Menschen

Auf dem Weg für ein gemeinsames Füssen

Migration und Integration sind in den letzten Jahren zu einem großen Thema auf den politischen Bühnen in Deutschland geworden. Man spricht von Intoleranz, mangelndem Interesse am Zusammenleben, von Menschen zweiter Klasse. Je nachdem aus welchem Blickwinkel man die Vorwürfe sieht, könnte es auf beide Lager zutreffen.

Solange das Thema noch so präsent ist, wird es immer Probleme geben, sagen die Deutschen und die Migranten. Manche Kommunen und Städte haben es geschafft, beide Parteien an einen Tisch zu setzen, um über ein gemeinsames „Wir“ zu sprechen. Füssen auch.

Doch wenn man die Zahlen sieht, wie viele ausländische Mitbürger zu dem Migrationstreffen kommen, könnte man annehmen, dass es in Füssen keine Probleme gibt. Denn nur Wenige kommen zu den Treffen um sich auszutauschen oder gar Projekte für die Zukunft zu planen. Die Initiative dazu ging von der SPD aus. Der Vorsitzende des Migrationsbeirats Lothar Schaffrath sieht die Sache mit gemischten Gefühlen.

Füssen aktuell traf sich zu einem Gespräch mit dem Stadtrat und Mustafa Türkmen, der sich seit Jahren für einen kulturellen Austausch in Füssen einsetzt.

Warum ist so ein Migrationsbeirat so wichtig?
Lothar Schaffrath: Es gab immer wieder Probleme, an unsere ausländischen Mitbürger ran zukommen. Wir wollten wissen, wie sie hier leben, ob es Schwierigkeiten gibt und natürlich ob wir helfen können. Mit einem Migrationsbeirat glaubten wir uns eben für diese Belange besser einsetzen zu können.

Heißt das, Sie glauben nicht mehr daran?
Lothar Schaffrath: Es ist eine schwierige Frage. Zur Zeit sind wir nur fünf oder sechs Mitglieder. Die Mitarbeiter der Kindergärten sind noch sehr interessiert an der Zusammenarbeit, genauso wie der türkische Elternbeirat,  Mustafa und ich. Sonst ist niemand da.

Dass heißt im Klartext, es gibt kein Interesse?
Lothar Schaffrath: Das kann man nicht so sagen. Wir meinten erst, dass eventuell die Hemmschwelle ins Rathaus zu gehen viele davon abbringt. Also gründeten wir einen Integrationsstammtisch, der vier Mal im Jahr stattfindet. Aber beim letzten Stammtisch war kein Bürger mit Migrationshintergrund da, nur Deutsche..

Warum, meinen Sie, ist die Akzeptanz nicht gegeben?
Mustafa Türkmen: Für mich ist es eindeutig. Es sind anscheinend keine Probleme da, die zu besprechen sind. Oder der Druck ist nicht da, um etwas dagegen oder dafür zu tun, um richtige Änderungen beizuführen. Oder die Leute haben eine Gleichgültigkeit, die sie so zeigen.

Heißt das, Sie wollen die Arbeit im Migrationsbeirat nun ganz aufgeben?
Lothar Schaffrath: Nein, auf gar keinen Fall. Wir hoffen, dass wir doch den Einen oder Anderen dazu bewegen können, gemeinsam mit uns zu arbeiten. Sei es nur, um gemeinsam einen Kaffee, Tee oder ein Bier zu trinken um sich näher zu kommen. Wie bereits gesagt, es ist sehr wichtig, ein gemeinsames Füssen zu gestalten, wo sich alle wohlfühlen.
Mustafa Türkmen: Ich persönlich bin der Meinung, dass wir schon sehr viel Gemeinsames auf den Weg gebracht haben. Und damit es so bleibt, ist es wichtig weiterhin gemeinsam zusammenzuarbeiten.

Können sich im Migrationsbeirat alle Menschen mit Migrationshintergrund engagieren?
Lothar Schaffrath: Selbstverständlich. Jeder ist dazu herzlich eingeladen. Wir kennen noch viel zu wenig die Beweggründe, warum Manche nach Füssen oder Deutschland gekommen sind.

Sind deswegen die Fragebögen entworfen worden?
Lothar Schaffrath: Ja. Letztes Jahr gab es viele Berichterstattungen über „50 Jahre Gastarbeiter in Deutschland“. Die Berichterstattung in den Medien hat mich dazu veranlasst, der Frage nachzugehen, wie war das in Füssen? Als ich die vielen Interviews angeschaut habe, dachte ich mir, toll war das nicht. Das war übrigens auch ein wichtiges Thema im Beirat. Unsere Recherche ergab, und das trotz zweier Tageszeitungen, die es damals in Füssen gab, dass es lediglich einen Artikel über Ausländer gab. Mehr konnte man nicht finden.
Mustafa Türkmen: Ich finde den Fragebogen gut. So können wir dieses Thema besser aufbereiten. Ich denke, Viele haben sich eigentlich nicht interessiert, was machen die Ausländer hier?  Die Hilfestellung vom Staat war nicht da. Den Menschen ging es damals richtig schlecht. Sie hatten keine guten Unterkünfte. Hätte man sie  richtig angenommen und ihnen eine Hilfeleistung gestellt, insbesondere auch mit der Sprache, wäre wahrscheinlich vieles anderes gelaufen.
Lothar Schaffrath: Den Migrationsbeirat hätte es schon vor 30 Jahren geben müssen, dann hätte man den Leuten aus dem Ausland und der deutschen Bevölkerung viel Ärger und Kummer ersparen können.

Wie wollen Sie die Fragebögen auswerten?
Lothar Schaffrath: Man wird es dokumentieren und wir hoffen, dass wir auch Bilder aus der Anfangszeit bekommen, dann können wir aus den eingesandten Fragebögen eine Ausstellung machen. Den Namen kann man freiwillig dazu schreiben, weil es für die Kontaktaufnahme sicherlich interessant wäre. Ein Muss ist es allerdings nicht.

Wann soll die Ausstellung stattfinden?
Lothar Schaffrath: Wenn genügend Material da ist, kann man das sicher Anfang Juli machen. Es wäre schön, wenn sich deutsche Mitbürger melden würden, die die Problematik miterlebt haben, vielleicht mit einem ausländischen Mitbürger der ersten Stunde verheiratet sind.
Mustafa Türkmen: Wir wollen über alle Erfahrungen Bescheid wissen, sowohl das Positive als auch das Negative. Ich selbst habe auch schon einen Fragebogen ausgefüllt.

Vielen Dank für das Gespräch
Herzlichen Dank für das Interesse

Text · Bild: Sabina Riegger

 

Info
Einwohner Füssen gesamt 14.700 Stand 12.12.12

Einwohner mit Migrationshindergrund
in Füssen:
– insgesamt: 2.080
– die drei gößten Nationalitäten: 652 türkisch, 204 österreichisch, 181 italienisch
– es sind Menschen aus 75 verschiedenen Nationalitäten gemeldet

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024