu ziehen, die Großstadt zu verlassen und in einer kleinen Stadt zu leben, wo jeder jeden kennt. Nowacki ist erfrischend ehrlich als er sagt „ich habe gehadert, ob ich wirklich nach Füssen ziehen soll“. Jetzt ist er mit einer Schwangauerin verheiratet und hat einen vierjährigen Sohn. Den Trubel der Großstadt vermisst er ab und zu. Ob er seine Entscheidung bereut hat, im Allgäu geblieben zu sein? „Es ist hier ein anderer Lebensstil, aber etwas bereuen? – Nein, sicher nicht. Ich finde es hier schön.“ Der Produzent und Musical-Darsteller ist in Oslo aufgewachsen und lebte zehn Jahre in London. Er wollte Ingenieur werden, doch irgendwie zog es ihn auch zur Schauspielerei. Also bewarb er sich sowohl an technischen Hochschulen und an der Guilford School of Acting in England, weil er dachte, dass er dort sowieso nicht angenommen werden würde. Falsch gedacht. Mit 21 Jahren konnte er seinen Studienplatz antreten, zum Leidwesen seines Vaters, der ihn lieber in einem akademischen Beruf gesehen hätte.
Espen Nowacki ist sehr diszipliniert, hat feste Vorstellungen und einen gesunden Optimismus, und er ist ein Macher. Als das Ludwig Musical insolvent ging, war er gerade in Amerika. Die Nachricht, dass er von heute auf morgen keinen festen Job mehr hatte, überraschte ihn nicht wirklich. „Ich war realistisch und dachte mir schon einige Zeit vorher, da stimmt was nicht. Für mich ist ein Job nur ein Job und kein Weltuntergang, wenn es ihn nicht mehr gibt. Überhaupt bin ich ein Befürworter von Türen schließen, weil sich dann neue öffnen.“ Für ihn haben sich viele Türen und Ideen geöffnet. Mit „Swinging Ludwig“ traf er den Geschmack des Publikums. Alle acht Vorstellungen in der Klosterküche in Füssen waren ausver-kauft. Angst vor der Zukunft hat der blonde Norweger nicht. Höchstens ein wenig Bammel, wie er sagt, denn „Angst ist ein kontraproduktives Mittel. Wenn mich in zwei Jahren keiner mehr bucht, habe ich genügend Netzwerke, die mich auffangen können. Ich habe immer Ideen und auch die Zuversicht, dass es funktionieren wird.“ Mit seinen „Musical Moments“ ist er viel unterwegs und gut im Geschäft. „Wir leben davon. Es ist ein ganz normaler Job“, versucht er zu erklären. Seinen Firmennamen „Wacky Production“ hat er aus England mitgenommen. Er machte einige Zeit Stand up Comedy in London und nannte sich „Wacky the Wiking“.
Nowacki beschreibt sich selbst als einen bodenständigen und positiven Menschen, der ziemlich ehrgeizig, ungeduldig und trotzdem einen langen Atem hat. „Ich denke längerfristig. Ich glaube, ich bin egoistisch und trotzdem nett und freundlich zu meiner Umwelt“, sagt er ernst. Oberflächlichkeiten mag der Familienvater nicht. Sich materiell definieren findet er traurig. „Man sollte schon einige tiefere Werte im Leben verfolgen, ich glaube das macht glücklicher.“ Nowacki steht zu dem was er sagt, wie er glaubt und lebt. Das fängt schon bei dem Thema Freundschaften an und hört beim Thema Glauben auf. Die gute Beziehung zu seinen Eltern macht ihn glücklich. Richtige Freundschaften hat der 44-Jährige nicht, dafür viele Bekanntschaften. „Es ist schwierig Freundschaften zu schließen, weil mein Lebensrhythmus ganz anders ist.“ Viele Wochenenden sind mit Shows und Entertainment verplant. Dafür ist der Musicaldarsteller unter der Woche zu Hause. Er kocht, putzt und kümmert sich um den Sohn, während seine Frau „Soziale Wirtschaft“ studiert. Zeit ist für den blonden Mann kostbar. „Als Jugendlicher denkt man: Jetzt habe ich die Welt vor mir und dann gehen 10 Jahre so schnell vorbei. Und es geht immer schneller. Der Nachteil bei mir ist, ich lebe nicht im Jetzt, weil ich Konzepte im Kopf entwickle für 2016. Ich bin nie im Hier und Jetzt, außer auf der Bühne. Arbeitstechnisch und mental bin ich immer meiner Zeit voraus.“ Espen Nowacki ist auf der einen Seite tiefgründig, Einer, der Sachen nüchtern betrachtet und dabei Emotionen empfindet. Es hat den Anschein, dass er einer der wenigen Künstler ist, der nicht auf der Suche ist, nicht wegrennt, sondern von seinem Leben alles fordert und gleichzeitig gibt. Er ist in seinem Leben fest verankert, genauso wie mit seinen ganz persönlichen Glaubensansichten. „Ich denke, ich beschäftige mich sehr viel mit Glauben, aber ich bin kein Freund der Kirche. Ich glaube, es gibt Mächte, die wir nicht sehen. Ich glaube nicht an Religionen, weil sie meinen, sie haben die richtigen Antworten. Glaube ist Glaube und hat keine Fakten. Ich glaube, dass die Seele länger lebt als unser Körper, dass einige Seelen jünger und einige älter sind. Das hat nichts mit Religion zu tun. Ich beschäftigte mich mit Werten und Moral, nicht weil ich wissen will, ob es moralisch gut oder richtig ist. Ich vesuche immer in meine Produktionen etwas einzubringen, was eine tiefere Bedeutung hat.“
Text: Sabina Riegger · Bild: Susanne Lang