Menschen

„Die Kinder gehen auf wie eine Blume!“

Die Schulvorbereitende Einrichtung, kurz SVE, bietet Kindern mit Förderbedarf genau die individuelle Betreuung, die sie brauchen.

35 Kinder besuchen die 3 Gruppen der SVE Füssen und Hopferau. Kinder, die einen bestimmten Förderbedarf in verschiedensten Bereichen haben. Sie benötigen oft individuelle, auf sie angepasste Förderung, um später einmal die Grundschule zu besuchen und vielleicht sogar einmal ihr Abitur abzuschließen. Genau das bietet ihnen die SVE. Als „Chance“ bezeichnen es Irmgard Schormüller, Schulleiterin der Erich Kästner Schule in Füssen, und Iris Kallmeyer, Pädagogische Leitung der SVE Füssen/Hopferau. Jedoch sind viele Eltern erst einmal überfordert oder haben Angst, weil ihr Kind spezielle Betreuung braucht. Dabei ist die SVE einem normalen Kindergarten durchaus ähnlich.

Um 8 Uhr beginnt der Tag in der SVE. Die Kinder werden zuvor alle direkt vor der Haustür abgeholt und zu der Einrichtung gebracht, denn das Einzugsgebiet ist recht groß. „Von Trauchgau bis Nesselwang ist  alles dabei.“, meint Iris Kallmeyer. Es geht los mit einem Morgenkreis, einer Art Begrüßungsritual. Hierbei wird jeder einzeln begrüßt, es wird ein Spiel gespielt und gesungen. Man merkt, dass die Kinder sich untereinander gut kennen. Sie sind neugierig, motiviert, fröhlich, hören gut zu und lauschen meist aufmerksam den ihnen gestellten Aufgaben. Anschließend folgt eine eineinhalb-stündige Fördereinheit. Es geht um Bereiche wie Sprache und Sprachverständnis, Mundmotorik, Fein- und Grobmotorik, Wahrnehmung, Kognition, Emotionen und Sozialverhalten. Hört sich kompliziert an, ist es aber gar nicht. Denn in der SVE wird das „Kind sein dürfen“ hochgeschrieben. Deshalb werden die Fördereinheiten immer spielerisch, beispielsweise durch eine Motivationsfigur, gestaltet. So hüpfen oder fliegen die Kinder mit ihrem Kuscheltier-Huhn und der Bilderbuchfigur „Lillipikadilli“ durch den Kindergarten, würfeln und picken die gewürfelte Zahl Eier wie ein Huhn aus einer Kiste, schmücken ihr eigenes „Nest“ damit. Sie bemerken gar nicht, dass sie gerade zählen geübt und ihre Feinmotorik trainiert haben. „Fordern, aber nicht überfordern“ ist enorm wichtig, sind sich Kallmeyer und Schormüller einig. Das Kind soll nach seinen Fähigkeiten lernen können. Anschließend an die Fördereinheit gibt es dann eine gemeinsame Brotzeit, nach der frei gespielt wird. In der SVE hat jedes Kind seinen eigenen Stuhl, seine eigene Aufgabe, zum Beispiel die Tassen auf die Tische zu stellen, und sogar sein eigenes Symbol, wie etwa einen roten Kreis. Sinn und Zweck dessen ist, den Kindern Sicherheit zu geben. Sie sollen das Gefühl haben „Ich gehöre hier hin!“, erläutert Irmgard Schormüller. Um 11.45 Uhr endet der Vormittag in der SVE und ein Teil der Kinder wird vom Bus wieder direkt nach Hause gefahren. Manche verbringen ihren Nachmittag aber auch, weil die Eltern Vollzeit arbeiten, in einem normalen Kindergarten. „Da haben wir gute Erfahrungen gemacht.“, erzählen die beiden, schließlich werde auch im Regelkindergarten nachmittags meistens frei gespielt, was selten ein Problem für die Kinder darstelle.

Einmal in der Woche turnen die Kinder. Auch das wird natürlich als Spiel verpackt, so helfen die Kinder beispielsweise „Lillipikadilli“ ihre Eier auf dem Weg durch einen Bewegungsparcour zu verstecken. Ein ganz besonderes Erlebnis für die Kinder ist das heilpädagogische Reiten, das alle drei Wochen einen halben Vormittag lang stattfindet. Hier werden Kommunikation
und Wahrnehmung gefördert, denn die Kinder sprechen mit den Pferden, fassen es an und nehmen die Bewegungen von ihm war. Außerdem geht es um die Beziehung zu den Pferden, von denen sie ganz begeistert erzählen.

Der Weg zur und nach der SVE

Caroline Trinkwalder, Gruppenleiterin der SVE Füssen, mit Huhn „Lillipikadilli“ im Morgenkreis.
Caroline Trinkwalder, Gruppenleiterin der SVE Füssen, mit Huhn „Lillipikadilli“ im Morgenkreis.

„Es geht um bestmögliche, frühe Hilfe.“, betont Irmgard Schormüller. Um diese geben zu können, muss der Förderbedarf des Kindes erkannt werden, den Eltern obliegt dann die Entscheidung, wo ihr Kind in Zukungt am besten aufgehoben ist. Manchmal ist es der Erzieher des Regelkindergartens, der sie darauf hinweist, dass das Kind sich vielleicht aufgrund der großen Gruppen mit 25 bis 30 Kindern nicht wohlfühlt, es ihm nicht gut geht. Die Erzieher haben des Weiteren die Möglichkeit sich direkt an einen Fachdienst, wie die Mobile Sonderpädagogische Hilfe, zu wenden. Auch der Kinderarzt empfiehlt in einigen Fällen die SVE oder die Eltern erkennen selbst, dass ihr Kind in der SVE am besten aufgehoben ist und wenden sich dann direkt dorthin. Es folgen verschiedene Untersuchungen und Entwicklungstests, die einen Förderbedarf feststellen müssen, damit das Kind die Einrichtung besuchen kann. Ein letzter Entscheidungsfaktor kann dann der Schnuppertag sein, bei dem jedes Kind die Möglichkeit bekommt, die Schule und ihre Räumlichkeiten mit seinen Eltern zu besichtigen.

Ebenso vielfältig wie die Wege, die die Kinder zur SVE bringen, sind auch die Gründe, warum ein solcher Förderbedarf bei ihnen vorliegt. Eins betonen Irmgard Schormüller und Iris Kallmeyer vorweg: Die Familien der Kinder seien sehr unterschiedlich, so dass man keine Regel aufstellen könne, wie etwa, dass die meisten Kinder aus sozial schwachen Familien kämen. Auch die Anzahl der Kinder, die aus ausländischen Familien kommen, sei „verschwindend gering“, so die Schulleiterin. Was eine Rolle spielen kann ist beispielsweise, ob das Kind eine Frühgeburt war oder ob es sich um ein Zwillingskind handelt. Allerdings ist auch hier keine Verallgemeinerung möglich.

Ein Aspekt liegt Irmgard Schormüller und Iris Kallmeyer noch am Herzen. Die SVE ist demnach „überhaupt keine Sackgasse“, sondern vielmehr ein „Weg, der zur Inklusion führen soll“. Die beiden Frauen „empfehlen und beraten“,, aber die letztendliche Entscheidung, auf welche Schule das Kind nach seiner Zeit in der SVE gehen wird, ist ganz allein den  Eltern vorbehalten.

Dass das Ziel der Inklusion bereits erreicht wird, bestätigen auch die Zahlen. So schaffen ganze 67% der Kinder, die die SVE besucht haben, den Sprung in die Grundschule. Möglich gemacht wird das durch die Arbeit der guten Heilpädagogen und Mitarbeiter, die voller Leidenschaft mit den Kindern arbeiten, ihnen Aufmerksamkeit und Zuwendung schenken, sie eben bestmöglich fördern. Und sicher strahlen die Augen aller Mitarbeiter genauso wie die von Irmgard Schormüller und Iris Kallmeyer, wenn sie von den Kindern und der Arbeit mit ihnen erzählen.

SVE Füssen
Feistlestr. 8
87629 Füssen
Tel./Fax: 08362 92 699 22
sve-fuessen@schwabehilfe.de

Text: Katja Sontheim
Bilder: Sabina Riegger (1) . Katja Sontheim (1)

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024