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Im Gespräch mit Tourismuschef Stefan Fredlmeier und Bürgermeister Paul Iacob

Füssen Wasted Youth?

Zu mancher Abendstunde am Ende einer Woche wirkt Füssen fast wie ausgestorben. Eine echte Szene existiert nicht. Und wenn man in der Innenstadt unterwegs ist, hat man schnell mit frühen Sperrstunden und Lärmbeschwerden zu rechnen. 10 Jahre hat es gedauert, bis der stillgelegte Skateplatz im Weidach einen neuen Anlauf in den Hanfwerken fand, doch dazu war erstmal ein Verein nötig. Wi     e sieht die momentane Situation in Bezug auf Freizeitgestaltung der Jugendlichen in Füssen aus und warum mangelt es an neuen Ideen und kreativen Denkansätzen? Wir unterhielten uns mit Stefan Fredlmeier und Paul Iacob. 

Herr Fredlmeier, Sie sind nun seit vier Jahren als Tourismus-Chef in Füssen tätig. Was hat diese Stadt für junge Touristen alles zu bieten?
Stefan Fredlmeier: Der Füssener Raum lockt potentielle Besucher hauptsächlich durch das breit gefächerte Angebot unserer Naturwelt. Neben den Schlössern bieten wir zahlreiche Seen zum Baden, Rad- und Wanderwege, Skifahren in den Bergen, et cetera. In unserem Prospekt „Füssen – Hits für Kids“ haben wir passend dazu ein umfangreiches Angebot speziell für Kinder herausgearbeitet, das  nach unseren Erfahrungen sehr gut ankommt. Bei Jugendlichen hingegen, die nicht wegen unseres Naturangebots herreisen, wird das natürlich schwerer.

Wäre es aber nicht schön, wenn wir auch mehr junge Familien mit Kindern in Füssen begrüßen dürfen?
Sicherlich wollen wir auch Familien mit Kindern als Gäste, da wir schließlich auch für junge Menschen ein großes Freizeitangebot offerieren. Jedoch mangelt es, trotz Ferienwohnungen und Gästehäusern, meiner Meinung nach, an einem richtigen Familienhotel in der Region. Deshalb wäre das „Allgäuer Dorf“ mit einem Familienhotel und familiengerechten Unterhaltungselementen eine gute Ergänzung des aktuellen Unterkunfts- und Freizeitangebotes.

Also sehen Sie, trotz der vielen negativen Kritik von Außerhalb, das „Allgäuer Dorf“ als Bereicherung für Füssen?
Leider fehlt vielen Urteilern elementares Wissen über diese Thematik. Im aktuellen Stadium  ist das Allgäuer Dorf vergleichbar mit einem Film, von dem wir lediglich den Titel und das grobe Thema wissen, aber Hauptdarsteller, Regisseur und Drehbuch noch immer nicht bekannt sind. Auf der Grundlage der mir vorliegenden Informationen halte ich das „Allgäuer Dorf“ potenziell für eine wertvolle Bereicherung des Tourismus und damit nutzbringend für unsere Stadt.

Füssen bietet jährlich bereits etablierte Veranstaltungen wie die „Salsa Nacht“ oder das „Jazz Festival“. Die Zahl der jungen Besucher hält sich hier aber in Grenzen. Ist es nicht möglich, ein besseres Gleichgewicht zwischen den Generationen zu schaffen oder gleich das Kulturangebot für die Jugend in Füssen zu erweitern? Schließlich war das Stadtfest des letzten Jahres ein gutes Beispiel dafür, dass es funktionieren kann.
Das ist natürlich richtig. Auch die historischen Umzüge, der Adventsmarkt und die Rutsch-Party sind generationenübergreifende Veranstaltungen. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass wir keine Agentur für Veranstaltungen sind, sondern eine Marketingorganisation mit dem Schwerpunkt Tourismus. Deshalb können wir leider nicht zahlreiche Veranstaltungen für jede Zielgruppe selbst organisieren, da dafür unsere Ressourcen nicht reichen und wir uns überlasten würden. Manche Einrichtung speziell für junge Leute rentiert sich wirtschaftlich nur schwer, da die Nachfrage nicht ausreicht. Mit beispielsweise einer kleinen Fachhochschule oder ähnlichen Einrichtungen, die mehr junge Menschen nach Füssen zögen, steigert sich eine Nachfrage und die Situation sähe in Füssen natürlich anders aus. Man schaue sich dazu andere Städte mit Unis oder Fachhochschulen an.
Wünschenswert wäre es, wenn mehr Vereine oder Privatleute in die Verantwortung für Veranstaltungen und Freizeitprogramme gingen. Die öffentliche Hand kann nicht alles leisten. Eine Stadt und Gemeinde lebt immer von einer aktiven Bürgerschaft, wie man sie aber auch vielfach in Füssen antreffen kann.

Was wünschen Sie sich dann für die Zukunft?
Wir sind immer bereit, Aktivitäten zu unterstützen, so lange sie zum Flair von Füssen passen, schließlich sind wir eine Stadt mit vielen internationalen Gästen wie auch Einwohnern und könnten unser Kulturangebot dadurch erweitern. Dennoch brauchen wir mehr Toleranz von Anwohnern, wenn eine Veranstaltung, wie beispielsweise das letztjährige Stadtfest, mal eine Überlänge von einer halben Stunde hat. Jedoch ist das in Kleinstädten, die eher konservativ angehaucht sind, nicht immer leicht.
Besonders wichtig wäre mir mehr Unterstützung und Initiative der Jugendlichen, die etwas auf die Beine stellen wollen oder eine kleine Szene entstehen lassen, die frischen Wind und neue kreative Ideen in die Stadt bringen.

 

Herr Iacob, was hat Füssen für Kinder und Jugendliche alles zu bieten?
Paul Iacob: Eine wichtige Rolle als Einrichtung für Freizeitgestaltungen Jüngerer spielt das Jugendhaus in Füssen. Vor allem bei schlechtem Wetter finden Jugendliche einige Beschäftigungsmöglichkeiten, dazu werden noch zusätzlich verschiedene Workshops und Veranstaltungen angeboten. Seit der neuen Führung unter Stefan Splitgerber, der seine Arbeit, wie Ich finde, äußerst gut macht, gewinnt die Einrichtung zunehmend an Beliebtheit. Für die kommende Zeit werden neue Dekorationsideen umgesetzt und eine Außenanlage ist ebenso schon in Planung. Des Weiteren sind wir immer bereit, Vereine wie den EVF, den FCF, die Royal Bavarians oder den TSV, bei dem kürzlich eine Sanierung der Anlage vorgenommen wurde, zu unterstützen.
Vor ein paar Jahren stand ein Park für Dirt-Biker zur Debatte. Die anschließende Planung unterstützten wir tatkräftig, indem wir geeignete Plätze aussuchten und gegen unberechtigte Beschwerden erfolgreich vorgegangen sind. Doch wegen zunehmendem Desinteresse der Jugendlichen verlief das Ganze im Sande.

Wie sieht es eigentlich mit einem Jugendbeirat aus, bei dem Jüngere ein wenig an kommunalpolitischen Entscheidungen und Prozessen im Bezug auf Jugendarbeit mitbestimmen können?
Wir führen Jugendbeiratssitzungen seit 2007. Die Leitung hierfür liegen beim Beiratsvorsitzenden und Koordinator Ulrich Pickl, mit der Unterstützung des Jugendbeauftragten Markus Gmeiner. Die Versammlungen finden in der Regel vier bis fünf Mal im Jahr statt und werden öffentlich gehalten, so dass alle Jugendlichen, die Lust haben, dabei sein können um etwas mitzuentscheiden. Selbstverständlich nehme ich  jedes Anliegen und jeden Vorschlag Jugendlicher ernst, damit wir in Füssen mehr bewegen können, ohne dabei die falsche Richtung einzuschlagen.

In der Vergangenheit wurden schon des Öfteren Versuche gestartet, Füssen für Jugendliche ansprechender zu gestalten, doch leider scheiterten diese immer wieder auf Grund von Beschwerden, meistens Nachbarn, die wegen Lärmbelästigung, Verfahren einleiteten. Wieso findet man ihrer Meinung nach keinen Konsens, wie es beispielsweise bei der Realisierung des Skateparks war?
Es ist immer wieder schade, wenn egoistische Bürger so wenig tolerieren und sich bei den Behörden über Lärmbelästigungen und Ähnlichem beschweren. Sie sollten dabei mehr an ihre eigene Jugend denken und mehr Toleranz aufweisen. Wir haben momentan mit der Schwangauer Straße immer wieder Probleme, da sich dort einige Kneipen auf einem Fleck konzentrieren und die ersten Lärmbeschwerden für den Abend nicht mehr weit sind. Wenn man nun mal in der Innenstadt wohnt, ist es auch normal, dass diese auch Abends mal etwas belebter sein kann. Aber dennoch gelten auch hier die Gesetze Lärmschutz und Öffnungszeiten.

Dank des neu gegründeten Rollwerk e.V. nimmt der Bau eines Skateparks in den Hanfwerken nach über fünfjähriger Stilllegung nun seinen Lauf. Werden Sie den Bau unterstützen?
Ja, natürlich. Da der Park nicht wie ein Club funktionieren wird, sondern eventuell als Verein,  muss er gegen Unfälle versichert werden. Wir können uns vorstellen hier Kosten zu übernehmen.

Man liest immer wieder Berichte, dass auf dem Gelände der Hanfwerke Arbeitsplätze, Wohnungen, oder Parkplätze entstehen sollen. Hat das Gebäude als Unterkunft für den Skatepark überhaupt einen längerfristigen Nutzen, wenn die Zukunft der Hanfwerke ungewiss ist?
Es muss verstanden werden, dass die ehemalige Fabrikanlage von einer privaten Firma aufgekauft wurde, die nun verschiedene Hallen und Räume an Selbstständige vermietet. Da in den nächsten Jahren sicherlich kostenaufwändige Sanierungen für die Instandhaltung nötig sein werden, hat der Ort für den Park einen mittelfristigen Nutzen, das heißt für etwa die nächsten fünf Jahre. Aber das muss natürlich nicht bedeuten, dass der Skatepark dann geschlossen wird.

Sind Sie zufrieden mit der momentanen Situation was die Freizeitgestaltung Jugendlicher betrifft?
Seit meiner Amtszeit haben wir, wie ich finde, schon einiges in Bewegung gebracht und Füssen schon ein wenig vorangetrieben. Das beste Beispiel ist das neue Jugendhaus. Es fehlt momentan noch ein wenig Engagement von Jüngeren mit kreativen Ideen. Jedenfalls hätte ich dafür immer ein offenes Ohr.

Die Interviews führten Felix Schmid & Yannic Riegger
Bilder: Sabina Riegger

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