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„Die 90 will ich noch durchmachen“

Der Trachtenschneider aus Prem: Gerhard Auhorn

Ein wenig anders ist es schon. Die Trachtenschneiderei von Gerhard Auhorn ist etwas besonderes, nicht nur das er fast der einzige Trachtenschneider im Umkreis ist. Es ist die Atmosphäre und der Geruch der Textilien, die den Laden in Prem ausmachen. Mag sein, dass das Eine oder Andere Kleidungsstück noch immer auf ihren Käufer wartet, aber genau das ist es – diese Besonderheit wenn man die Trachtenschneiderei betritt. Hier ist die Zeit stehen geblieben.

Gerhard Auhorn ist 88 Jahre alt. Jeden Tag steht er um halb sieben auf um ab neun oder halb zehn das Geschäft aufzuschließen. Einheimische die entlang der Flößerstraße in Prem laufen haben sich schon längst an den Herrn im Schaufenster gewöhnt. Denn dort, vor dem großen Fenster sitzt Gerhard Auhorn vor seiner alten Nähmaschine. Touristen zücken gerne den Fotoapparat um diese ungewöhnliche Szenerie einzufangen. „Das macht mir gar nichts aus, ich finde es sogar amüsant“, so der gebürtige Wildsteiger.

„Damals musste man noch Lehrgeld für eine Ausbildung zahlen“

Damen- und Herrenschneider wollte er nie werden, aber der Onkel hatte eine Schneiderei und ihm musste er kein Lehrgeld zahlen. „Heute kann man sich das nicht mehr vortsellen, aber damals zahlte man für seine Ausbildung. Schnupperlehren gab es auch nicht, sonst hätte ich etwas anderes gemacht. Oder vielleicht auch nicht“, erzählt er lachend.

Gerhard Auhorn sieht nicht mehr so gut, dafür umso besser seine Tochter Bernadette. Sie ist in seine Fußstapfen getreten und hat Damenschneiderin gelernt. Für sie war es schwierig eine Lehrstelle zu finden, weil sie mit 15 Jahren noch zu jung war. Letztendlich fand sie eine Lehrstelle in Peiting, bei der Damenschneiderin Breil. 500 Mark verdiente Bernadette als Gesellin, als Meisterin waren es dann schon etwas mehr. Doch schon damals ließen sich nur wenige Kleider, Kostüme und Anzüge nähen. „Man konnte ja überall billig einkaufen. Die asiatischen Märkte machten es möglich“, sagt die 54jährige. Bei Gerhard Auhorn war es noch ganz anders. In fast jedem Ort gab es Schneidereien. „Arbeit gab es ja genug, aber der Verdienst war nicht üppig. Einen Mitarbeiter konnte ich mir nicht leisten. Heute bin ich froh, dass wir so klein geblieben sind“, erzählt der begeisterte Bergsteiger. Zuhause ist der 88jährige der Hahn in Korb.
Mit seinen vier Frauen, er hat drei Töchter, versteht er sich blendend. Bernadette, seine älteste Tochter, näht heute noch schöne Trachtenkleider. Viele Vereine aus der Region kommen regelmäßig zu Gerhard Auhorn und Bernadette, weil sie dort unter anderem ihre Hosenträger für Trachten bekommen. Sie sind aus echtem Leder und handbestickt. Wie viele Artikel in dem kleinen Geschäft sind, dass weiß Bernadette Lang-Auhorn nicht. „Mein Vater weiß wo sich alles befindet. Er kennt sich bestens aus.“

Bis an die Decke stappeln sich Hemden, Janker und Hosen. Neben den vielen Kleidungsstücken und Stoffen, die in der Werkstatt ihren festen Platz haben ist sogar eine  Umkleidekabine untergebracht, passend zum Inventar, schlicht und einfach aber zweckmäßig. Die Nähmaschinen sind älter als Bernadette Lang-Auhorn. Sie sind alt, wie alt, das weiß Gerhard Auhorn nicht genau. Als er sie damals kaufte waren sie bereits gebraucht. Sie werden auch heute noch von seiner Tochter und ihm genutzt. Manche haben ein Fußpedal und tragen den Namen Pfaff und Singer. Seine Nähmaschine ist direkt vor dem großen Schaufenster aufgebaut damit er mehr Licht zum Nähen hat. Zur Zeit arbeitet er an einer kurzen Wildleder-Trachtenhose. Sie sieht aus, als ob sie jahrzehntelang getragen worden ist. Wahrscheinlich stimmt das auch, denn die Knopflöcher der Hosenträger sind abgewetzt, etwas zerfleddert. Gerhard Auhorn soll die Hose wieder flicken. „Es ist ein gutes Material, man wirft es nicht einfach weg“, erklärt er.

Der 88jährige hat viel erlebt. Als 17jähriger zog er in den Krieg und war vier Jahre in Gefangenschaft. Erst in Indianapolis und Kentucky, später in Frankreich. „Frankreich war furchtbar, wir waren kurz vor dem Verhungern. Manchmal konnte ich die Franzosen verstehen, sie hatten ja eine Wut auf uns“, sagt er etwas nachdenklich. Erst nach der Gefangenschaft konnte er wieder mit seiner Ausbildung weiter machen. „Ich habe es nie bereut Schneider geworden zu sein. Ich hatte immer mit anderen Menschen zu tun und das hat mir gefallen – da hat man die viele Arbeit nicht immer so ernstgenommen.“ Gearbeitet hat Gerhard Auhorn immer sehr viel, 12 bis 14 Stunden, selbst am Samstag, waren selbstverständlich. Heute tut es ihm fast ein wenig leid, dass er nicht mehr so mitarbeiten kann wie früher – „die Augen machen nicht mehr mit. Ist eben das Alter“, lacht er wieder. Ein Kind von Traurigkeit ist der Premer nicht. Noch bis zu seinem 75. Lebensjahr trat er regelmäßig mit seiner Gruppe, einem Dreigesang, auf und spielte Gitarre. Vielleicht hätte er noch weiter gemacht, wenn die Damen aus seinem Dreigesang nicht aufgehört hätten.

Wenn er so auf sein bisheriges Leben zurück blickt, dann meint er zufrieden, das es gut war. Er hat alles was er haben wollte. Er darf noch arbeiten und das sei schon viel wert, erzählt er und meint lachend: „Die 90 Jahre will ich noch durchmachen“.

Text · Bild: Sabina Riegger

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