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„…und den Führerschein gab es umsonst“

106 Jahre und immer noch fit: Ottilie Höhne

Ottilie Höhne ist schon etwas ganz besonderes. Ihre charmante Art, Dinge auszusprechen die sich manch so einer nicht trauen würde, ist schon  richtig „cool“ – wie es die Urenkeltochter Mia beschreibt.

In Frankfurt geboren hat die ehemalige Geschäftsfrau zwei Weltkriege erlebt. So richtig daran erinnern will sie sich nicht. „Es gibt nicht mehr oder weniger zu sagen, als dass wir auch in den Luftschutzbunker oder Keller gehen mussten, wenn wir bombardiert wurden.“ 1934 heiratete sie ihren Herbert, einen BWL-Studenten aus Missen. „Mein Mann war Optiker und ich war von Beruf alles“, meint sie lachend. Das kann man Ottilie Höhne glauben, denn  ab ihrem 12. Lebensjahr fing sie an zu arbeiten. Im Krieg nähte sie Schuhe und Testfahrerin war sie auch. „Natürlich bin ich Auto gefahren. Ich habe sie sogar eingefahren. Da war ich etwa 17 oder 18 Jahre alt. Keiner hat danach gefragt, ob man einen Führerschein hatte oder nicht. Der Maybach, der hat mir schon sehr imponiert. Wir fuhren allerdings Opel und Adler“, erzählt die 106-Jährige. Ihr Vater machte damals die Koffer für die Autos, die hinten angeschnallt wurden. „Jeder, der ein Auto kaufte, bekam gratis einen Führerschein geschenkt. Der Ingenieur, der das Auto auslieferte, zeigte, wie das Auto funktionierte und fuhr mit den Käufer einmal um den Block“, so Ottilie Höhne. Heute eine unvorstellbare Sache. Frauen, die eine Zigarettenspitze hatten, mochte Ottilie Höhne nicht so gerne. „Die Weiber haben damals gedacht, sie wären was Besonderes. Dabei waren sie nur ein Sack Sülze.“ Händchen halten oder sich mal verstohlen einen Kuss geben gab es anscheinend zu der Zeit der Uroma nicht. „Für Händchen halten gab es keine Zeit“, sagt sie kurz „aber dafür haben wir viel getanzt. Die Eltern führten damals ihre Mädchen zum Tanzen aus. Wir waren sehr oft im Schuhmann Theater“, erzählt sie fröhlich.

Ottilie Höhne war schon immer ein Großstadtmensch. Als sie gemeinsam mit ihrem Mann das Geschäft in Witten verkauft hatte und 1974 nach Pfronten zog, konnte sie mit Wandern und Spazierengehen nichts anfangen. Es machte ihr einfach keinen Spaß. „Wir fuhren lieber spazieren“, erinnert sie sich zurück. Bis zu ihrem 99 Lebensjahr versorgte sie sich noch ganz allein zu Hause. Jetzt lebt sie in einem Seniorenheim. Auf die Frage ob sie noch Johannes Heesters kenne, antwortet sie ganz salopp: „Seine Lieder kenne ich, aber so toll waren die noch nie. Und zum Schluss hat er nicht mehr gesungen sondern nur noch gequiekt. Da hätte er das Singen bleiben lassen sollen.“ Holger Hohne findet seine Oma „tough“, eine Frau die ihren Mann steht. Er ist in die Fußstapfen seines Opas und Vaters getreten – er ist Diplom-Ingenieur für Feinwerktechnik im Fachbereich Augenoptik und führt nun das Optikergeschäft Optik-Foto Niebler in der Reichenstraße in Füssen. Ob ihn seine Oma geprägt hat? „Ich denke, Großeltern prägen immer. Mich haben meine Großeltern sehr geprägt.“ Ihren hessischen Dialekt hat die Frankfurterin auch nach den vielen Jahren im Allgäu nicht abgelegt, genauso wenig wie ihre verschmitze Art, die sehr direkt aber nie verletztend war. „Für mich war es immer sehr wichtig, mit allen gut auszukommen. Ich mag keinen Streit, man muss jeden so nehmen wie er ist.“ Bei der Konfirmation ihrer Enkeltochter Mia war sie kürzlich wieder dabei. „Familie ist schön -aber wir müssen nicht immer aufeinander hocken. Man muss auch Zeit für sich haben.“ Auf die Frage wie alt sie noch werden will, meint sie: „So alt wie ich leben kann.“

Text: Sabina Riegger · Bild: privat

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