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Eine intensive Pflege mit Tiefgang und Emotionen

Die Intensivpflege – Ein Beruf mit Herausforderungen

Wer kennt sie nicht, die TV-Serien über die gutaussehenden, engelsgleichen Krankenschwestern, die nicht nur im deutschen Fernsehalltag das Bild des Pflegeberufes darstellen, das mit der Wirklichkeit nicht viel gemeinsam hat. So einfach wie der Pflegeberuf dargestellt wird, ist er nicht.

„Es gibt Tage wo man sich denkt, habe ich alles richtig gemacht? 12 Stunden gehen an einem doch nicht spurlos vorbei.“ Wenn Stefanie Kögl aus ihrem beruflichen Alltag erzählt, wird man irgendwie klein und gleichzeitig auch dankbar, dass es solche Menschen wie sie gibt. Davon wollen die beiden Frauen nichts wissen, sie wollen keine Glorifizierung. „Für uns ist es eine Arbeit wie jede andere auch.“ Gemeinsam mit ihrer Kollegin Nadja Nemec arbeitet Stefanie Kögl bei der Ambulanten Intensivpflege Becker als Intensivpflegerin. 12 Stunden am Tag und das fünf Tage hintereinander sind sie für ihre Patienten da. Dabei geht es nicht um ein bisschen Pflege, sonden um vieles mehr. Es ist ein absolutes Vertrauen ohne Tabus  – „man lernt einen Menschen sehr intensiv kennen und letztendlich auch sich selbst“, beschreibt Stefanie Kögl ihre Arbeit und nennt es „ganzheitliche Pflege mit Herz und Wissen“.

Kögls Patient ist ein querschnittsgelähmter junger Mann, der ohne ihre Hilfe nichts machen könnte. Die hochentwickelte Technik macht es ihm möglich, mit dem Mund seinen PC zu bedienen, um mit dem Rest der Welt zu kommunizieren. Und alles andere? Dafür ist Stefanie Kögl verantwortlich. Sie ist nicht nur Seelentrösterin, sondern gleichzeitig die pflegerische Familie, eine wichtige Bezugsperson. „So hart es auch klingen mag, aber er teilt mit uns seine intimste Privatsphäre und muss deshalb ein absolutes Vertrauen haben.“ Auf andere Menschen zu- und eingehen zu können ist ein unabdingbares Muss für die Pflegefachkräfte. Stefanie Kögl und Nadja Nemec haben das Glück, dass die Wohnungen ihrer beiden Patienten genügend groß sind, um sich in einem Nebenraum etwas zurück zu ziehen. Dass da Höhen und Tiefen nicht ausbleiben ist ganz normal, „aber das Positive überwiegt sehr stark. Ich sehe es als Herausforderung an. Wenn ich nach Hause fahre, versuche ich dann abzuschalten. Das es nicht immer funktioniert ist auch klar. Ganz wichtig ist allerdings, dass man die Patientendistanz zum Eigenschutz wahrt.“ Stefanie Kögl ist 31 Jahre alt. Zuhause redet sie nicht viel über ihren beruflichen Alltag. Sie versucht das Private vom Beruf zu trennen.

Für Nadja Nemec war erst nach dem Freiwilligen Sozialen Jahr klar, dass sie Altenpflegerin werden wollte. Seit vier Monaten kümmert sich nun die 22-Jährige um ihre 54-Jährige Wachkomapatientin. „Ich hatte nie das Gefühl, dass es mir unangenehm ist. Ich finde, man kann den Beruf lernen, aber nicht wirklich leben, wenn man es nicht will. Da muss schon Herz dabei sein.“ Das äußerliche Klischee einer Altenpflegerin, die vielleicht alternative Züge hat, erfüllt Nadja Nemec ganz und gar nicht. Ihre dunkelrot gefärbten Haare, die Tatoos auf den Unterarmen und die Piercings erinnern eher an eine Punkerin. „Ich könnte nie kellnern oder vor einem Comuter sitzen. Das wäre nicht mein Ding“, erzählt die junge Frau. Mit ihren 22 Jahren ist Nadja Nemec ihren Altersgenossen weit voraus. „Unser Beruf zeigt uns die Vergänglichkeit aber auch gleichzeitig die Dankbarkeit der Menschen und die Intensität des Lebens“, fasst sie zusammen. „Wir versuchen das Leben mehr zu genießen. Man denkt schon darüber nach, dass es von heute auf morgen vorbei sein kann“, fügt Stefanie Kögl hinzu.

Es ist eine geistig anstrengende Arbeit

Wenn Nadja Nemec zur Arbeit geht, freut sie sich regelrecht auf ihre Patientin. „Sie reagiert auf  Bewegungen. Sie äußert sich mit Mimik. Dann muss ich schauen, ob ich sie umlagern muss, vielleicht ist es ihr zu kalt oder auch zu warm.  Sie erkennt mich, ich sehe die Veränderungen an dem Pulsoxymeter. Normal hat sie einen Puls von 55 Schlägen in der Minute, ab 80 ist sie wach, ab 95 ist sie angespannt.“ Nadja Nemec kennt ihre Patientin gut- für sie ist es ganz selbstverständlich, sich mit ihr zu unterhalten, auch wenn es Monologe sind.

„Ich erzähle ihr wie das Wetter ist oder wenn ich auf dem Berg war oder was meine Brüder machen – manchmal singe ich auch und lege ihr meine Hand auf dem Bauch.“

Ihre Arbeit wollen Stefanie Kögl und Nadja Nemec nicht gegen eine andere tauschen. „Es ist eine geistig anstrengende Arbeit – es setzt voraus, dass man 100 Prozent dabei sein muss. Nicht, dass es eine körperlich anstrengende Arbeit ist – es ist eine psychische Arbeit, die einiges abverlangt. Es ist nicht nur so, dass wir mit unseren eigenen Dingen klarkommen müssen, sondern auch mit dem Patienten und ihren Angehörigen. Man bekommt sehr viel mit, auch Streit“, erzählen die Beiden. „Wissen Sie“, so Nadja Nemec, „man kämmt ihnen die Haare, man schaut, dass sie zufrieden sind, man weiß viel über die Menschen – weil man eben 12 Stunden mit ihnen zusammenlebt. Man lernt den Menschen innen und außen kennen, ob man will oder nicht. Aber sie lernen uns auch kennen. Es ist ganz krass, das habe ich im Altenheim gelernt. Es ist ein Beruf, wo man gibt und nimmt.“

Text · Bild: Sabina Riegger

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